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Kolumne Luft und LiebeDas Beben der Anderen

Jetzt im Sommer hört man ständig die Sexgeräusche der Nachbarn. Vielleicht sollte man sie sammeln und wiederverwerten.

War da was? Bild: dpa

D ie Ubiquität von Sex, das ist ja quasi dein Thema, nicht wahr?“, fragte J. „Die was?“, fragte ich. „Die Ubiquität von Sex.“ – „Äh, ja, die was also?“ – „Ach so. Die Allgegenwart sozusagen, die Allgegenwart von Sex. Das ist doch gewissermaßen das Thema deiner Kolumne?“ – „Ah. Ja. Manchmal. Weiß nicht. Nö, eigentlich nicht.“

Gespräche, die man auf Intellektuellenpartys führt, sind auch nicht viel ergiebiger als Gespräche auf richtigen Partys. Manchmal lernt man neue Wörter, immerhin.

Später, als die Party vorbei war und ich im Bett lag, war im Hinterhof sehr viel Ubiquität. Ein Seelöwe hatte sich verirrt und diskutierte mit einer aufgeregten Möwe über den Weg. Dachte ich. Zuerst. Kurz. Nee, natürlich nicht. War nur der neue Nachbar mit seinem Besuch.

In naiven Momenten habe ich mich in solchen Fällen schon oft ans Fenster gestellt und gehorcht, ob jemand Hilfe braucht. Ruft da jemand? Meistens nicht. Meistens ist auch kein Puma entlaufen. Meistens sind es Leute, denen es vermutlich gerade ganz gut geht.

„Viel zu gut geht es denen!“, rief D. neulich, als wir über vögelnde Nachbarn sprachen, „ungerecht ist das! Menschen in Mietshäusern sollten generell keinen lauten Sex haben, wenn sie sich nicht sicher sind, dass alle ihre Nachbarn ein erfülltes Sexleben haben und nicht neidisch werden können, und da sie sich nie sicher sein können, sollen sie einfach gar keinen lauten Sex haben, das ist ja wohl nicht zu viel verlangt!“

Ist aber nicht schlimm

Mein „Du kannst doch Musik anmachen“ ging dabei irgendwie unter. (Das mit der Musik geht übrigens doppelt. Man kann entweder Musik anmachen, die man mag, und damit alles übertönen. Oder man kann – hab ich im Wohnheim gelernt, und funktioniert – ganz scheußliche Musik anmachen, wenn man die Leute nicht mag. So laut, dass sie die Musik auf jeden Fall hören. Denn niemand macht gern Liebe zu „Schni-Schna-Schnappi“, das ist es, was man eine anthropologische Konstante nennt.)

Jetzt im Sommer ist es natürlich schwierig. Denn zurzeit ist Sex tatsächlich sehr ubiquitär. Jedenfalls abends, in meinem Hinterhof. Offene Fenster überall, reflektierende Wände, allgegenwärtiges Stöhnen und Seufzen. Ist aber nicht schlimm.

Mein Plan war schnell gestrickt: einfach den vielen Sex, den es jetzt gibt, recyceln. Können andere noch mal benutzen. Dazu hat man doch Aufnahmegeräte. Mikrofon aus dem Fenster gehängt, nach einer Viertelstunde wieder reingeholt, akustischen Porno ins Netz gestellt, fertig. Man guckt viel zu viel auf Bildschirme, man muss nicht auch noch Pornos auf Bildschirmen sehen. Die eigenen Nachbarn will man vielleicht nicht hören, aber fremde Menschen müssten gehen. Wäre auch ganz nichtlookistisch. Und authentisch. Und gut für Blinde.

Auch eine pornografische, also eine pornogeografische Landkarte wäre möglich. Open Source, alle könnten was hochladen. Es wäre sehr spannend. Stöhnt die Platte in Marzahn mehrstimmig? Quiekt München, ächzt Köln? Gibt es Möwen auch im Süden, Tauben auf dem Land, Hirsche in der Stadt? Je mehr Leute mitmachen würden, desto besser. Außer vielleicht meine Nachbarn.

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Margarete Stokowski
Autorin
Jahrgang 1986. Schreibt seit 2009 für die taz über Kultur, Gesellschaft und Sex. Foto: Esra Rotthoff
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8 Kommentare

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  • O
    Ora-Ïto

    Wow, Frou Stokowski(!), haben Sie das alles von den Vögeln auf den "Intellektuellenpartys" aufgeschnappt? Einfach toll, was Sie da so offensichtlich darbend und obsessiv zusammentackern: "Ist aber nicht schlimm". Hm, jedenfalls hoffe ich für Sie und v.a. alle LeserInnen(!), dass es nicht noch schlimmer wird. Ansonsten wäre erwägenswert, dass Sie ‘Ihre’ Kolumne z.B. in: ‘outgesourct vögeln’ umbenennen.

     

    Ach so, was ich Sie noch fragen will: Hatten die "vögelnde[-n] Nachbarn" auch "Kacke im Fell hängen"(?), Sie wissen schon:

    «Dann kackt doch in den Wald»

    https://www.taz.de/Kolumne-Luft-und-Liebe/!121423/

    In diesem Sinne – Sie wissen ja: Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn.

    • @Ora-Ïto:

      Was ist Ihr Problem? Wer oder was zwingt Sie, die Kolumne von Frau Stokowsky zu lesen?

      Als Radfahrer helfen einem die Auto-Seiten auch nicht weiter.

      • O
        Ora-Ïto
        @Rainer B.:

        "Was ist Ihr Problem", dass Sie mir ein "Problem" anquatschen wollen(?), dass Sie (cf. Ihr vorlaufender Lk.:) "nix hören", oder dass Sie "doch demnächst genauer" (Volkspark?) nachsehn müssen"?!

        Definitiv – für Ihre Obsessionen gibt ’s befriedigendere Publikationen!

        • @Ora-Ïto:

          Wahrscheinlich haben Sie garkein Problem!

          Einatmen, Ausatmen, Einatmen ...

  • Ich hör nix! Leider. Aber sie vermehren sich ständig um mich herum. Vielleicht sind Knebel im Spiel, oder es wird mit Narkose gearbeitet. Vielleicht gehen sie auch immer nach draußen, ganz weit raus. Volkspark? Ich muss doch demnächst genauer nachsehn.

    Das letzte Mal hab ich im Hotel was gehört. Das war bombastisch und rekordverdächtig. Hinterher hab ich erfahren, das es dort eine "Honeymoon Suite" gibt - also war's wohl nur vorgetäuschter Sex. Aber es werden immer mehr. Ständig. Neulich stand es noch in der Zeitung. Vielleicht doch der Storch? Ich versteh die Welt nicht mehr!

  • Ohrgasmus oder Scheinohrgasmus?

     

    Verkehrslärm gibts bei Tag und Nacht,

    und ich bin schon oft erwacht,

    weil die liebe Nachbarschaft

    in Leidenschaft mit voller Kraft

    wimmert, betet, wispert, schreit.

     

    Wie schön ist doch die Sommerzeit.

  • P
    Putin

    Sehr gute Idee, koennte von Petra Kelly sein, die Hifianlage voll aufdrehen, aber sicher ruhestoerender Laerm. Was sagt das Mietrecht? Das ist ja wohl noch erlaubt!

     

    Einige schreien uebrigens beim Sex. Gehoert fuer sie dazu und ist auch kein Christopher Street day. Wie waere die Rechtslage in Russland?

  • V
    vögeln

    für mich erschließt sich der sinn dieses beitrages nicht.

     

    menschen vögeln. menschen vögeln nicht. in hinterhöfen. im sommer auch bei offenen fenstern vögelnde menschen machen geräusche. nichtvögelnde menschen machen intellektuelles hirnvögeln.

     

    ...und nu ;-?)