Kolumne Liebeserklärung: Her mit der Kommunalpolitik!

In drei Wochen wählt Europa – zugleich finden in zehn Ländern Kommunalwahlen statt. Nur: Wen interessiert das? Eine Ehrenrettung.

Gebäude mit roter Aufschrift "Rathaus"

Das Rathaus in Stendal, Sachsen-Anhalt. Auch dort wird am 26. Mai gewählt Foto: dpa

Liebe Kommunalpolitik, ich schreibe dir stellvertretend für ­diejenigen JournalistInnen und ZeitungsleserInnen, die sich am liebsten in Großstädten tummeln. Denn, man muss das so sagen, zwischen dir und uns besteht eine Kluft. Du kennst den Grund: Wir beachten dich kaum. Du bist für uns nicht viel mehr als ein Fleckchen auf der politischen Landkarte.

Das liegt nicht an dir, es liegt an uns: Wenn wir uns mit Politik auseinandersetzen, dann hauptsächlich mit deinen großen Schwestern in Berlin und Brüssel. Dort werden schließlich die großen Fragen diskutiert: Rente, Organspende, Brexit – da kannst du mit deinen, Pardon, kleinen Problemen wie Straßenbeleuchtung einfach nicht mithalten.

Und doch ist dieses sture sich Fixieren auf die große Politik natürlich nicht in Ordnung. Gewiss, dein Ruf ist etwas angestaubt. Bürokratisch, öde, provinziell, das sind die typischen Attribute, die wir mit dir verbinden. Dabei hast du diese Verachtung nicht verdient. Erst recht nicht jetzt.

Du bist nah dran und kümmerst dich

Wir reden viel von der Europawahl am 26. Mai. Auch für die vier anstehenden Landtagswahlen interessieren wir uns brennend – weil die auch bundespolitisch relevant sind. Dass zeitgleich mit der Europawahl in 10 von 16 Ländern auch deine Rathäuser und Ortsräte neu besetzt werden? Dafür haben wir kaum einen müden Blick übrig.

Du bist in der Politik das, was die Zahnbürste im Alltag ist. Nichts zum Angeben – aber ohne würden wir ziemlich alt aussehen.

Dabei wissen wir sehr wohl, dass bei dir die Wurzeln der demokratischen Mitbestimmung liegen. Gerne wird auf die angebliche BürgerInnenferne in der Berliner Blase geschimpft. Du dagegen zeigst in jeder monatlichen Ortsratssitzung, dass Nähe zu den Menschen keine hohle Phrase sein muss. Die Straße vor der Tür ist voller Schlaglöcher? Du kümmerst dich, darauf ist Verlass. Auch und gerade in Krisenzeiten – wie 2015/16, als so viele Geflüchtete kamen.

Hinzu kommt deine offene Art. Wo kann man einfach in die EinwohnerInnensprechstunde gehen und die Gewählten direkt mit Fragen löchern? Eben. Du bist in der Politik das, was die Zahnbürste im Alltag ist. Nichts zum Angeben – aber ohne würden wir ziemlich alt aussehen. Das wird von uns viel zu selten beachtet, gerade jetzt. Vielleicht könnt ihr beiden, die große EU-Schwester und du, ja bei der Wahl in Sachen Beteiligung sogar voneinander profitieren.

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Journalistische Stationen u. a. bei Spiegel und SZ, seit 2020 bei der taz. Im Ressort taz.eins für die vorderen Zeitungsseiten verantwortlich.

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