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Kolumne Habibitus„Bio“ ist für mich Abfall

Manche Begriffe sind so pseudo-korrekt, dass sie Sprache nur verschlimmbessern können. „Biodeutsch“ ist so ein desaströses Wort.

So sieht „Bio“ aus Foto: dpa

Eines meiner liebsten deutschen Wörter ist das Verb „verschlimmbessern“. Es ist eine Mischung aus „verschlimmern“ und „verbessern“ und bedeutet laut Wörterbuch „etwas durch eine gut gemeinte Aktion nur noch schlimmer, schlechter machen“. Vielleicht mag ich den Begriff so gern, weil er etwas beschreibt, das ich ständig in meinem Umfeld beobachte.

Zum Beispiel Deo auf Schweißgeruch. Oder als meine ehemalige (sic!) Friseurin merkte, dass mein Pony scheiße aussah und ihn durch einen „fransigen“ Look auflockern wollte.

Auch ich habe mal etwas verschlimmbessert: In der dritten Klasse wollte ich nicht, dass meine Eltern sehen, dass ich eine 3 in Mathe geschrieben habe. Eine 3 in Mathe hätte bedeutet, dass ich Fernsehverbot bekommen hätte und so das Anime-Nachmittagsprogramm auf RTL II – mein größtes Hobby damals – verpassen würde. Jede Klassenarbeit mussten wir aber unterschreiben lassen. Also fälschte ich die Unterschrift meiner Mutter.

Da ich aber fand, dass Druckbuchstaben nicht authentisch genug rüberkamen – sorry, Mama –, habe ich ihren Nachnamen in Schreibschrift geschrieben. Mir fiel dann ein, dass eine Neuerfindung ihrer Unterschrift aber mindestens genauso unglaubwürdig rüberkam, also schnitt ich kariertes Papier aus und klebte es dem bestehenden Klausurpapier millimetergenau angepasst über die falsche Überschrift.

Dann rieb ich über die Kanten des aufgeklebten Papiers, in der Hoffnung, dass es mit dem eigentlich Papier irgendwann fusionieren würde. Und dann machte ich noch eine falsche Unterschrift drüber. Flog natürlich auf und meine Eltern machten eine Kindersperre in den Fernseher. Habe die Situation also insgesamt drei Mal verschlimmbessert.

Heidelberg und Heidelbeeren

Oder jedes Mal, wenn jemand „bio“ vor etwas setzt, was kein Lebensmittel ist oder aus Pflanzen besteht. So wie „Biofrau“ oder „Biomann“ statt Cisfrau oder Cismann. Früher war es geläufig, heute ist einigen Leuten klar, dass Biologie und Geschlecht so viel miteinander zu tun haben wie Heidelberg und Heidelbeeren. Die Person will implizieren, dass sie weiß, dass es auch Transpersonen gibt. Aber eben auch andere Frauen und Männer – nur echt mit Biosiegel.

Noch schlimmer finde ich aber „biodeutsch“. Was zur Hölle soll das heißen, jemand sei biologisch deutsch? Deutsch ist eine Nationalität oder eine kulturelle Identität. Aber es gibt keine deutsche Biologie. Oder, wie @redridinghood_ twitterte: „’Biologisch deutsch'. Erkennbar am Deutschorgan, Deutschhormon und Deutschchromosom. Woher kenn ich das?“ Ja, woher?

Dieser Begriff kommt straight out of Rassentheorie und behauptet, es gäbe so etwas wie „Rassen“. Leute versuchen mit „biodeutsch“, eine Norm zu benennen, nämlich weiße Deutsche, aber sie verschlimmbessern die vermeintliche Korrektness. Sind „biodeutsch“ alle, die blass wie Schlagsahne, blond und blauäugig sind? Heißt „biodeutsch“, dass beide Eltern aus Deutschland kommen? Wohl kaum. Denn nur, weil jemand hier geboren ist, wird si*er lange nicht als „biodeutsch“ bezeichnet. „Gut gemeint“ ist oft trotzdem ein Desaster.

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26 Kommentare

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  • Jegliche politkorrekte Sprachpanscherei ist per se Verschlimmbesserung. Das ist die Wurzel des Übels.

  • 7G
    7964 (Profil gelöscht)

    Ver-Schlimmbesserwisser meint: Genau wegen der Heidelbeeren, die auf dem Gaisberg wachsen, heißt Heidelberg Heidelberg...

    Nix Highdelberg...

  • soweit ich mich erinnern kann, hat biodeutsch erst Cem Özdemir richtig populär gemacht

  • Mit dem Begriff "biodeutsch" konnte ich auch noch nie was anfangen. Allerdings war ich schon das eine oder andere Mal in Situationen, wo ich meinem Gegenüber erzählen wollte, dass meine Familie, so weit das kollektive Gedächtnis eben reicht, keinerlei internationalen Migrationshintergrund hat. Nicht etwa triumphierend oder ähnliches, sondern tendenziell mit Bedauern über meinen langweiligen kulturellen Hintergrund. Ich drücke das gerne mit "Ich bin durch und durch eine Kartoffel. - So weit ich weiß." aus. Ich habe gehört, dass Immigranten die Bezeichnung "Kartoffel" (pejorativ?) für "die Deutschen" geprägt haben, aber ich nehme sie gerne als Selbstbezeichnung an, weil es ein typisch deutsch klingendes, aber sympathisches Wort ist und die Kartoffel sinnbildlich gleichzeitig für Langeweile - sogar Unansehnlichkeit - und für leckere deutsche Küche stehen kann. Wenn ich so drüber nachdenke, passt es sogar ins Bild, dass die Kartoffel ursprünglich nicht von hier stammt, denn wenn man nur weit genug zurückgeht, sind wir schließlich alle Nachfahren von Immigranten.

    • @Bibigirl:

      Sauber Junge,

      ich nenn mich und meine Landsleute auch Kartoffeln. Ist auch mein Lieblingsgemüse.

      Mein Lieblingskulturstück ist übrigens die Kartoffelhose. Jene dreiviertel karierte Hose welche ab ca. 20°C jede zweite männliche Kartoffel hier zu tragen scheint.

      Mir zaubert das Wort Kartoffel so ein Grinsen ins Gesicht ... es ist die einzige Möglichkeit bei so viel Kartoffeligkeit nicht verrückt zu werden.

  • Okay, anscheinend kommt keine*r darauf dass mit "biodeutschen" im allgemeinen "iHRER BIOGRAPHIE NACH DEUTSCHE" gemeint sein könnten... dann Impliziert er etwas völlig anderes!

  • Mir fehlt aber irgendwie ein passender Ersatzbegriff. Unter "weiße Deutsche" fallen ja auch alle eingebürgerten Immigranten aus Osteuropa bzw. deren Kinder, obschon die wahrscheinlich meistens nicht mitgemeint sind, wenn man von "Biodeutschen" spricht.

    • @Lena WC:

      Germanen ?

      • @lions:

        Germane wäre Ok, da falle ich als Bajuware nicht darunter.

        Aber mal ernsthaft:

        Beschreibt nicht der "Biodeutsche" ganz einfach jemanden der/die keinen wie auch immer gearteten "Migrationshintergrund" geltend machen kann?

        Wenn der Name eines/r "Biodeutschen" aus Dortmund auf "ski" oder "sky" endet ist er/sie dann keine® mehr?

        Wie, und das ist die Frage an die Autorin, wie soll man denn die Landsleute ohne "Migrationshintergrund" nennen?

    • @Lena WC:

      auf die gefahr hin, dass es altmodisch ist: gebürtige*r deutsche*r?

       

      ... im sinne von "hier geboren und aufgewachsen" ... wenn's denn wichtig ist >;o)

      • @christian hilleprandt:

        Auch gebürtige Deutsche, die in Deutschland aufgewachsen sind können einen Migrationshintergrund haben. Migrationshintergrund bedeutet lediglich, dass mindestens 1 Elternteil nicht in Deutschland geboren ist.

    • @Lena WC:

      Ich bin "weißer Deutscher" und kaufe kein Bio. Ich tanke noch richtigen Sprit und will keinesfalls als "Biodeutsch" bezeichnet werden. Hier ein Vorschlag für einen passenden Begriff (wenn und soweit dieser wofür auch immer gebraucht wird): "Deutscher ohne Migrationshintergrund" in Abrenzung zu "Deutscher mit Migrationshintergrund". Damit ist auch das Eingrenzungsproblem mit den benannten Osteuropäern und deren Kindern gelöst. Ist doch ganz einfach.

  • Ich möchte Earendil zustimmen. Ich kenne den Begriff 'biodeutsch' nur als augenzwinkernden Hinweis auf die Vorstellung von 'echten Deutschen' bei Menschen mit tendenziell rassistischem Einschlag. Außerdem verweist der Begriff darauf, dass es auch andere Vorstellungen von Deutsch-Sein gibt.

     

    Noch eine kleine Anmerkung:

    "Früher war es geläufig, heute ist einigen Leuten klar, dass Biologie und Geschlecht so viel miteinander zu tun haben wie Heidelberg und Heidelbeeren."

    In der Biologie definiert man Geschlecht vielleicht anders als in der Soziologie oder Literaturwissenschaft.

  • Die harten Rassentheoretiker, die wohl nie aussterben werden, wird das nicht überzeugen. Der die Ethnie als BIOlogische Abstammung verstanden haben will, wird weiter Begriffe suchen, die die Äußerlichkeit des Menschen danach differenzieren. Mag es mir ach nicht gefallen, aber umso mehr ich mich drüber aufrege, desto schlimmer wird´s. Also lass die mal ruhig Biodeutsche sein, wenn damit nicht gemeint ist, dass sie unter ökologischen Bedingungen aufgewachsen wären und somit eine Art Reinheit verkörpern.

    • @lions:

      Sorry, "Biodeustch" ist bestenfalls ein Schimpfwort aber oftmals eine rassistische Beleidigung zulasten einer bestimmten Bevölkerungsgruppe. Ich kenne keinen hellhäutigen Deutschen ohne Migrationshintergrund der sich freiwillig als "Biodeutscher" bezeichnen würde.

  • Aber "biodeutsch" ist doch gar kein Versuch einer Verbesserung von irgendwas, sondern ein Versuch, die Vorstellung von Rassisten davon, was "richtige Deutsche" sind, auf einen Begriff zu bringen.

    • @Earendil:

      Echt?

      Ich kenne den Begriff nur aus meinem Umfeld, wenn Leute über Ausländer und Deutsche sprechen, aber eigentlich wissen wie blöd es ist, diese Trennung aufzumachen und deshalb ironisch von "Biodeutschen" sprechen.

      Bei dieser Verwendung ist den meisten Leuten auch irgendwie klar, dass das ein echt dummes Wort ist, ihnen (ich eingeschlossen) fällt nur kein anderes ein.

      • @Lena WC:

        Ja, so kenne ich die Verwendung auch, ironisch und absurd beschreibend zur Verdeutlichung des bescheuerten Abgrenzungsbedürfnisses einiger Bekloppter.

  • Der Autorin ist uneingeschränkt zuzustimmen. Was derzeit mit der Sprache passiert ist furchtbar und sämtliche Wortgebilde mit "Bio" sind schlimm. Ich kaufe jedenfalls kein wie auch immer geartetes Bio.

     

    Gute Beispiele für die fortschreitende Sprachverhunzelung sind auch sämtliche Gendersternchen und -Unterstriche oder die ständige Neuerfindung von Wörtern (z. B. "People of Color" oder "Alman"). Echt gruselig.

  • Hengameh Yaghoobifarah,

     

    vielleicht stellen Sie doch in Zukunft erstmal Nachforschungen an bevor Sie, weil Sie irgendetwas aufregt darüber schreiben ohne den Kontext zu kennen.

    Der Begriff wurde ironisch von Kanak Attak geprägt. Vermutlich als Gegenüberstellung zu "Passdeutschen" er soll das ganze der Lächerlichkit preisgeben.

    Der Begriff entstammt der Befragung Weißes Ghetto. Hier mal ein Link: https://www.youtube.com/watch?v=Gwdy_GAPBJQ

    Die Assoziation zu Bio-Müll oder Beio-Gemüse ist dabei sicherlich gewünscht. Siehe den Link.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Stimmt schon, das ist echt eine schräge Kategorie. Aber jeder weiß wer damit gemeint ist:-)

     

    Ich kann übrigens die Unterschrift meiner Mutter heute noch perfekt fälschen.

    • 6G
      65572 (Profil gelöscht)
      @88181 (Profil gelöscht):

      Und was bitte?

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @65572 (Profil gelöscht):

        Naja, Deutsche ohne Migrationshintergrund. Kartoffeln eben:-)

         

        Wie uns die Türken, die ja auch Deutsche sind, nennen.

        • 1G
          12294 (Profil gelöscht)
          @88181 (Profil gelöscht):

          Like!

      • @65572 (Profil gelöscht):

        das Wunschbild von einem richtigen Deutschen, wie es Nationalisten/Rassisten/etc. vorschwebt.

        Biodeutsch verstand ich bisher als abwertend.

  • "Früher war es geläufig, heute ist einigen Leuten klar, dass Biologie und Geschlecht so viel miteinander zu tun haben wie Heidelberg und Heidelbeeren."

     

    Mutig, die eigene Unkenntnis so zur Schau zu stellen. Einfach mal versuchen nicht witzig zu sein und die Ideologie zu Hause lassen.