Kolumne Geht's noch: Barley weiß nicht, was sie will
Bundesjustizministerin Katarina Barley ist gegen Upload-Filter. Aber für die Reform, die diese mit sich bringt. Wie passt das zusammen?
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E s ist halt auch nicht einfach als SPD-Ministerin. Da will man einerseits den Koalitionspartner bei Laune halten. Aber auch die eigenen Genoss*innen nicht verdrießen. Und als EU-Wahlkämpferin möchte man europäische Mehrheitsbeschlüsse umsetzen. Aber dann sind da ja auch noch die Interessen der Bürgerin, uff, der Bürgerin, die auch immer irgendwas will und dann auch noch erwartet, dass man dem nachkommt.
Katarina Barley möchte, dass Deutschland der europäischen Urheberrechtsreform zustimmt. Denn ohne das Abnicken durch die Mitgliedsstaaten ist der umstrittene Parlamentsbeschluss hinfällig. Als Justizministerin ist Barley weisungsbefugt für Deutschland. Im Klartext kann also die SPD-Spitzenkandidatin für Europa verhindern, dass eine Richtlinie kommt, die viele SPD-Abgeordnete in Europa nicht wollten. Ohne ein deutsches Pro wäre eine Mehrheit im EU-Rat unwahrscheinlich, heißt es.
Stattdessen will Barley, dass Deutschland Ja sagt, aber eine Protokollerklärung zur Richtlinie hinzufügt: Man wolle sich bei der Umsetzung der Regel „von dem Ziel leiten lassen, ohne das Instrument ‚Upload-Filter‘ auszukommen.“ Blöd nur: Artikel 17 der Urheberrechtsreform sieht vor, dass Internetfirmen gegen Urheberrechtsverstöße auf ihren Plattformen vorgehen. Ohne Uploadfilter ist das nach Meinung von Expert*innen kaum möglich.
Es werden schlicht zu viele Videos, Songs und Memes hochgeladen, als dass irgendein schwitzender Sachbearbeiter mit Halbglatze im Facebook-Büro die händisch prüfen könnte. Barley betont, es gehe ihr um die Kreativen, was ja auch sinnvoll ist in der klassischen Künstlerpartei SPD. Aber auch Alternativen zum Upload-Filter, wie die von der CDU vorgeschlagene Lizenzlösung, sind nicht ihres. Was Barley will? Man weiß es nicht.
Vor allem geht nicht so recht durch den gedanklichen Upload-Filter, wieso Barley die Reform mitgetragen hat, wenn ihr praktische Folgen daraus nicht passen. Kompromisse sind demokratisch, aber manche Kompromisse sehen schlicht aus wie Niederlagen. Es erinnert an ein Elternteil, das den Süßkram nicht rausrückt, das greinende Kind aber verschwörerisch ankumpelt: „Ich würde dir den Schokoriegel ja kaufen, aber du weißt, dass Mama das nicht will.“
Oder, wie Katarina Barley es womöglich formulieren würde: „Bei der Umsetzung der Regel will ich mich von dem Ziel leiten lassen, ohne das Instrument Vollmilch-Nuss-Filter auszukommen.“
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