Kolumne Geht's noch?: Moody’s enteignen!

Die Ratingagentur Moody’s warnt Berlin davor, den Immobilienkonzern Deutsche Wohnen zu enteignen. Eines haben beide Unternehmen gemeinsam.

Blackrock ist Aktionär – bei der Deutschen Wohnen und bei Moody's

Panik in Berlin: Weil eine Bürger­initiative Unterschriften dafür sammelt, Immobilienkonzerne wie die Deutsche Wohnen zu enteignen, könnte das Bundesland seine Bonität verlieren. Die Ratingagentur Moody’s droht damit, die Kreditwürdigkeit Berlins herabzustufen, sollte das Volksbegehren erfolgreich sein. Senat, Wirtschaft und Presse reagieren besorgt – und das zu Recht. Setzt Moody’s die Ankündigung um, muss das Land Berlin künftig höhere Zinsen auf Kredite zahlen. Der Spielraum für öffentliche Investitionen würde schrumpfen.

Und dass die Ratingagentur Ernst macht, ist gar nicht mal so unwahrscheinlich. Zumindest wäre es im Interesse ihrer Eigentümer: Die Fondsgesellschaft Blackrock ist größter Aktio­när der Deutschen Wohnen und mit 6,26 Prozent der Anteile gleichzeitig drittgrößter Aktionär bei Moody’s. Der Vermögensverwalter MFS ist ebenfalls bei beiden Unternehmen Großaktionär. Anders ausgedrückt: Über Moody’s warnen Finanzkonzerne das Land Berlin vor ihrer eigenen Enteignung.

Das heißt nicht, dass die Ratingagentur falsch liegen muss. In ihrem Bericht, den sie auf ihrer Homepage für gerade mal 200 Dollar zur Verfügung stellt, argumentiert sie durchaus schlüssig: Enteignungen würden Investoren abschrecken und ließen den Schuldenstand steigen.

Nun ist das Ratinggeschäft aber keine Naturwissenschaft mit präzisen Vorhersagen. Die Einschätzung von Moody’s ist eben nicht mehr als eine Einschätzung, eine Meinung darüber, wie sich die Zahlungsfähigkeit Berlins entwickeln könnte. Und neben dieser Meinung gibt es auch noch andere. Zum Beispiel diese hier: Die Entschädigung für die Enteignung der Deutschen Wohnen läge wohl unter dem Marktwert der Wohnungen. Das Land Berlin käme also relativ billig an neue Vermögenswerte. Das wäre eigentlich gut für die Bonität.

Dass Ratingagenturen mit ihren Beurteilungen nicht immer richtig liegen, zeigt die Erfahrung. Die Finanzkrise haben sie mitverursacht, indem sie miese Papiere zu gut bewertet haben. Studien legen nahe, dass das an eigenen Profitinteressen lag. Ob das beim Moody’s-Rating für Berlin ähnlich ist? Wir wissen es nicht. Möglich ist es aber.

Ausschließen ließe sich das in Zukunft nur, indem Ratingagenturen neu organisiert werden: nicht mehr pro­fitorientiert und in Privatbesitz, sondern gemeinnützig in Stiftungen. Die Idee gibt es schon länger. Jetzt bräuchte es nur noch eine Kampagne. Arbeits­titel: Moody’s enteignen!

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Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.

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