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Kolumne Geht's noch?Moody’s enteignen!

Tobias Schulze
Kolumne
von Tobias Schulze

Die Ratingagentur Moody’s warnt Berlin davor, den Immobilienkonzern Deutsche Wohnen zu enteignen. Eines haben beide Unternehmen gemeinsam.

Blackrock ist Aktionär – bei der Deutschen Wohnen und bei Moody's

P anik in Berlin: Weil eine Bürger­initiative Unterschriften dafür sammelt, Immobilienkonzerne wie die Deutsche Wohnen zu enteignen, könnte das Bundesland seine Bonität verlieren. Die Ratingagentur Moody’s droht damit, die Kreditwürdigkeit Berlins herabzustufen, sollte das Volksbegehren erfolgreich sein. Senat, Wirtschaft und Presse reagieren besorgt – und das zu Recht. Setzt Moody’s die Ankündigung um, muss das Land Berlin künftig höhere Zinsen auf Kredite zahlen. Der Spielraum für öffentliche Investitionen würde schrumpfen.

Und dass die Ratingagentur Ernst macht, ist gar nicht mal so unwahrscheinlich. Zumindest wäre es im Interesse ihrer Eigentümer: Die Fondsgesellschaft Blackrock ist größter Aktio­när der Deutschen Wohnen und mit 6,26 Prozent der Anteile gleichzeitig drittgrößter Aktionär bei Moody’s. Der Vermögensverwalter MFS ist ebenfalls bei beiden Unternehmen Großaktionär. Anders ausgedrückt: Über Moody’s warnen Finanzkonzerne das Land Berlin vor ihrer eigenen Enteignung.

Das heißt nicht, dass die Ratingagentur falsch liegen muss. In ihrem Bericht, den sie auf ihrer Homepage für gerade mal 200 Dollar zur Verfügung stellt, argumentiert sie durchaus schlüssig: Enteignungen würden Investoren abschrecken und ließen den Schuldenstand steigen.

Nun ist das Ratinggeschäft aber keine Naturwissenschaft mit präzisen Vorhersagen. Die Einschätzung von Moody’s ist eben nicht mehr als eine Einschätzung, eine Meinung darüber, wie sich die Zahlungsfähigkeit Berlins entwickeln könnte. Und neben dieser Meinung gibt es auch noch andere. Zum Beispiel diese hier: Die Entschädigung für die Enteignung der Deutschen Wohnen läge wohl unter dem Marktwert der Wohnungen. Das Land Berlin käme also relativ billig an neue Vermögenswerte. Das wäre eigentlich gut für die Bonität.

Dass Ratingagenturen mit ihren Beurteilungen nicht immer richtig liegen, zeigt die Erfahrung. Die Finanzkrise haben sie mitverursacht, indem sie miese Papiere zu gut bewertet haben. Studien legen nahe, dass das an eigenen Profitinteressen lag. Ob das beim Moody’s-Rating für Berlin ähnlich ist? Wir wissen es nicht. Möglich ist es aber.

Ausschließen ließe sich das in Zukunft nur, indem Ratingagenturen neu organisiert werden: nicht mehr pro­fitorientiert und in Privatbesitz, sondern gemeinnützig in Stiftungen. Die Idee gibt es schon länger. Jetzt bräuchte es nur noch eine Kampagne. Arbeits­titel: Moody’s enteignen!

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Tobias Schulze
Parlamentskorrespondent
Geboren 1988, arbeitet seit 2013 für die taz. Schreibt als Parlamentskorrespondent unter anderem über die Grünen, deutsche Außenpolitik und militärische Themen. Leitete zuvor das Inlandsressort.
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20 Kommentare

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  • Der Leitzins der EZB liegt seit dem 10.03.2016 bei genau 0,00%. Wenn Berlin sich weiter verschulden möchte, sollte das also derzeit erstmal gar kein Problem sein.

  • Wie äüßern sich eigentlich die zwei anderen großen Ratingagenturen? S&P und Fitch? Hat die tat da auch schon gegen gecheckt? Liegen Ratings für solch einen Fall vor? Kommen diese zu gleichen oder anderen Ergebnissen?

  • „argumentiert sie durchaus schlüssig: Enteignungen würden Investoren abschrecken und ließen den Schuldenstand steigen.“

    ... und das wäre dann in einer enteigneten oder in einer gemeinnütigen Stiftung organisierten Rating-Agentur anders?

  • „Das Land Berlin käme also relativ billig an neue Vermögenswerte. Das wäre eigentlich gut für die Bonität.“

    ... weil man es wieder teurer verscherbeln könnte wie 2004?

  • Vielen Dank für Ihren Artikel!



    Ich finde es jedoch mittlerweile immer schwieriger, die verdeckten Interessen und Beteiligungen unterschiedlicher Akteure wie Moody´s oder Blackrock zu erkennen. Wenn man einen Zusammenhang verstanden hat, poppt an anderer Stelle ein neuer auf. Deshalb wäre mein Wunsch, einen grundsätzlichen Umgang mit dieser Problematik (Egoismus) zu finden und sich weniger mit Details zu beschäftigen. Von mir aus machen wir es wie Trump. Kein amerikanisches Unternehmen mehr in Deutschland, bis die sich an bestimmte Umwelt- oder Sozialstandards halten. Würde vielen hier missfallen und das BIP würde sicherlich sinken, aber es hätte einige andere Vorteile wie Klimaschutz und Verteilungsgerechtigkeit.

    • @shashikant:

      Du liebe Güte. Das hat mit verdeckten Interessen amerikanischer Unternehmen aber auch gar nichts zu tut. Machen Sie sich doch einmal die Mühe, sich in einen INVESTORT hineinzuversetzen. Und dann stellen Sie sich die Frage, ob Sie dortz investieren möchten, wo Sie mit staatlicher Gängelung und Enteignung zu rechnen haben. Das ist doch nicht so schwer!

    • @shashikant:

      wenn das BIP sinken würde, käme dies einer deutlichen Kürzung von Sozialleistungen gleich, oder woher sollen die sozialen Hilfsmaßnahmen kommen, wenn nicht über die Steuereinnahmen, generiert durch unser hohes BIP. Durch die oft propagierte Reichensteuer kommt zu wenig Geld rein.

  • Eins noch: Bitte Mal die Berliner Stadtplanung aufs Korn nehmen! Wo ist die Bewegung zur Stadtentwicklung? Fahrt mal ins Umland. Ab der Berliner Stadtgrenze (z.b. Ahrensfelde) ist in den letzten 30 Jahren n i c h t s passiert. S-BAHN Bau, Park and Ride, schnelle Verbindungen: Fehlanzeige. Auf der Strecke Richtung Freienwalde ist ein verfallenes Dorf am schönen See nach dem anderen. Traumhafte Entwicklungsmöglichkeiten. Berlins Geschichte ist voll von Entwicklungsgebieten: Tiergarten,Friedenau,Frohnau,nikolassee. Alles Vorkriegszeit Entwicklungen. Aber heute: In Freienwalde verfallen die Villen der Vorkriegszeit.. Da gab's schonmal eine Bahn nach Berlin. Heute fährt da eine D r a i s i n e , kein Witz! Die Ausfallstraße (6spurig) verengt sich in Ahrensfelde auf 2! Glückwunsch, das verlängert den Weg zur Arbeit um 2 h einfache Fahrt.. Was ist das für eine Planung in einer expandierenden Stadt?? Wie kann man sich nur auf seine Bezirke und Kieze und die Freihaltung von geldbringenden, pösen Touristen kümmern? Das ist Denkfaulheit, Sündenbocksuche, alles, aber keine Entwicklungsplanung!!

  • Die Entschädigung für die Enteignung der Deutschen Wohnen läge wohl unter dem Marktwert der Wohnungen."



    Hallo? Geht's noch? Rechtsstaat? Und dann: Sie meinen, Banken oder Investoren leihen einem Schuldner, der sie enteignet, noch Geld? Ja, warum denn? Würden Sie auch nicht machen. Stellen wir uns vor Sie kaufen Ihrer Freundin ein paar schöne Möbel ab, die in ihrer Wohnung stehen, um sie zu unterstützen. Sie ist Arm aber sexy und braucht das Geld. Na gut, schließlich findet sie Sie nicht mehr so attraktiv und will das Geld und die Möbel behalten.. Sie liebt Homepartys und braucht das Geld. Dann leihen Sie ihr mehr Geld, weil sie ja nun wieder mehr besitzt? Das glauben Sie ja wohl selber nicht. - Abgesehen von diesem lebensunwirklichen Ansatz. Nun trösten Sie sich über die Realität hinweg, dass eine Enteignung weder neue Wohnungen baut, noch Ihnen das Geld dazu verschafft, sondern im Gegenteil Ihre Schulden in die Höhe treibt und die Zinsen und kommunalen Handlungsspielräume dazu, dass dieser Ansatz also komplett irrsinnig ist; nun wollen Sie sich und uns darüber hinweg trösten, indem Sie den Überbringer dieser Botschaft "enteignen"? Sie wollen Moodys enteignen? Per Berliner Volksabstimmung? Ey taz, habt Ihr keine Redaktionskonferenz, indem so ein Schwachsinn Mal diskutiert wird oder ist jede Stimmungsmache Recht? Mit meinem Abo ist Schluss.

    • @Frank n.:

      Grossimmobilienbestitzer oder Dagobertversteher?



      Ich würde Ihnen ja recht geben, wenn



      1. nicht so viel Kohle im Umlauf wäre, die verzweifelt nach risikoloser Vermehrung sucht, dass Negativzinsen nötig sind.



      2. Die Begrenztheit der Erdoberfläche dien üblichen Angebotsvermehrungsmechanismen des Marktes aushebelt.



      3. Es deshalb statt keinem Recht auf Stadtwohnen eher kein Recht auf maximale Marktaschöpfung geben sollte. (Und jetzt bitte nicht wieder die Asbach-Story mit dem subventionierten Brötchen als Schweinefutter)



      4. Wieso werden die seelischen Qualen von Investoren beim Gedanken in ihren Profit geschmälert zu werden, offenbar als schrecklicher und vermeidungswürdiger wahrgenommen als bei Leuten deren Heim in öffentlichem Interesse weggebaggert wird?

      • @Euromeyer:

        Dagobertärgerer der selber keine neuen Wohnungen bauen will?

        Dann verstehe ich eines nicht. Warum nimmt Berlin keinen Kredit auf um selber Wohnungen zu bauen. Die Wohnungsnot resultiert ja vor allem aus einem Wohnungsmangel.

        Wenn das Geld in Entschädigungen gesteckt wird, ist über Jahre erst einmal kein Cent in neue Wohnungen investiert.

        • @Rudolf Fissner:

          Natürlich wäre es ersteinmal notwendig weitere Wohnungen zu bauen, ganz klar. Durch Umverteilen vermehrt sich ja erstmal nichts. Da haben Sie ja recht.



          Jedoch führt die Kommunalisierung von Wohnraum dazu, Wohnraumverteilung wieder politischen und damit demokratischen Steuermechanismen unterworfen ist, sowie auch Einkünfte kommunalisiert werden, statt dass umgekehrt Kapital nach sonstwo transferiert wird.



          Wenn Wohnraum Scheichs, Oligarchen und amerikanischen Rentnern (Blackwater) gehören, dann ist jede Form von Mietzuschuss eine Sozialmaßnahme zu deren Gunsten. Kommunaler Wohnraum dagen wird dadurch mitrefinanziert.

          • @Euromeyer:

            Auch billiger öffentlicher Wohnraum führt zu Mechanismen, die auf den privaten Markt und auf die Mieten ausstrahlen, denn es ist der Wohnungsmangel, der die Preis in die Höhe treibt.

            Zudem können in Neubauten sehr gut auch Menschen ohne Mietzuschuss wohnen. Jene die von den ebenfalls gestiegenen Löhnen, wie sie in Hamburg, München oder Berlin zu finden sind, nichts gesehen haben.

            Verbunden mit eine städtischen Wohnungsbaugesellschaft können zudem noch Arbeitsplätze geschaffen werden und Neubauten günstiger erstellt werden.

            So sehr ich kommunale Wohnungen befürworte, nur Neubauten schaffen den benötigten Wohnraum und müssen Priorität haben bei den Ausgaben. Berlin ist nicht Entenhausen.

      • @Euromeyer:

        Ihr Heranziehen von Dagobert in diesem Kontext offenbart, dass Sie keine Ahnung haben von diesem Erpel, den Verhältnissen aus denen er stammt, warum er überhaupt Geld sammelt und wie sozial er engagiert ist.

  • Sorry! Aber was will uns der Autor damit eigentlich konkret sagen?

    In jedem Fall unsäglich ist, dass sich Europa - trotz Finanzkrise & Co - noch immer nicht von US-Ratingagenturen unabhängig gemacht hat.

    Gesellschaftspolitische Entscheidungen dürfen nicht von Ratingagenturen beeinflusst, oder aus Angst vor deren downgrading unterlassen werden.

    Und würden in der Vergangenheit nicht die Kommunen ihr immobiliares Tafelsilber verscherbelt haben, dann würden wir heute einen anderen Wohnungsmarkt vorfinden. Zumal im Fall z.B. eines qualifizierten Mietspiegels eben auch dann die Mieten der städtischen Wohnungen stärker mit einfließen würden, was dann für alle wie eine Art "Mietpreisbremse" wirken würde.

  • "Die Entschädigung für die Enteignung der Deutschen Wohnen läge wohl unter dem Marktwert der Wohnungen."

    Wo haben Sie das her?

    • @zzzap:

      Wunschvorstellung. Spätestens in Karlsruhe wäre Schluss.



      Persönlich halte ich einen hohen Anteil kommunaler Wohnungen für erstrebenswert, aber die baut man oder kauft zu Marktwert.

      • @Andi S:

        Bei Wohnungsmangel baut man vor allem. Oder Schaft Arbeitsplätze dort in der BRD wo die Menschen herkommen. Sie kommen ja nicht wegen den tollen Plattenbauwohnungen in Berlin.

  • Naja, vielleicht wird es lehrreich sein, den gleichen Trog leeren zu müssen, dessen Schlabber herunterzuwürgen wir ´Südländer´ja gewohnheitsmäßig nötigen.



    Die gleichen Argumente für und wider Moody´s und Konsorten wurden da ja schon vor Jahren diskutiert, und gerade Schäublistan auf seinem hohen Schwarzen Nullerross hat sich ja gegen bankenunabhängige europäische Ratingagentur oder gar Eurobonds gewehrt.

  • Richtig! EInes haben die beiden gemeinsam: sie folgen asozialen Zielen: Sie wollen ein paar Superreichen noch mehr in die eh schon übervollen Taschen stecken.