Kolumne Geht’s noch?: Ach, „Motorwelt“!
Dass der ADAC seine autogeile Zeitschrift nicht mehr an seine Mitglieder verschicken will: Ist das nicht ein Grund zur Freude? Leider nicht nur.
D er ADAC will sein Zentralorgan, die Motorwelt, ab 2020 nicht mehr wie bisher kostenlos an seine Mitglieder verschicken. Auch die Erscheinungsfrequenz soll verringert werden, denn die Werbeanzeigen decken die hohen Druck- und Versandkosten nicht. Der Automobilclub möchte seine Jünger in Zukunft zwingen, ihre Hufe in die nächstgelegene Geschäftsstelle zu schwingen, wo die dann nur noch vierteljährlich erscheinende Zeitschrift für sie zur Mitnahme bereitliegen wird.
Nicht weiter schlimm, da liegt sie gut, möchte man im ersten Moment denken. Schließlich sind ja längst nicht alle der 20 Millionen Vereinsmitglieder so autogeil und fahrradfeindlich, wie es der Inhalt der Motorwelt jahrelang vermuten ließ. Denn so mancher arme Roadschrat, der auf der Autobahn mit seiner alten Ente liegen blieb, hatte fortan einen Servicevertrag mit dem ADAC und die Motorwelt im Briefkasten. Eine ausgezeichnete Geschäftsidee. Analog würden die Zeugen Jehovas die Sterbebetten der Republik aufsuchen, und schon wäre der Wachturm im Abo ein Megaseller.
Nun könnte man wegen dieser milieuübergreifenden Mitgliederstruktur annehmen, dass das Heft viele ohnehin nie interessierte. Für normale Menschen ist es in der Tat extrem langweilig. Das eigene Auto soll sie halt von A nach B bringen, nur deshalb hat man damals seine Seele an die Wegelagerer verkauft. Und nicht, damit sie einen mit ihrem analogen Spam zuscheißen.
Man merkt dem bedruckten Papier an, dass die Bäume, aus dem es hergestellt wurde, schon lange tot gewesen sein müssen – zum Glück, muss man angesichts einer Auflage von über 13 Millionen hinzufügen.
Doch das ist definitiv zu kurz gedacht. Denn gerade jetzt zur Wespenzeit würde man die Zeitschrift arg vermissen, die, in ihrem perfekt austarierten Gefüge aus Format und Gewicht zusammengerollt, ideal in der Hand liegt wie keine andere. Das soll hier – Wespen sind geschützt! – keinesfalls eine Gebrauchsanweisung zum Töten sein. Oft genügt ja ein kleiner Denkzettel oder allein schon das Abschreckungspotenzial. Auch spart, wer bereits den happigen Mitgliedsbeitrag abgelatzt hat, zu Hause gern das Klopapier. Das glatte Papier ist eine echte Herausforderung, jedoch belohnt es den beharrlich Übenden mit einem herrlich sauberen Hintern.
Soll das alles nun der Vergangenheit angehören? Mit einem Drittel der Ausgaben kommt doch kein Schwein über die Runden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?