Kolumne Der Zuckerberg | Teil 18: Fuck you, Freedom

Eigentlich findet mein Leben nur noch bei Facebook statt. Aber manchmal muss ich arbeiten und Texte schreiben. Dabei helfen mir Apps.

Ein Schreibtisch, darauf ein Smartphone, ein Computer, ein Wecker und eine Kaffeetasse

Die morgendliche Like-Ernte ist wie ein warmes Bad in der Bewunderung meiner Mitmenschen Foto: imago / view stock

Nach nur kurzer Nachtruhe (schließlich war ich bis zum frühen Morgen auf Facebook) klingelt der Wecker und ich mache mich an meine tägliche Routine. Als erstes sehe ich nach, ob ich über Nacht neue Likes bekommen habe.

Die morgendliche Like-Ernte ist wie ein warmes Bad in der Bewunderung meiner Mitmenschen. Anschließend verteile ich beim ersten Kaffee ein paar Likes nach Gutsherrenart. Ob ich meine Gunst gewähre oder entziehe, richtet sich nach meiner Laune, die so schnell umschlagen kann wie das Wetter im Hochgebirge. Doch heute bin ich großzügig. Das ist gut für das Tageskarma. Außerdem: Wer Likes sät, wird Likes ernten.

Längst kenne ich alle Regeln: „Kommentare nie vor dem zweiten Kaffee“, „Kommentare nie nach dem dritten Bier“, „Keine Einmischung auf Prominentenprofilen mit haifischartiger Anhängerschaft“, „Niemals Diskussionen mit Anselm Neft.“

Ich bin ein Teil der Maschine Facebook geworden, mit Fleisch und Blut und Verstand komplett in ihr aufgegangen. All den eitlen Verrichtungen, denen ich so gerne frönte, und die ich in meiner Verblendung für „Leben“ hielt, lege ich nun Facebook zu Füßen: Ich gehe nicht mehr weg, ich treffe niemanden mehr, gucke keine Serien mehr und keinen Fußball, kein Kino, Theater und Tralala, keine Reisen, kein Sport und kein Liebesleben. Facebook ist besser als Sex.

Sie hat mich bloß blockiert

„Mein Herzchen“, sagte ich eines Tages, ach was, schrieb ich der Einfachheit halber als Kommentar auf irgendeinen Post irgendeines gemeinsamen Friends – da wird sie ihn schon finden -, „sorry, aber ich bin echt zu beschäftigt und überhaupt ist Ficken doch für Kids. Wird es für uns nicht langsam Zeit, erwachsen zu werden?“ Seitdem haben wir keinen Kontakt mehr, doch ich glaube, sie hat mich bloß blockiert.

Facebook. Ein alter Hut zwar, doch mit vielen bunten Federn. Angesichts der versammelten Pracht von Schreiadler, Vollmeise, Schluckspecht, Trollvogel sowie praktisch sämtlichen Kauzarten, soll diese Serie für den nötigen Durchblick sorgen.

Sollten mich nun irgendwelche Real-Life-Spinner von oben herab bemitleiden, kann ich ihnen nur zurufen: Lasst stecken! Mir geht es blendend. Facebook hält mich gesund. Ich esse nur noch vegan (Erdnüsse), rauche und trinke nicht mehr. Wann und was denn auch? So werde ich garantiert hundert Jahre alt und komme bis zum Lebensende auf eine Million Likes.

Leider arbeite ich auch kaum noch. Keine Zeit. Ich bin doch auf Facebook. Im Grunde könnte ich schon diesen Text nicht mehr schreiben, gäbe es nicht Hilfsprogramme für uns, die wir Facebook wirklich ernst nehmen. So kann ich mit „Anti-Social“ einzelne Seiten und mit „Freedom“ das ganze Internet blocken.

Verbalkeilerei

Die Apps kosten zwischen zehn und fünfzehn Dollar – die Länge der Sperrzeit bestimmt der User. Den Router mit dem Hammer zu zertrümmern, erscheint nur dem Kurzsichtigen kostengünstiger.

Eine Viertelstunde habe ich mir gegeben. Soll der Stundenlohn noch stimmen, muss das reichen, denn ich ziehe ja auch noch die Kosten für den Blocker ab. Hoffentlich verpasse ich solang nichts wichtiges. Einen Pinguinclip oder, fast noch besser, eine deftige #MenAreTrash-Verbalkeilerei. Ich schalte mal besser die mobile Datennutzung auf dem Smartphone ein. Fuck you, Freedom.

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Seit 2001 freier Schreibmann für verschiedene Ressorts. Mitglied der Berliner Lesebühne "LSD - Liebe statt Drogen" und Autor zahlreicher Bücher.

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