Kolumne Geht's noch?: Die Abhörbefugnis
Der Bundestag erlaubt die Überwachung von Kommunikation über Messenger-Dienste. Und alle wissen: Das ist ein fataler Fehler.
D ie Gegenargumente sind bekannt: Die Überwachung der kompletten Kommunikation ist ein massiver Grundrechtseingriff, größer als der „Große Lauschangriff“. Das Bundesverfassungsgericht hat für den Einsatz des sogenannten Staatstrojaners sehr enge Grenzen gesetzt, der Beschluss des Bundestages vom Donnerstagabend überschreitet diese sehr wahrscheinlich.
Dazu kommt die prinzipiell unverantwortliche Vorgehensweise, Sicherheitslücken in IT-Systemen nach ihrer Entdeckung nicht etwa zu schließen, sondern für den Einsatz von Schadsoftware offen zu halten. Wer glaubt, diese Sicherheitslücken könnten nur von den deutschen Diensten genutzt werden und diese würden auch niemals auf die Idee kommen, anderes als schwerste Kriminalität und Terrorismus zu bekämpfen, ist entweder hoffnungslos naiv oder böswillig ignorant.
Wer außerdem glaubt, diese Lücken würden überhaupt nur von staatlichen Stellen und nicht etwa von Kriminellen benutzt, unterschätzt deren sprichwörtliche kriminelle Energie nicht weniger naiv.
Die Debatte um den Staatstrojaner ist selber ein Trojanisches Pferd zur Aushebelung der Bürgerrechte, und alle wissen das. Da hat die Koalitionsmehrheit im Bundestag sich also gedacht: Warum die ermüdende Debatte immer wieder führen? Warum das Ganze nicht einfach ohne weitere Expertenanhörungen und langwierige Aussprache zügig mitnehmen?
Zur Vermeidung des parlamentarischen Theaters wurde eine Änderung im Strafgesetzbuch, in der es um Fahrverbote als Teil des Strafverfahrens geht, wiederum als Trojanisches Pferd verwendet, in dessen Bauch über eine „Formulierungshilfe“ der Bundesregierung die Abhörbefugnisse der ermittelnden Behörden um eben den alltäglichen Einsatz des Staatstrojaners ausgeweitet wurden.
Immerhin durften Lars Klingbeil und Saskia Esken, netzpolitische SprecherInnen der SPD-Fraktion, die beiden Gegenstimmen aus der Koalition abgeben. Damit wurden sie gewissermaßen selber zu einem Trojanischen Pferd, das den Eindruck erwecken soll, es gäbe Platz für bürgerrechtliche Verantwortung, netzpolitischen Sachverstand und so etwas wie Prinzipientreue in seiner Partei – einer Partei, die bald wirklich gemeinsam mit ihren WählerInnen in ein bis drei von Hand gezimmerte Pferdeattrappen passen mag. Na hüh.
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