Kolumne Flimmern und Rauschen: Brüssel, bye-bye!

Kohle von Wahlkreisbesuchern und die Vergangenheit als Mr. Bertelsmann: zum Rückzug von CDU-Europapolitiker Elmar Brok.

Europapolitiker Elmar Brok steht beim Neujahrsempfang der NRW-CDU vor der Bühne

Kandidiert nicht mehr: Elmar Brok Foto: dpa

Nein, es wäre gar nicht im Stil von Elmar Brok gewesen, gänzlich sang- und klanglos in der europäischen Versenkung zu verschwinden. Elmar wer?, wird sich mancheR jetzt fragen, und das ist ein bisschen ungerecht. Denn man muss den Mann mit den erstaunlich gelben Haaren nicht mögen, um anzuerkennen, dass der CDU-Politiker Brok sich schon als so eine Art Genschman des Europaparlaments über viele Jahre verdient gemacht hat. (Wer jetzt „Genschman?“ fragt, möge bitte Wikipedia bemühen und dabei das Spenden nicht vergessen!)

Und so vollzieht sich der Abschied des 72-Jährigen NRW-Manns aus Brüssel eben nicht ganz so geräuschlos: Vor zwei Wochen mal eben Landesvater Armin Laschet brüskiert, weil die Parteiarithmetik und das Strippenziehen zwischen dem Senior und dem amtierenden Ministerpräsidenten und NRW-CDU-Vorsitzenden im Gewölk der Landesverbände und Listenplätze in die Hose ging. Zur Kampfabstimmung am Samstag dieser Woche bei der endgültigen Europawahl-Kandidatenkür möchte es der Außenpolitiker – anders als zunächst mal angekündigt – jetzt doch nicht mehr kommen lassen. Was – wenn die Vorwürfe von Politico (dem als Joint Venture mit Springer betriebenen Politfachdienst) stimmen – an Broks Außenpolitik in eigener Sache liegen könnte.

Wie alle EU-Parlamentarier beherrscht der seit 39 Jahren im Europaparlament wohnende Brok die Kunst, Menschen aus seinem Wahlkreis nach Brüssel zu karren, um zu zeigen, was für eine klasse Idee Europa ist. Dabei wurde bei Brok ein kleiner Eigenanteil von zuletzt 150 Euro pro BesucherIn fällig, den Brok laut Politico aber nicht berücksichtigt haben soll, als er die Kosten beim EU-Parlament abrechnete.

Doch die Außenpolitik war immer nur das eine Spielfeld des Ostwestfalen, was auch mit der landesverbandlichen Heimat zu tun hat beziehungsweise mit einem dort ansässigen Medienkonzern. Es ist in den letzten Jahren zwar ein bisschen in Vergessenheit geraten, aber Elmar Brok war in Brüssel auch immer Mr. Bertelsmann. Klinken putzen, Türen öffnen für den Konzern, der den europäischen Kartellbehörden lieb und teuer war, gehörte bis 2014 zu seiner zweiten Natur. Von 1991 bis 2011 – also parallel zum Job als Abgeordneter – war Brok sogar direkt beim Konzern angestellt als Senior Vice President Media Development, wie es auf seiner Website steht.

Und auch wenn er viel zu bescheiden ist, die Verdienste auf seine Kappe zu nehmen: Dass strengere Crossownership- und andere Medienkonzentrationsregeln eher mal ausfielen oder zumindest in milderer Form über Bertelsmann hinweg gingen, liegt auch an Broks unnachahmlicher Lobbytätigkeit. Bei der er – und er kann fuchsteufelswild werden, wenn man da anderer Meinung ist – immer streng zwischen seinem Mandat und dem Nebenjob getrennt hat. Aber das mit dem Eigenanteil ist ja nun mal – je nach Blickwinkel – so eine Sache.

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2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"

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