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Kolumne EierMehr Mütterlichkeit für Männer

Warum werden Männer, die „noch bei Mama“ wohnen, mehr verachtet als diejenigen, die grapschen? Schluss mit den männlichen Rollenbildern.

Manchmal nervt sie, manchmal braucht man sie: Die Fürsorge der Mutter Foto: dpa

N och ehe ich meinen Kaffee geschlürft habe, bekomme ich eine SMS. Meine Mutter informiert mich ohne Grußformel, dass sie mit einem schlechten Gefühl ins Bett gegangen ist. Ob alles in Ordnung sei. Ich denke seitdem, dass ich Krebs haben muss oder dass mir ein Zehennagel einwächst, denn die Vorahnungen meiner Mutter sind legendär. Um also nicht darüber nachdenken zu müssen, was mir womöglich Schlimmes widerfährt, schreibe ich schnell eine Kolumne über Mütter. Die bin ich ohnehin schuldig, nachdem ich in der letzten Folge auf den Vätern rumgehackt habe.

Es hat sich mir nie erschlossen, warum „Muttersöhnchen“ eine Beleidigung ist. Der Begriff weist darauf hin, dass es da ein schwieriges Verhältnis zwischen Männern und ihren Müttern gibt. Zu geben hat. Von einem „Vatertöchterchen“ habe ich jedenfalls noch nicht gehört. Und es stimmt: Die mutterspezifischen Angewohnheiten, die der recht eingeschränkte Gender-Baukasten bereithält, wurden mir zum Problem. Das Rumfummeln in meinen Haaren, die Hinweise darauf, was für ein Wonneproppen ich als Baby war, und die ständige Sorge um mein Wohlergehen wurden lästig.

„Geh doch zu Mami!“, werfen Männer sich zu, um zu sagen: Du kommst nicht klar ohne die Fürsorge anderer Menschen (zudem einer Frau!). Unsere Gesellschaft ist darauf aufgebaut, dieses peinliche Mal-aus-einer-Vulva-gekommen-Sein zu verdrängen und die metaphysische Nabelschnur am besten zu verhackstücken. Für die Mütter, die überzeugt sind, dass da seit der Schwangerschaft irgendeine magische Verbindung besteht, kommt das natürlich nicht infrage. Was folgt, ist ewiges Gezerre.

Fürsorge kann zur Ausbeutung werden

Was nicht heißt, dass man sich nicht emanzipieren soll, und irgendwann mal … Nest-Vogel-Metapher hier einfügen. Fürsorge kann in Ausbeutung umkippen, wenn man nicht aufhört, die Dreckwäsche vorbeizubringen.

Aber es ist schon bezeichnend, dass die am wenigsten anerkannte Männlichkeit nicht diejenige ist, die grapscht und verletzt – sondern die, die „noch bei Mama“ wohnt. Der Horrorklassiker der Filmgeschichte, „Psycho“, baut auf unser Misstrauen gegen „Muttersöhnchen“ auf. Vom Ödipuskomplex ganz zu schweigen.

Für Männer sollte es cool sein, wenn sie Zuwendung und Zuneigung von einer elterlichen Person zulassen und feiern. Das muss nicht unbedingt eine Frau sein. Aber Sie wissen ja, wie das ist mit den Rollenbildern. Klar, unsere Mütter kannten uns, als wir doof, ungelenk und verletzlich waren. Das würden wir gerne ausklammern. Aber ein bisschen Mütterlichkeit in der eigenen Männlichkeit zu verkraften ist wahrscheinlich besser, als sich ein Leben lang einzureden, dass man ganz toll alleine klarkommt. Der nächste Schritt ist dann natürlich, selber auch ein bisschen „mütterlich“, also fürsorglich zu werden.

Ich habe die SMS jedenfalls umgehend beantwortet und meiner Mutter damit gedroht, dass ich den morgendlichen Schreck mit einer Kolumne bestrafe. Sie hatte nichts dagegen.

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Peter Weissenburger
Autor
Schreibt über Kultur, Gesellschaft, Medien.
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15 Kommentare

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  • Zitat: „Es hat sich mir nie erschlossen, warum ‚Muttersöhnchen‘ eine Beleidigung ist.“

    Echt nicht? Das kann ich gar nicht glauben!

    Mütter sind weiblich. Jedenfalls meistens. Wenn Männer „Muttersöhnchen“ sind, haben sie angeblich nicht nur ihr X-Chromosom von ihrer Mutter, sondern auch das andere, das amputierte mit nur einem „Bein“. Sie können dann keine „echten“ Männer mehr sein, denn sie haben ausschließlich „weibliche Eigenschafte“ geerbt. Was immer das auch sein mag: "weibliche Eigenschaften".

    „Weibliche Eigenschaften“ gelten Männern, die außer ihrer Männlichkeit nichts besitzen, worauf sie stolz sein könnten, als minderwertig. Mit dem Wort Muttersöhnchen können Männer andere Männer also abwerten, ohne sich selbst dabei „ins Knie zu schießen“. Mit dem Wort „Vatertöchterchen“ funktioniert das nicht.

    „Vatertöchterchen“ gibt es zwar auch, aber die haben angeblich ausschließlich männliche Eigenschaften geerbt. Eigenschaften, die nur „echte Männer“ haben können. Würden die „echten Männer“ Frauen als „Vatertöchterchen“ beschimpfen, täten sie sich damit einen sogenannten „Bärendienst“. Sie würden nämlich andeuten, dass Frauen auch ganz Macho sein können. Dann wäre es aus mit dem Alleinstellungsmerkmal.

    Übrigens: Eine Statistik, die belegt, dass Grabscher weniger verachtet werden als Muttersöhnchen, kenne ich zwar nicht, sie wäre aber einfach zu erklären. Der Anteil schwuler und lesbischer Menschen ist nicht besonders groß. Wenn sie es überhaupt tun, grabschen Homos noch nicht so lange öffentlich wie Heteros. Historisch bedingt haben letztere auch noch mehr Macht. Das Vorurteil vom busengrabschenden Machos wird also statistisch häufiger bestätigt, als etwa das der grabschenden Lesbe. Männer, die nicht so genau wissen, was ein Mann eigentlich sein soll, können es viel besser für die Selbstzuschreibung nutzen, als das erwähnte „Muttersöhnchen“. Anders gesagt: Viele Grabscher fühlen sich gar nicht beleidigt, sondern gelob. Bei den "Muttersöhnchen" ist es umgekehrt.

  • Die Stereotype sind keine. Der Busengrapscher ist aus meiner Sicht bei Mama häufig das Muttersöhnchen. Ich entstamme einer Kultur, in der Mama von einigen Männern schon als Gottheit angesehen wird, und es sind genau die, die die Integrität anderer weiblicher Wesen ständig infrage stellen und verletzen. Ähnliches beobachtete ich in Deutschland.



    Die Unterscheidung dieser Männertypen ist hanebüchen.



    Ein guter Familientyp Mann, weich und herzlich hat sich von seiner Mutter halbwegs emotional gelöst.

    • @lions:

      Stereotype sind und bleiben Stereotype. Sie sind halt bloß nicht immer zutreffend.

      Davon abgesehen haben Sie vermutlich ganz recht: Wo Mama Gott ersetzen muss, ist Emanzipation unglaublich schwer. Wer trennt sich schon leichtfertig von seinem Gott? ich meine: Mein Gott, die Konsequenzen!

      Sehen wir es doch mal so: Sich unfrei zu fühlen, ist für alle Erwachsenen anstrengend. Von einer Frau abhängig zu sein, ist allerdings für Männer, die in patriarchalen Strukturen aufgewachsen sind, ganz besonders stressig. Diese Männer stecken in einer Art „double bind“. Einerseits sagt ihnen die Gesellschaft, dass sie Frauen beherrschen sollen. Die Familie allerdings sag ihnen - andererseits -, dass sie sich beherrschen lassen sollen. Wenigstens von der einen Frau, die sie geboren und erzogen hat. So was kann einen in den Wahnsinn treiben. Besonders, wenn man‘s nicht kapiert. Kein Wunder, dass die armen Kerle bei jeder sich bietenden Gelegenheit versuchen, den Stress busengrabschend abzubauen. Sie drehen ja auch sonst oft ziemlich am Rad.

      Was für den „guten Familientyp Mann“ gilt, gilt übrigens auch für Frauen, die Mütter werden (wollen). Am günstigsten ist es, wenn sich beide Elternteile vor der Geburt ihres Kindes halbwegs „abgenabelt“ haben. Und zwar von Mutter UND Vater. Dann brauchen sie weder bei jeder sich bietenden Gelegenheit autoritär auftrumpfen, noch ständig besorgt hinter ihren Kindern her telefonieren - in wessen Nachfolge auch immer. Den Kindern fällt es dann viel leichter, irgendwann selbständig zu werden – und weich, herzlich aber bestimmt aufzutreten ihren Mitmenschen gegenüber, die eigenen Kinder eingeschlossen.

    • @lions:

      Ein sehr schöner und richtiger Gedankengang!! Merci.

  • Nein nein, es bleibt schon weiterhin so, das Sie auf den Männern rumhacken sollten, bloß Sie tun das nicht konsequent, warum eigentlich nicht (?), denn die haben es nach wie vor verdient:



    Das mit dem Muttersöhnchen (und ich weiß von was ich rede) sind ganz klar Worte männlicher Herkunft. Von (m)einer Mutter habe ich das nicht gehört.



    Es ist die versteckte Eifersucht der Väter auf die Mütter (also auf die eigene Frau! was sehr interessant ist) die derlei Worte emotional entstehen lässt.



    Aus Sicht des Vaters eine beleidigende Rückweisung seiner Liebe und Zuneigung zu seinem Geschlechtsgenossenkind, aber lieber bei der Mutter (einer Frau) sein will; die aber aus Sicht des Vaters eigentlich weniger bieten kann als er selbst: Küche, putzen und die anderen Stereotype!



    Fazit: Klares Männer-Problem bzw. Vater-Problem und das sollte auch so benannt werden.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @Tom Farmer:

      Ich habe leider nicht verstanden, was Sie geschrieben haben, wäre aber an der Erhellung interessiert.

      Ich bin als mehrfacher Vater bestimmt nicht eifersüchtig gewesen, sondern entdecke das eher an meiner Frau, seitdem die Kinder aus dem Haus sind.

      Meine eigen Erfahrung mit "Mutter" ist die eines vereinnahmenden Wesens, wiewohl sehr liebevoll im Sinne des Sohnes. Sich davon freizumachen, betrachte ich als Aufgabe jedes Sohnes und jeder Tochter. Denn diese entkommen dem liebevollen Spinnennetz der Mütter meistens nicht so erfolgreich wie die meisten Männer.

      Insofern sollte auch klar sein, was ich von dem Artikel halte: Männer, die ihre Mutterbindung nicht hinter sich lassen, sind keine - dasselbe würde ich allerdings auch den Frauen sagen.

      • @849 (Profil gelöscht):

        Schlicht gesagt:



        Wenn der Vater zum Sohn sagt (was er zur Tochter meist ja nicht sagt, ja eigentlich nie): "Komm wir Männer gehen mit der Flinte in den Wald und holen da ein paaar Rehe raus."



        Der Sohn aber sagt: "Ne, das ist mir zu blutig. Ich bleib lieber zu Hause und helfe Mutter beim Kochen."



        Dann sagt der Vater: "Muttersöhnchen."

        Also: Die Wortwahl geht vom Vater aus , weil der Sohn lieber bei Mama kocht. Der Vater akzeptiert das Kochen keinesfalls als adäquat männlliche Tätigkeit für seinen Sohn. Gleichzeitig ist der Vater aber auf Mutter eifersüchtig, da der Sohn lieber bei ihr bleibt.

        Väter mit diesem Wertegerüst sind der definiertter Interpretateur dieser Betrachtung und Erfinder dieses Wortes und der Abwertung der Tätigkeit, nicht die Mutter. Ein Betrachtungsproblem seitens der Männer, wie so oft.

  • 9G
    90634 (Profil gelöscht)

    ""Geh doch zu Mami!“, werfen Männer sich zu, um zu sagen: Du kommst nicht klar ohne die Fürsorge anderer Menschen (zudem einer Frau!)."

    So ein konstruierter, zusammenhangloser Blödsinn. "Geh doch zu Mami!" impliziert, dass du nicht ohne die Hilfe deiner Mutter auskommst, also wie ein Kind von ihr abhängig bist. Dasselbe Schema läuft bei der Aussage "Sei doch nicht so kindisch!". Und dass es nicht "Geh doch zu Papi!" heißt liegt sicher daran, dass die Kindeserziehung noch nicht lange als "Männer-Ding" wahrgenommen wird.

    Das hat nur rein gar nichts mit diesem Spruch bzw mit der Tatsache zu tun, dass man schief angeschaut wird, wenn man mit Mitte 30 noch zuhause auf Kosten der Eltern rumlümmelt, während in anderen Familie die Kinder schon mit 16 irgendeiner Arbeit nachgehen müssen weil sonst am Ende des Monats das Geld nicht reicht.

    Dass die urbanen Wohlstands-Linken keinen Bezug mehr zu dieser Tatsache haben und stattdessen in jeder sprachlichen gesellschaftlichen Konfrontation eine Diskriminierung von egal wem sehen ist mittlerweile einfach so offensichtlich, dass man sich manchmal echt die Haare raufen könnte wenn alle mal wieder wegen dem Rechtsruck rumflennen.



    Ihr. Seid. Selbst. Schuld.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @90634 (Profil gelöscht):

      Ich habe schon vor über 30 Jahren mit einem Mamasöhnchen in der WG gewohnt, der damals schon 30 war und jedes Wochenende nach Hause fuhr, um sich von der Mutter Essen für jeden Tag der kommenden Woche mitzubringen. Die Eltern dieses Söhnchens ware nicht reich und auch nicht links. Das angesprochene Problem hat damit m.E. auch nur sehr bedingt etwas zu tun.

  • Ist das wirklich so überraschend? Der stereotype Mann muss aktiv sein, Frauen dominieren und unterwerfen. Sich nehmen, was er möchte.



    Schwäche zeigen und sich irgendwem Untertan machen oder sich in eine Abhängigkeit zu begeben wird daher schnell als gescheiterte Männlichkeit interpretiert.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @emanuel goldstein:

      Ich wurde im Bewerbungsgespräch schon dazu aufgefordert (ist allerdings schon fast zwei Jahrzehnte her), meine Lebensbrüche zu erklären, die in ein paar Jahren Hausmanndasein bestanden.

      Meine Mutter fragte mich damals, wie ich es aushielte, dass meine Frau schon verdienen würde und ich nichts! Mein Vater fragte dergleichen nicht, sondern fand das gut, wie es war.

      Im Ausland wurde ich hingegen geradezu hymnisch von der Hebamme gepriesen, dass ich der erste Mann sei, der jemals an ihrer Schwangerschaftsgymnastik teilgenommen hätte.

      War mir alles vurscht, wäre mir auch heute vurscht. Schwäche zeigt nur, wer auch schwach (geblieben) ist! Über meine Männlichkeit habe ich mir nie den Ansatz von einem Kopp gemacht - und die weiblichen Anteile von vornherein als mir zugehörig akzeptiert (wohl durch das Vorbild des Vaters bedingt :-)).

    • 9G
      90634 (Profil gelöscht)
      @emanuel goldstein:

      Das ist einfach nur noch blanker Hohn. Wenn man es sich leisten kann, sich von den Eltern zuhause durchfüttern zu lassen und dafür von anderen, die zum Teil seit ihrer Jugend hart arbeiten müssen und noch nie irgendein Hipster-Café von innen gesehen haben, verspottet wird, dann ist sofort die Sprachpolizei zur Stelle weil sich diese Leute nicht korrekt ausgedrückt haben. Stattdessen wird dann dieser luxeriöse Zustand als "Schwäche zeigen" und der Vorwurf zu einem Ausdruck von stereotyper Männlichkeit verdreht.



      Das folgt dem selben Schema wie dem prekären Teil der Bevölkerung vorzuwerfen, dass sie kein Bio kaufen.



      Einfach nur widerlich.

      • 8G
        849 (Profil gelöscht)
        @90634 (Profil gelöscht):

        Der prekäre Teil der Bevölkerung hat genug Spielraum für Konsumentscheidungen. Dass er diese nicht trifft, ist ein Problem seiner Prekarität. Aber das Problem teil er mit den nicht Prekären.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Zum Wesen der meisten Talkshows gehört es, zwei künstliche Alternativen zu einem Thema anzubieten, die keine sind, um sich darüber genüsslich streiten zu können.

    Dieser Methode folgt Peter Weissenburger, wenn er einen vermeintlichen Gegensatz von 'Muttersöhnchen' und 'Busengrapscher' zu konstruieren versucht. Dabei könnte heute ein jeder wissen, dass b e i d e s nicht zu einem ausgeprägten erwachsenen Charakter gehört, der mit eigenen und fremden Grenzen achtsam umgeht.

    Ich folge dem Autor, wenn er der Integration 'weicher' Persönlichkeitsanteile das Wort redet. Dass dies automatisch 'mütterlich' wäre, ist ein hartnäckiger Mythos. Weichheit und Fürsorglichkeit sind sicherlich vieles, aber nicht an ein biologisches Geschlecht gebunden.

    • 8G
      849 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      Der erwachsene (genitale Charakter nach Freud) ist aber heute "leider" obsolet, Stattdessen feiert man, was Freud unter Regression oder Perversion subsumiert hätte. Letzteres ist sicher bürgerlicher Ideologie geschuldet, aber diese als Vergleichsmaß zu nehmen, würde hin und wieder der Erkenntnis im totaltären Hedonismus guttun.