Kolumne Die eine Frage: Ich bin kein Bayern-Fan

Passend zum Bundesligafinale am Samstag: Darf man für Bayerntrainer Josep Guardiola sein oder bricht dann die Welt zusammen?

Bayerns Torwart Manuel Neuer Bild: dpa

Ein Fan unseres deutschen Meisters FC Bayern München bin ich natürlich nicht. Das versteht sich von selbst. Ich bin lediglich emotional positiv berührt vom Fußball des Bayern-Trainers Josep Guardiola. Seit ich das laut sagte, habe ich ein großes Problem.

„Er ist nicht für Bayern, nur für Guardiola“, schnappte mein Sohn Adorno angewidert, ohne mich dabei anzusehen. „Gleich kommt noch einer und sagt, er ist nicht für die Nazis, nur für Hitler.“

Völlig unangemessen. Das könnte ihn sein Amt als Klassensprecher kosten. Oder als Innenverteidiger. Aber erstens bin ich schon mal froh, dass er sich eindeutig der deutschen Geschichte bewusst ist, zweitens spüre ich seine seelische Qual, die in Unordnung geratene Welt eines Vierzehnjährigen, der in der familiären und kulturellen Gewissheit aufgewachsen ist, dass die Bayern so scheiße sind wie die CDU. Wir waren immer für Barça. Denn Barça war das Gute. Jetzt war ich plötzlich für Guardiola und gegen Barcelona: Ist die Welt denn völlig aus den Fugen?

Nun bin ich ja eben nicht zum üblichen Bayern-Hirni konvertiert, der entweder ein Loser ist, der sehr viel kompensieren muss. Oder sich für einen wahnsinnigen Gewinnertypen hält, der nicht genug kriegen kann. Sondern zu einem neuen, zeitgemäßen Typus, der eine aufgeklärte Bayern-Kultur jenseits der Klischees pflegt. Das äußert sich dergestalt, dass ich nicht mehr ununterbrochen sage, wie blöd die Bayern sind und wie sehr ich sie hasse. Und genau das irritiert Adorno und im Übrigen auch den Rest der Familie.

Auf der Höhe des 21. Jahrhunderts

Leute: Das ist infantil. Man muss auch mal respektieren, wenn die anderen so etwas Gutes hinbekommen wie Guardiola-Fußball. Sage ich jetzt immer. Fußball an der Spitze der Moderne. Nicht immer, aber oft. Guardiola hat die Bayern aus ihrem Gefängnis (das ist keine Anspielung auf Uli Hoeneß) des „Mia san mia“ geholt, das ja nur bedeutete, dass man eben nicht sagen konnte, wer man ist – außer für die Hälfte der Republik ein Arschloch.

Guardiola hat den Bayern einen Sinn gegeben: die ästhetische Begründung von Siegen statt des kalten Effizienzfußballs von früher. Linker Fußball in César Luis Menottis Denken auf der Höhe des 21. Jahrhunderts. Und sie selbst merken es nicht mal. Genial.

Reduziert man den Fußball auf den Sieg oder Pokal, wie die Bayern es lange taten, ist er bedeutungslos. Und man selbst ist es auch. Guardiolas Transformation ist so gewaltig, als würden die Bundesgrünen demnächst ihre sozialökologischen „Inhalte“ mit der realen Gesellschaft verknüpfen. Und sie nicht mehr als theoretischen Wert im Schrein der Gesellschaftsvergessenheit bewahren.

Nun versuchen sie in der Familie, die Saison der Bayern wegen der Champions League als ungenügend darzustellen. 7:1 gegen Rom, 7:0 gegen Donezk, 6:1 gegen Porto. Hallo? Die raffen es echt nicht. Nun ja: Veränderung kommt in unserer gelähmten Gesellschaft einfach nicht gut. Differenziertes Weiterdenken wird als Rückschritt gewertet. Als Karrierismus, als Anpassung, als Aufgeben. Nicht mit mir.

„Bringt die Maßkrüge rein, wir feiern die Meisterschaft, was für eine grandiose Leistung“, sage ich. „Du redest schon wie Sammer“, stöhnt Adorno und rast raus, um bei seiner Mutter zu petzen. Dreißig Sekunden später steht die Macht im Zimmer. „Jetzt reicht’s“, sagt sie, „du hörst jetzt sofort auf, ’wir‘ zu sagen, wenn du von den Bayern sprichst.“ „Wieso sollte ich?“ „Weil ich nicht mit einem Bayern-Fan verheiratet sein möchte.“ Kein Problem. Wie ich schon sagte: Ich bin kein Bayern-Fan.

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Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried

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