Kolumne Die eine Frage: Claudia Roths Kindsvater

Urwaldshow oder Urwahlshow? Ein Anruf beim Grünenpolitiker Werner Winkler, der sich in einer Reihe sieht mit Obama und Özdemir.

Die eine Frage, gestellt am Telefon. Bild: dpa

Kaum hatte Claudia Roth sich selbst aufgestellt, um die alleinige Spitzenkandidatur von Jürgen Trittin zu verhindern, trat Werner Winkler hervor und sagte, dass er auch kandidiere. Kurz darauf wurde die Urwahl geboren. Ich rief ihn an und fragte, ob er denn heute noch zu seiner Vaterschaft stehe. „Wenn ich der Vater bin, ist Claudia Roth die Mutter“, sagte er.

Hauptsache, das Kind ist gesund, pflegt man in solchen Fällen zu sagen, aber auch darüber gibt es unterschiedliche Meinungen. Also: „War das wirklich nötig, Herr Winkler?“ „Theoretisch nicht, es gibt ja genug Grünen-Gremien“, sagte er. „Aber dann war es doch nötig, weil die das nicht hinbekamen“.

Die Spitzenpolitiker Trittin, Göring-Eckardt und Künast sowie Parteichefin Roth traten dann in elf Urwahlshows an. Also nicht in Urwaldshows, nur fast. Dazu kamen elf Kandidaten aus dem Parteivolk; von denen wurde Winkler der wohl populärste. Die ZDF-Satiresendung „Heute Show“ machte ihn weltweit bekannt, aber sie machte ihn auch zum Kasper. Ihr Reporter ließ sich zu dem mittlerweile geflügelten Satz hinreißen: „Seit Renate Künast habe ich mich nicht mehr so zu einem Mann hingezogen gefühlt wie zu Werner Winkler“.

Kurzum: Das Format Urwahl enthält einen Faktor, der hohe Wahrnehmung garantiert. Aber es enthält auch eine Trivialisierung von Politik und ist nicht gerade von diskursiven Vorgängen geprägt, wenn Sie verstehen, was ich meine.

Winkler sieht die Defizite des Formats. Aber er findet die beiden Neuerungen wichtig: Dass eine Gruppe, die ihre zwei Besten bestimmen will, unter allen auswählen kann. Und dass alle wählen können. Er erlebt es auch positiv, wenn ihn neuerdings Leute in der S-Bahn ansprechen. „Sie sind doch der Typ aus der ’Heute Show‘“, sagen sie. Ja, sagt er, bin ich. „Und dann entwickelt sich ein Gespräch über Demokratie.“ Manche wollen sich auch nur mit ihm fotografieren lassen, „wie mit Justin Bieber“.

Sein Beruf ist Problemlösung, einerseits als Autor (Standardwerk: „Probleme schnell und einfach lösen“), andererseits als Coach in zerstrittenen Gruppen („Aber so weit war es bei den Grünen nicht.“) Er unterscheidet drei Persönlichkeitstypen: Delphine, das sind Menschen, die im Schwarm leben und sozial interagieren. Beispielsweise? „Obama, Özdemir und ich“. Dann Blauwale, die schwer in die Gänge kommen, aber dafür langfristig und geduldig arbeiten: Trittin, Göring-Eckardt, Ministerpräsident Kretschmann. Und Haie, Powertypen, die auf die Jagd gehen: Roth, Künast. Wenn man das mal verstanden hat, kann man ganz anders mit Menschen umgehen, sagt er.

Winkler ist Jahrgang 1964 und trat unter dem Eindruck von Mappus’ Wasserwerfern im Stuttgarter Schlossgarten letztes Jahr bei den Grünen ein; wurde dann Ortsvorsitzender in Waiblingen bei Stuttgart. Da überlegt er nun mit Rüdiger, ob man einen Arbeitskreis zur Verkehrssituation in der Innenstadt gründen soll. Früher wäre Partei-Engagement für ihn nicht in Frage gekommen. Eine Schnupper-Mitgliedschaft in der SPD deprimierte ihn vollends. Heute will er sich in Kretschmanns Sinne weniger für eine Partei, als vielmehr für Gesellschaft und Staat engagieren. Realo oder Fundi? Steinzeitdenken.

Für ihn war die Bewerbung ganz und gar kein Witz. Ihr Fazit, Herr Winkler? „Es bleibt das Gefühl, dass ich etwas Sinnvolles getan und einen Fingerabdruck in der Parteigeschichte hinterlassen habe.“

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Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried

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