Kolumne Die Kriegsreporterin: Konzeptgewordene Blondheit
„Das Interesse am Leben der anderen ist ungebremst“, sagt „Bunte“-Chefin Patricia Riekel. Gilt dann wohl auch für ihr eigenes, ne.
H allo taz-Medienredaktion!
Etwas total Verrücktes ist geschehen. Der Springer-Verlag, diese Zusammenkunft harter Hunde am ehemaligen Grenzstreifen der – wenn das so weitergeht – zukünftigen erneuten Reichshauptstadt, hat etwas ganz Unglaubliches verlauten lassen: „Auch Vorstände sind Menschen.“ Hamma!
Und zwar wurde das in Zusammenhang mit der erst abgesagten, nun wieder zugesagten Weihnachtsfeier bekundet. Und nun frage ich mich: Wie kam es zu dieser Offenbarung? Ist sie eine Folge dessen, dass der Sparvorstand gesagt hat: „Dieses Jahr keine Weihnachtsfeier, Männer!“ Und dann haben die Herren im Maßanzug sich am Boden gewunden, Tränen in den Augen, die Hand am Herz und ausgerufen: „Ach bitte, eine Weihnachtsfeier! Ich bin doch auch nur ein Mensch!“
Apropos Weihnachten und Mensch sein. Patricia Riekel, die Chefredakteurin der Bunten hat ihr niveauloses Tun mal wieder zu rechtfertigen versucht. Ein Totschlagsatz wie „Das Interesse am Leben der anderen ist ungebremst“ muss dafür herhalten, dass kaum ein deutscher Prominenter vor ihrer konzeptgewordenen Blondheit sicher ist. Ja, und da muss ich zugeben, auch bei mir ist das Interesse ungebremst.
Es ist bereits etliche Jahre her, dass mir eine ihrer Mitarbeiterinnen erzählte, dass sie Weihnachten immer weine, weil ihr Lebensgefährte, der Laiendarsteller und Exchefredakteur Helmut Markwort, das heilige Fest mit seiner Ehefrau feiere, statt mit ihr. Ja, und das interessiert mich doch brennend. Weint sie noch heute? Ist Markwort immer noch mit einer anderen im Ehestand? Hat Helmut noch immer Gefühle für seine Angetraute? Warum erfüllt er Patti nicht ihren sehnlichsten Wunsch? Und wann wird sie, die 66-Jährige, endlich den Richtigen finden? Ja, das geht mich zwar alles nichts an, aber es interessiert mich brennend!
Alice Schwarzer tanzt Dosentango
Interessant wird auch die Frage, ob Alice Schwarzer aus Gründen des Persönlichkeitsrechts Eingriffe in dem Buch „Tango mit Alice“ ihrer ehemaligen Lebensgefährtin Waltraud Schade erwirken kann. Alice Schwarzer war nämlich gar nicht ausschließlich mit dem Häkeltelefon der Bild-Zeitung liiert, sondern sie hat auch Tango getanzt. Dosentango. Und ob das Platz in der Öffentlichkeit findet oder ob auch eine öffentliche Frau ihre Privatsphäre schützen darf, wird zum Glück doch nicht von Patricia Riekel bestimmt, sondern vom Landgericht Köln.
Spannend war ja auch das Auftauchen eigenartiger Anzeigen im Berliner Tagesspiegel. Da bot ein Journalist Texte über das Berliner Kulturleben an, ein anderer, aus Hamburg zu berichten. Ich hab dann so getan, als wären mir die merkwürdigen Anzeigen beim Lesen begegnet und habe sie fleißig getwittert. Der Tagesspiegel hat sie auch fein retweetet – bis wohl jemand bei der Telefonnummer angerufen hat und Freischreiber am Apparat hatte. Ja, liebe Leute, das war eine hübsche, kleine Aktion meines braven Vereins vor dem Hintergrund, dass der Tagesspiegel sparen möchte und das wo tut? Genau! Bei den freien JournalistInnen, die bis Ende des Jahres nicht mehr beschäftigt werden sollen. Abgesehen von der Frage, wie die Zeitung all die Themen ohne Freie abdecken will, ein grober Scheiß.
Lustigerweise ist am Dienstag unsere nächste hübsche Anzeige nicht erschienen. War wohl ein Fehler in der Technik . … Ja, nicht nur, dass wir mit den Kleinanzeigen unseren Keks zu deren Weihnachtsfeier beisteuern wollten, wir wollen auch zeigen: Freie JournalistInnen sind Menschen. Und zwar welche, die weiter denken als bis zur nächsten Sparrunde. Voll Vorfreude auf die Freischreiber-Weihnachtsfeier zurück nach Berlin!
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