Kolumne Die Kriegsreporterin: Der Klugscheißer trägt Prada
Das Outfit von Juli Zeh, die Ariel-Propaganda der Nazi-Nannen-Negierer und der „Tatort“ aus Münster auf der großen Leinwand.
H allo taz-Medienredaktion! Ich bin so froh, festzustellen, dass es nicht nur sie noch gibt, die guten alten Dinge, sondern dass auch in meinem Gewerbe noch so mancher Stein auf dem anderen ist. Sprich, dass es sie noch gibt, die Journalistinnen und Journalisten, die überbezahlt im feinen Zwirn in ihrem Elfenbeinturm sitzen und überheblich auf die Welt hinabblicken.
So Julia Werner, die sich für die Süddeutsche Zeitung über das Outfit von Juli Zeh mokierte, die in eine Talkshow gegangen war, ohne sich dafür der Kleidung zu entledigen, in der andere Menschen ihre Feldarbeit verrichten. „Blitzgescheit sein bringt einen hierzulande auch nicht weiter“, fazitiert Frau Werner, „jedenfalls nicht zu Prada-Klamotten und so.“
Ja, es ist doch immer wieder ein Ärgernis für die Eliten, wenn ihresgleichen so aus der Art fällt und sich einfach nicht einfügen will in den Aufschneider-konformitätslook von Prada und so. Natürlich könnte man annehmen, manch einer suche Ausgleich für seinen angepassten Kleingeist mittels Prada und so, in diesem Falle aber freue ich mich einfach mal darüber, dass es sie noch gibt, die guten alten arroganten Klugschreiber in Prada und so, denen nicht einmal die Krise, die diese Branche inklusive der Süddeutschen durchschüttelt, das Hirn zurechtruckeln konnte und alles noch an seinem Platz ist. Und so.
Mehr so in Palomino und so gewandet, dafür aber von Geist und Größe, ist der Kollege Willi Winkler, der, ebenfalls in der Süddeutschen Zeitung, verschiedentlich Artikel zu Henri Nannen als Nationalsozialist veröffentlichte. Seinen Recherchen nach bin ich im Zusammenhang mit der Berichterstattung über Jacob Appelbaums Absicht, seinen Nannen-Preis einzuschmelzen, der Ariel-Propaganda der Nazi-Nannen-Negierer auf den Leim gegangen.
„Glaubhaft bereut“
Ich hatte geschrieben, Nannen habe seine Nazi-Aktivitäten „glaubhaft bereut“. Liest man Winkler, ist das Blödsinn. Beziehungsweise ist von Reue keine Rede. Und von Glaubhaftigkeit auch nicht. Man hat jetzt eher einen weiteren Mann auf der Liste, der trotz erschreckender Denke, mangelnder Distanzierung und Patronage von Nazis nach 1945 zum Vorbild wurde.
Die ARD oder das Erste oder die Erste ARD oder weiß der Deibel, wie die angeschrien werden wollen, planen einen „Tatort“-Kinofilm. Das Münsteraner Dick-und-Doof-Duo Boerne und Thiel sollen gegen Eintrittspreis ermitteln. Und das finde ich, ehrlich gesagt, etwas bescheuert. Es ist ja nix Neues, dass vom Fernsehen kofinanzierte und koproduzierte Filme im Kino laufen, dass aber ein Fernsehformat, das der Gebührenzahler durch seinen Obolus finanziert, ins Kino kommt und der Gebührenmensch dann noch mal Geld ausgeben soll für etwas, dessen Herstellung er bereits bezahlt hat, finde ich recht doof.
Vielleicht aber tu ich den ARDdasErste-Leuten auch Unrecht und alle, die die Haushaltsabgabe leisten, dürfen umsonst rein. Was das Mindeste sein sollte. Schließlich sind es die Fernsehzuschauer, die mit ihrem Einschalten die beiden Herren Boerne und Thiel in die Sphäre des Erfolgs gedrückt haben.
Aus den Sphären, in denen die geistige Umnachtung zu Hause ist, hat die Bild-Zeitung dieser Tage gesendet. In bester Gaga-Manier titelte die Zeitung zum Tod von Karlheinz Böhm „Jetzt ist er bei Sissi!“ Und wenn man sich eh fragt, wer neben diesen unglaublich reflektierten, coolen, hippen Leuten, die die Bild ja alle nur aus Spaßgründen lesen, das Blatt liest, so wissen wir jetzt: es ist eine Klientel, von der die Redaktion annimmt, sie sei hirnamputiert. Schließlich, und das weiß jedes Kind, ist Karlheinz Böhm zunächst mal im Kühlregal.
Entnervt zurück nach Berlin!
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