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Kolumne Die Eine FrageWozu Grün ohne Fell?

Peter Unfried
Kolumne
von Peter Unfried

Der Abgeordnete Hans-Josef Fell hat die Bürger-Energiewende mit den Grünen verknüpft. Nun verlässt er den Bundestag.

Hans-Josef Fell: „Notfalls muss es eben auch ohne Politik gehen.“ Bild: dpa

E s fing damit an, dass der Vater des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes bei der Listenaufstellung der bayerischen Grünen durchgereicht wurde. Platz 12. Unprofessionell, dachte Hans-Josef Fell damals. Aber na ja. Die Partei stand in Umfragen bei 15 Prozent und schon 11,5 würden ihm reichen. Der Rest der Geschichte ist bekannt.

Am 18. Oktober werden die Computer abgeschaltet. Bis dahin muss Fell aus seinem Abgeordnetenbüro raus sein. Das ist die Folge eines Wahlkampfs, in dem sich die Grünen für alles Mögliche interessierten, nur für eines nicht: die Energiewende und die große sozial-ökologische Modernisierung mit ihrem globalen Gerechtigkeitsversprechen. Anruf. Nur die Mailbox. Halbe Stunde später ruft er zurück. Wie geht es Ihnen, Herr Fell, sind Sie am Boden zerstört? „Überhaupt nicht“, sagt er. Stimme fest.

„Ach, der Fell“, sagt ein grüner Großdenker. Er war ihnen immer zu … tja, unterfränkisch fachlich. Was ihn radikal ungeschmeidig erscheinen ließ. Und dann auch noch dieser Lebensstil. Eigene Stromerzeugung, Holzhaus, E-Mobilität: Er lebt zu Hause in Hammelburg, wovon sie reden. Das geht dann doch zu weit. Vielleicht war es manchmal auch zu viel habitueller Ökolehrertouch.

Jedenfalls hat Fell in der ganzen Welt erklärt, dass und wie 100 Prozent Erneuerbare funktionieren. Vor allem hat er in den Schröder/Fischer-Jahren das EEG entworfen, es mit Michaele Hustedt (Grüne), Dietmar Schütz und selbstverständlich Hermann Scheer (beide SPD) entwickelt und im Jahr 2000 durchgesetzt.

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Er steht für die Bürger-Energiewende

Ich habe auch lange gebraucht, bis ich es kapiert hatte: Hans-Josef Fell hat nicht nur die Grünen in den Solar- und Windinitiativen verankert, er steht als Person für die Bürger-Energiewende und als Politiker dafür, dass sie die Grünen braucht, gegen Stimmungspolitiker wie Altmaier und Gabriel. Und er steht dafür, dass die kulturell-habituelle Vorstellung vom Progressiven nicht mehr nach dem alten Özdemir-Denken (wir Rock ’n’ Roll, die anderen Heino) funktioniert.

Es ist hart, aber es ist so: Die Ewiggestrigen schwadronieren in ihren urbanen Milieus von Gerechtigkeit und „Breaking Bad“ und heizen dabei total asozial zum Fenster raus. Derweil kommt die energetische Revolution aus der bayerischen und schleswig-holsteinischen Provinz. Von Bürgern, die mit dem Sepplhut auf dem Kopf „Wetten, dass..?“ gucken.

Die Frage ist: Was wird aus der Energiewende, da Hermann Scheer tot ist, Hans-Josef Fell nicht mehr im Parlament, die Kräfte in Industrie und Medien immer stärker werden, die alles killen wollen – wenn Union und SPD eine große Konzern- und Kohle-Koalition bilden? Nie war die Energiewende der Bürger, also der freie Zugang zu Investitionen in Erneuerbare, stärker gefährdet als heute.

„Das macht mir sehr große Sorge“, sagt Fell. Vor sechs, sieben Jahren hätte er sich aber noch mehr Sorgen gemacht, erinnert er sich. Zur Not müsse und werde es auch ohne Politik gehen. „Deshalb setze ich auf selbst tragende Kräfte.“ Auf Bürger. Auf Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien als „ökonomischer Selbstläufer.“

Comeback 2017?

Er selbst wird weiter in Berlin präsent sein, weil sich hier die deutsche Energiewende entscheidet. Und er will als Vortragender weltweit unterwegs sein, weil er Energiewende lokal und global denkt.

Und ein Comeback im Bundestag 2017? Er sei 61 Jahre alt, sagt er, und wenn man den üblichen Hinweis einstreut, dass Adenauer ja mit 73 erst Kanzler wurde, sagt er, dass er sich mit Adenauer nicht vergleichen wolle. Hans-Josef Fell ist ein ernster Mann.

Eine Woche vor der Wahl rief er die energiewendebewussten Bürger im Bundesland Bayern auf, mit Zweitstimme Grün zu wählen, um Fell zu wählen. Aber die sagten ihm: Wozu sollen wir die Grünen wählen, wenn sie Fell dermaßen nach hinten schieben?

Es ist eine ganz bittere Pointe: Die Grünen wissen schlicht nicht, was sie an Hans-Josef Fell haben.

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Peter Unfried
Chefreporter der taz
Chefreporter der taz, Chefredakteur taz FUTURZWEI, Kolumnist und Autor des Neo-Öko-Klassikers „Öko. Al Gore, der neue Kühlschrank und ich“ (Dumont). Bruder von Politologe und „Ökosex“-Kolumnist Martin Unfried
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6 Kommentare

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  • A
    Aremis

    Ja, es ist sehr traurig,dass Fell nicht mehr im Bundestag vertreten ist. Noch trauriger ist aber, dass bay. Landtagsabgeordnete und grüne Kommunalvertreter die Tragweite gar nicht begriffen haben. Auf Nachfrage ist mir erklärt worden, dass es ja nicht auf die Person, sondern auf die Politik ankommt. Nichts begriffen. Wenn dem so wäre, hätte die CDU/CSU nicht so einen fulminanten Sieg eingefahren. Ohne Merkel und Seehofer wäre es schlecht bestellt um die Schwarzen.

  • T
    TÜbingen

    "Warum die Grünen wählen, wenn der Fell so weit hinten auf der Liste steht?" - Na dann erst recht, damit er noch reinkommt!

  • Ja, das jetzt Hans-Josef Fell nicht mehr MdB ist, ist politisch für die Grünen eine Katastrophe ... denn ohne echte Sachkentnis in den eigenen Reihen ist zu befürchten, dass die Grünen weiter von ihrer Kernkompetenz verlieren.

     

    Aber von der haben die aktuellen "Spitzen"leute ohnehin noch nie was verstanden ... "Die Polkappen schmelzen, der Meeresspiegel steigt und die Grünen diskutieren übers Ehegattensplitting" (Urban Priol).

     

    Tatsächlich garantiert _nur_ die Energiewende zu 100% Erneuerbaren Energien (so schnell wie möglich) den Fortbestand einer sozial verträglichen Energieversorgung. Dass die von allen Energie-Lobbyisten, Rösler, Altmaier ("Strompreisbremse") ins Feld geführte soziale Unverträglichkeit in Wirklichkeit auf einer betrügerischen Rechenmethode für die EEG Umlage beruht, die die Merkel-Regierung 2010 per Verordnung gleichzeitig mit der Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke durchgedrückt hat, weiss kaum jemand. Ist ja auch kompliziert.

     

    Vereinfachungen auf Bildzeitungsniveau bestimmen den öffentlichen Diskurs, während die Energiewende vor die Wand gefahren wurde. Aktuell haben wir nämlich wieder _mehr_ Kohlestrom, Braunkohle fei(u)ert fröhliche Urständ'.

     

    Es kommt doch auf uns zu, was Fritz Kuhn "die große Koalition der Braunkohle" nennt.

     

    Die Preise für fossile Energie steigen (zuletzt mal an der Tankstelle gewesen?), desgleichen die Kosten für die Schäden. Diese werden aber von den großen Versorgern nicht beziffert.

     

    Alle vollmundig formulierten Klimaziele sind längst nicht mehr haltbar, Not tut ein Programm, das eine "Globale Abkühlung" herbei führt. Das ist auch der Titel des sehr lesenswerten Buches von H.-J. Fell.

  • Fell hat es genauso wenig wie Scheer verstanden, die Energiewende sozial einzubetten. "Bürger-Energiewende" bedeutet da bis heute, dass sich die Menschen mit frei verfügbarem Vermögen am notwendigen technischem Umbau beteiligen können und dafür mit einer Vermehrung dieses Vermögens belohnt werden, und zwar finanziert von den Konsumenten über die Umlage sowie eingeschränkt auch von den Steuerzahlern.

    Diejenigen, die kein freies Vermögen für solche Investitionen haben, hatten dabei nichts zu gewinnen, sie kommen im Weltbild des Hans-Josef Fell nicht wirklich vor. Dabei wäre es so einfach und aus energiepolitischer Sicht auch so sinnvoll, das EEG mit einem Ökobonus an alle Einwohner zu flankieren, der durch eine einen zusätzlichen Effizienzanreiz setzende Energiesteuer finanziert wird.

    Und genau dieses Versäumnis wird seit Jahren vom politischen Gegner genutzt, um gegen das EEG und die Energiewende an sich Stimung zu machen ("die armen, fleissigen Arbeitnehmer finanzieren dem bösen, reichen Zahnarzt seine Photovoltaikanlage").

    Dass auch auf der technischen Seite Probleme übersehen wurden, insbesondere was Speicher- und Netzstrukturen angeht, kommt noch hinzu.

     

    Es wäre uns allen zu wünschen, dass der Abgang von Hans-Josef Fell dazu führt, dass sich bei den Grünen und darüber hinaus Ansätze entwickeln können, die "Energiewende" etwas ganzheitlicher und (auch sozial) nachhaltiger denken.