Kolumne Der rote Faden: Fassbomben, Öl und zwei Gin Tonic

Durch die Woche gesurft: Die USA kriegen den Irak nicht los, aber die Kurden vielleicht ihren unabhängigen Staat. Und Juncker trinke zu viel, heißt es.

Nach seiner rumpeligen Mission in den Irak kommt Außenminister John Kerry am 26. Juni im schönen Paris an. Bild: AP

Kruzifix, Kerrys Worte sind doch eindeutig: Maliki, bilde eine Übergangsregierung mit Sunnis und Kurden – und dann geh nach Hause! Du hast genug gemordet und geplündert, das reicht für Generationen. Doch Maliki bleibt, und also bricht der Irak auseinander.

So einfach geht das Narrativ. Denn Isis (Islamischer Staat im Irak und in Syrien) kommt, genauer: marschiert immer weiter Richtung Süden, weswegen die Iraner langsam nervös werden und die Truppen an der Grenze verstärken, wie es weiter heißt. Und Assad?

Der hätte Isis stoppen können. Es waren zu Anfang ja nur ein paar hundert Männer, die Mossul einnahmen. Doch ein Assad wirft nur sehr ungern Bomben auf Terroristen, deshalb hat er auch so lange gezögert. Seine Milizen haben mit Schulen, Krankenhäusern und Bäckereien schon genug zu tun. Zwar leben nicht mehr so viele Menschen in seinem Land, ein paar Millionen von den ehemals 22 Millionen Syrern sind aber noch übrig, um die muss er sich kümmern: Eine Fassbombe jagt die nächste.

Alle wieder da, im Irak

Aber im Irak wollen nun angeblich die Russen direkt eingreifen und Isis aus der Luft beschießen. Prima, dann können sie gleich in Syrien weitermetzeln, wo sie schon mal in der Gegend sind. Es soll nicht umsonst gewesen sein, dass Assad alle Rebellen, die meistens Sunniten sind, zu Terroristen erklärt hat.

Verrückt, wie Assad immer wieder zum Gewinner wird: Denn für ihn ist es nur gut, wenn wenigstens ein paar der von seinem Clan geschonten Fanatiker sich jetzt im Irak austoben. So nützlich Terroristen für Despoten sind, immerhin ist der (verbale) Kampf gegen sie noch immer das beste Eintrittsbillett in westliche Geschäftskreise: Am Ende machen die immer, was sie wollen, nämlich noch reicher werden. Siehe Maliki, Karsai, Bin Laden oder auch Saddam Hussein. Das waren jetzt nur die unartigen Ziehkinder der USA.

Die Kommandierenden der Isis-Truppe kennt man im Westen noch nicht, zumindest nicht die Medien, gleichwohl ist bekannt, dass auch sie sehr reich sind. Vielleicht hätten Assad und Maliki doch nicht so viel Öl von ihnen kaufen sollen. Na ja. Zu spät.

Die Briten sind übrigens auch schon in Bagdad angekommen, auch Außenminister Hague will mit Maliki sprechen. Reuters zitiert einen ehemaligen in Kurdistan stationierten Mossad-Chef, dass Israel einen unabhängigen kurdischen Staat im Norden Iraks gern anerkennen will. Israel kauft Öl aus dem Nordirak, also von Kurden, was diese dementieren, doch Haaretz widerspricht. Alle sichern sich jetzt ein Stückchen vom Irak. Indessen häufen sich die Selbstmordattentate, und die normalen Menschen sterben oder fliehen.

De Maziere mal wieder ganz weit vorne

Weswegen der deutsche Innenminister schon einmal vorwarnt: 200.000 Asylanträge kämen voraussichtlich wegen Isis und Irak auf das arme kleine Deutschland zu. Was er nicht sagt: Anträge werden in der Regel abgelehnt.

Zur groben Orientierung seien ein paar aktuelle Zahlen genannt: Im Mai diesen Jahres wurde 21,5 Prozent der Menschen, die einen Asylantrag gestellt haben, Flüchtlingsschutz gewährt. Das bedeutet, dass sie bis zu drei Jahren auf jeden Fall hier bleiben und arbeiten können, aber keine Familien nachziehen dürfen. Zudem besteht die Möglichkeit, dass sie nach den drei Jahren wieder abgeschoben werden, wenn sich die Lage in ihrem Herkunftsland nach Ansicht der Bundesregierung beruhigt hat. Asyl, also ein unbefristetes Aufenthaltsrecht, erhielten 1,2 Prozent. Behandeln wir die Zahlenspiele von de Maizière also mit Vorsicht.

Und natürlich trägt die „Hauptlast“, nicht Deutschland, sondern europäische Mittelmeerländer wie Griechenland oder Italien. Daran wird sich auch so schnell nichts ändern, denn in der EU hat man gerade andere Sorgen als die Flüchtlingspolitik zu humanisieren. Die Kommission will endlich besetzt werden. Der Streit um Jean-Claude Juncker zog sich wirklich elend lange hin.

Die Leidenschaften des Herrn Juncker

Spätestens diese Woche hat sich auch erklärt, warum viele Parteien ihr Wahlkampfbudget nicht ausgeschöpft haben. Die EU-Wahlen waren nicht gerade Opium, aber ein Beruhigungspillchen für die Massen, mehr nicht. Entschieden wird hinter den Kulissen und ohne diese lästige Überbleibsel aus der alten Welt: genannt Wähler. Bei der entscheidende Frage, dürfen sie nicht mitreden, und die lautet: Was kriegen die Briten, wenn sie die Kröte Juncker schlucken?

Merkel braucht Cameron, um ihre Austeritätspolitik weiter durchsetzen zu können, gegen Hollande und den Süden. Um Juncker dürfte es ihr nur in zweiter Linie gehen.

Der übrigens könnte ein Alkoholproblem haben. Zwei Gin Tonic und ein Bier bereits zum Mittagessen, weiß der Spiegel. Die FAZ verteidigt: Noch habe er immer alles pünktlich erledigt. Na, dann ist ja alles gut.

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leitet seit August 2015 das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie der Heinrich-Böll-Stiftung.   Mich interessiert, wer in unserer Gesellschaft ausgeschlossen und wer privilegiert wird - und mit welcher kollektiven Begründung.   Themenschwerpunkte: Feminismus, Männlichkeitsentwürfe, Syrien, Geflüchtete ,TV-Serien.   Promotion in Allgemeiner und Vergleichender Literaturwissenschaft zu: "Der Mann in der Krise - oder: Konservative Kapitalismuskritik im kulturellen Mainstream" (transcript 2008).   Seit 2010 Lehrauftrag an der Universität St. Gallen.

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