piwik no script img

Kolumne DarumMerkel in die Mütze spucken

Maik Söhler
Kolumne
von Maik Söhler

Bloß nicht zuschlagen. Aber auch den Frust nicht in sich reinfressen. Von Kindern können wir lernen, wie man am besten mit Konflikten umgeht.

Her mit der Mütze! Weihnachtsmerkel bei Madame Tussauds. Bild: dpa

E s ist Winter. Das ist gut. Denn da tragen die Menschen – auch die fiesen – manchmal eine Kopfbedeckung. Innenminister Hans-Peter Friedrich etwa, der ewige Wiedergänger Ebenezer Scrooges (bevor die Gespenster kommen). Oder Jogi Löw, diese hämische Strafe der Badenser an der fußballinteressierten Menschheit. Oder die Kollegen, die seit Wochen die gesamte Abteilung mit Wichtel-E-Mails belästigen.

„Verlagsmitarbeiter und -mitarbeiterinnen halten das 'Wichteln' auf der Weihnachtsfeier für eine feine, kommunikative, gesellige Sache. Redakteure finden es peinlich, zwangswitzig, im Grunde genommen terroristisch“, schrieb neulich ein Ex-Kollege auf Facebook. Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer, dass der Begriff des Terrorismus immer auch eine ganze Reihe an Fragen nach sich zieht, wie mit ihm umzugehen ist.

Auf Gewalt mit Gegengewalt antworten? Möglich, aber schwierig. Appeasement und noch ne Friedenskonferenz? Gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut gemacht. Die Ursachen bekämpfen? Klar, aber welche waren es noch gleich? Terrorismus hat viele Gesichter, und manchmal ist ein Wichtelsäckchen heimtückischer als eine Kalaschnikow.

Teile der Menschheit haben mühselig gelernt, jemanden mit anderer Meinung und anderen Vorlieben nicht einfach niederzukartätschen. Von diesen Teilen wiederum gehen viele nach Konflikten, seien sie politisch, arbeitsbedingt oder privat, voller Hass frustriert nach Hause. Das gute Motto „Bloß keine Gewalt“ wird nur halb befolgt, denn eine Form von Gewalt ist auch das, was man in Frustsituationen sich selbst zufügt. Der Ausweg zwischen Gewalt, die man anderen, und Gewalt, die man sich selbst zufügt, heißt: reden, reden, reden.

„Ich war so wütend!“

Das geht aber nicht immer. Gibt es keine Alternative? Doch. Von Kindern können wir lernen, mit solch schwierigen Situationen umzugehen. Der Sohn kam neulich wütend aus der Schule heim. Ein Freund hatte sich erst mit ihm gestritten und ihn dann gebissen. Empört zeigte er mir die Bissspuren am Arm. „Und wie hast du reagiert?“ – „Ich war so wütend! Ich wollte ihn hauen. Hab ich aber nicht gemacht.“ – „Sondern?“ – „Ich war so wütend. Und ich wusste nicht mehr weiter.“ – „Und dann?“ – „Dann hab ich ihm die Mütze vom Kopf gerissen und reingespuckt.“

In die Mütze gespuckt. Da zuckt es in einem. Da streiten Ekel, Erziehungsauftrag und simples Gekicher miteinander. Laut loslachen geht nicht. Also erstmal die Bissspuren verarzten und dabei vorsichtig fragen, ob ein Bewusstsein dafür vorhanden ist, dass die Reaktion falsch gewesen sein könnte. „Ja, ich weiß, dass das falsch war, aber ich war halt so wütend!“ Beide Kinder hätten dann eine Lehrerin ins Vertrauen gezogen. Beide hätten ihr gesagt, sie wüssten, dass sie etwas falsch gemacht hätten. Beide wollten sich aber nicht entschuldigen. Die Sache sei trotzdem aus der Welt, morgen werde wieder gemeinsam gespielt.

Abends rief dann die Lehrerin bei uns an (und bei den Eltern des anderen Kindes auch). „Da ist heute in der Schule was vorgefallen“, eröffnete sie defensiv das Gespräch. „Wir haben schon darüber gesprochen“, erwiderte ich. Die Kinder hätten sich ja wieder vertragen, ob es unserem Sohn denn damit gutginge? „Ja, kein Problem. Ich war nur überrascht, dass er anderen in die Mütze spuckt.“ – „Ich auch.“ Wir schwiegen kurz und lachten lang. Das ist unpädagogisch. Doch Konfliktlösung muss nicht pädagogisch, sondern erfolgreich sein.

Ganz nebenbei: Gerade bin ich sehr wütend auf Angela Merkel.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Maik Söhler
Journalist
Jahrgang 1969, Leitender Redakteur des Amnesty Journals. War zwischen 2010 und 2020 Chef vom Dienst bei taz.de. Kartoffeldruck, Print und Online seit 1997.
Mehr zum Thema

5 Kommentare

 / 
  • W
    Wir

    Merkel in die Stasi-Akte spucken; Merkel soll ihre Spotzelberichte ÖFFENTLICH! vorlesen;

    Die Stasi-CDUler sollen ihre Schnüffelberichte ÖFFENTLICH vortragen und ihren Daten-Éxhibitionismus sofort stoppen; wenn die das nicht machen, machen wir das!

  • G
    gerstenmeyer

    Teile der Menschheit haben mühselig gelernt, jemanden mit anderer Meinung und anderen Vorlieben nicht einfach niederzukartätschen

    ---------------------------

    diese teile sind aber nicht bei uns,oder?die realität sieht hier anders aus

  • Merkel in die Mütze spucken? Bin dabei!

  • PH
    Peter Haller

    @BASTLER4711

    Du hast sicherlich einen Grund, dich mit 4711 zu besprühen !!

    Welches Balg bist du ???

  • B
    Bastler4711

    "Bloß nicht zuschlagen. Aber auch den Frust nicht in sich reinfressen."

     

    Überraschend, dass die angeblich Friedensbewegten solche Schwierigkeiten haben, mal die Fäuste in den Taschen zu lassen.

    Für viele ist das normal, Links will dafür noch gelobt werden.

     

    Aber so sind sie, diese verwöhnten hochgeborenen Beamtenbälger; linksdoof marschiert.