Kolumne Darum: An Kindern werdet ihr scheitern

Google macht sich in unseren Haushalten breit. Die Aufregung ist groß – und übertrieben. Der Netzkonzern kennt seine wahren Gegner nicht.

Mal sehen, wieviel Wasser es trinken kann: „Mother data monitoring system“. Bild: dpa

Kinder sind unberechenbar. Schickt man eines um neun ins Bett und vertraut auf die eigene Autorität, ist – wenn man nicht kontrolliert – das Licht um elf immer noch an. Das andere Kind freut sich derweil tagelang auf ein bestimmtes Fußballspiel, redet über nichts anderes mehr und schläft dann 18 Minuten nach dem Anpfiff einfach auf dem Sofa ein.

Google, dieser Netzkonzern mit dem lustigen Kindernamen, will sich in unseren Haushalten breitmachen. Ein Hersteller digitaler Thermostate und Rauchmelder mit dem Namen Nest, noch so ein Kinderwort, wurde im Januar gekauft; Google erhofft sich davon einen leichteren Weg in die Wohnungen. Schneller als ein Thermostat geregelt ist, war der Argwohn da. Wird es bald „Google Bed View“ geben? Bleibt diesem Unternehmen denn nichts aus unserem Leben verborgen?

Andere sind von den potenziellen Annehmlichkeiten des digitalen Haushalts begeistert. Schon aus dem Auto das Wohnzimmer vorheizen, ein Kühlschrank, der selbst Lebensmittel nachbestellt, und ein Staubsaugerroboter, der von selbst tätig wird. Alles sehr praktisch. Optimisten wie Pessimisten aber machen in ihren waghalsigen Ausblicken einen großen Fehler: Sie gehen offensichtlich von kinderlosen Haushalten aus.

Wer ein Kind hat oder auch mehrere, weiß, dass sich jeglicher Ausblick auf einen Hightech-Haushalt von selbst verbietet. Denn alles wird ganz anderes kommen. Da ist ein Sohn, der die Heizung ausmacht, wenn er im Zimmer ist, weil er dann „so schön friert“. Verlässt er die Wohnung, dreht er den Regler schnell noch auf die höchste Stufe.

„Intelligente Zahnbürsten“

Jeder selbst nachbestellende Kühlschrank kommt da an seine Grenzen, wo Kinder etwas herausnehmen, es nicht vollständig verbrauchen und dann vergessen, es wieder hereinzustellen. Oder etwas reinstellen, was nicht so einfach nachbestellt werden kann. Unser Tiefkühlschrank wurde jüngst, als es schneite, mit Schneebällen gefüllt, damit „auch im Sommer noch welche da sind“. So, Google, dann bestell mal bitte im Juli nach!

„Intelligente Zahnbürsten“ sollen weniger intelligente Benutzer darauf hinweisen, dass bestimmte Zähne nicht oder nur schlecht geputzt wurden. Was aber, wenn die Zahnbürste benutzt wird, um ein Playmobil-Schwimmbecken zu reinigen? Ein sogenanntes Mother data monitoring system soll alle Familienangehörigen daran erinnern, immer genügend Wasser zu trinken. Das Ding sieht aus wie ein Quietschtier für die Badewanne. Eines der Kinder wird sich bald fragen, wie viel Wasser „Mother“ denn selbst trinken kann.

„Wir wissen, wann Sie zu Hause sind“, prahlt Nest-Gründer Tony Fadell in einem Interview. Ja, und? Über das Leben mit Kindern weiß Nest nichts und Google noch weniger. Vor einigen Jahren planten wir mit unserer damals sehr kleinen Tochter und dem noch kleineren Sohn einen Urlaub auf Kreta.

„Und wann fahren wir nach Hänsel?“, fragte die Dreieinhalbjährige. Wir verstanden diese Frage nicht und baten um eine Erklärung. „Na, wir fahren doch auch nach Gretel.“ Bis heute kennt die Autocomplete-Funktion im Suchfeld von Google keinen Hänsel, wenn man nach Kreta sucht.

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Jahrgang 1969, Leitender Redakteur des Amnesty Journals. War zwischen 2010 und 2020 Chef vom Dienst bei taz.de. Kartoffeldruck, Print und Online seit 1997.

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