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Kolumne Bitches in Baku #6Indezent und dabei gut aussehen

Was bei uns die Busenfreundin, ist in Aserbaidschan der All-Time-Buddy: In Baku empört sich niemand, dass an der Kaspischen Corniche fast nur Männer tanzen – miteinander.

Alles All-Time-Buddys. In Baku versammeln sich Männer eben gerne mit Männern. Bild: dapd

H uman Rights Watch hat einen schön übersichtlichen Stadtführer für Eurovisionstouristen in Baku aufgelegt. Eingezeichnet sind in diese Karte alle politisch für die Menschenrechtsfragen wichtigen Punkte der Stadt. Wo es einen Überfall gab; wo ein Aktivist einfach verschwand; wo es lohnt, hinzugehen und innezuhalten. Irritierend nur, dass NGOs wie Human Rights Watch Beobachter in der aserbaidschanischen Hauptstadt präsent haben, dass sie ein- und ausfliegen können, nach Belieben sozusagen.

Man könnte formulieren: Dass in Deutschland inzwischen alle aufgeklärte Welt weiß, dass der Eurovision Song Contest irgendwie zelebriert werden darf - aber bitte in Baku nur in stimmungsgefrosteter Laune -, weil die politischen Dinge alle so schlimm sind, liegt eben auch daran, dass aus diesem Land an der Naht zum Iran ziemlich frei und offenherzig berichtet werden.

Sogar das westliche Gerücht, dass in Aserbaidschan Schwule – von Lesben ist nie die Rede – drakonisch unterdrückt werden, darf als Gräuelpropaganda von, nennen wir sie: Menchenrechtisten genommen werden. Homosexualität ist nicht nur nicht strafbar, sondern es hat, im Gegensatz zu Serbien, Russland oder der Ukraine, gegen Homosexuelle auch hier nie nationalistische Flashmobs gegeben. Aserbaidschan, sagen einem Homosexuelle aller Geschlechter, sei nicht so das Land wie Deutschland oder die Niederlande mit ihren CSDs – aber was nicht sei, werde irgendwann auch kommen können.

Bild: taz
Jan Feddersen

Redakteur für besondere Aufgaben der taz. Jahrgang 1957, schreibt als Journalist und Buchautor („Wunder gibt es immer wieder“) über den ESC seit 1989. Er bloggt auch auf eurovision.de für die ARD.

Andererseits ist es in Baku so, dass man es für einen schwulen Catwalk halten könnte. In der Fußgängerzone flanieren Männer, immer einen Buddy dabei; legen einander die Arme über die Schulter, haken sich an den Armen ein. Selten sieht man Frauenpaare, aber auch diese gehen zu zweit. Gehen Liebespaare spazieren? Was hat es in der Geschlechterordnung am Kaspischen Meer zu bedeuten, dass die Frauen die höchsten Stöckel in Pink, Lackblau, Pfirsich oder Johannisbeerdunkel zu tragen imstande sind, die ich jemals irgendwo in der Welt gesehen habe?

Phantastisch aufgetakelt

Weshalb sehen diese aserbaidschanischen Frauen so phantastisch aufgetakelt aus – von gar nicht so seltenen Exemplaren abgesehen, die schwerste Selbstverstümmelungen mit Botox oder Lippeneinspritzungen hinter sich haben. Übel das, vor allem ästhetisch! Dabei sehen die hochhackigen Frauen, gerade weil sie so mehr gespachtelt als geschminkt sind, immer etwas transig übergrell aus. Egal – es ist hübsch indezent!

Baku in meinem Blick, das sind Männer, die irgendwie ziemlich türkisch aussehen, aber ethnisch scheint in allen eine gewisse sowjetische Bauernschädeligkeit mit eingewoben zu sein. Manche der Kerle, die da in Baku zu zweit nachts rauf und runter flanieren, sehen aus wie aufgepumpte Bodyguards mit höchsten narzisstischen Anteilen, was die Muskulatur, die Neigung zum hautengen T-Shirt und zur Jeans mit eingebauten Gemächtbeulen anbetrifft. Ein Ethnologe erklärt mir, nein, das seien keine schwulen Paare, in muslimischen Communities sei es jedoch so, dass ein Junge einen anderen Jungen für's Leben brauche, einen All-Time-Buddy, also das, was bei uns unter Frauen als Busenfreundin bekannt ist. Die Person für die allerletzten Geheimnisse, zum Schutz und für das Wohlbefinden.

Schwule Paare sind sozusagen nicht vorgesehen – Buddies sind Buddies, und Liebespaare gehen nicht so einträchtig-konfliktarm durch die Welt. Es gibt sogar Genderaktivisten in Baku, und sie sagen einem, dass kein ESC-Fan in Gefahr sei, als schwuler Mann körperlich bedroht zu werden. Im Euro-Club, dem Fandiscozentrum dieser Tage am Bulvar, der Corniche am Kaspischen Meer, sind viele Hunderte zu Gast, auch Azeris – und niemand empört, dass da recht eigentlich zu 80 Prozent Männer tanzen, ersichtlich miteinander.

Aserbaidschan ist, mit anderen Worten, nicht Nordkorea, dann wäre es so totalitär wie dieses sozialistische Land, würde es sich anfühlen wie Iran gleich in der Nachbarschaft, wäre hier diese Freundlichkeit, diese absolut reizende Kontaktfreude von Aseris mit Ausländern wie wir, nicht denkbar.

Das Land namens Aserbaidschan mag ja menschenrechtlich nicht so prima aufgestellt sein. Was man jedoch spürt, ist diese teils rührende Freude, dass dieser Flecken Erde durch 12.000 ESC-Touristen tüchtig durchgeweht wird. „Wir sind stolz, dass wir so ein Spektakel ausrichten können und gut aussehen“, sagt die Tochter einer Kioskbetreiberin in der Altstadt, die ihr Deutsch in Jena gelernt hat.

Menschenrechtsskandale, wie sie FDP-Mann Markus Löning als Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung öffentlich angeprangert hat, gibt es. Viele hier werden den Verdacht nicht los, dass es einerseits stimmt, was er mitteilte. Und andererseits auch eine Spaßbremse sondergleichen ist.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
Jan Feddersen
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Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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7 Kommentare

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  • G
    Grammatiknazi

    ganz schön schlampig, Herr Feddersen, dem 2. Absatz fehlt das Prädikat, sollte wohl "berichtet werden kann" heissen und wenn ich Ausdrücke wie "mit Ausländern wie wir" lese, rollen sich mir die - nicht johannisbeerdunklen - Fussnägel hoch. "Wie" als vergleichendes Fürwort zieht natürlich den gleichen Kasus nach, also "mit Ausländern wie uns", Dativ. Klingt doch gleich viel angenehmer.

    Den Inhalt möchte ich lieber nicht kommentieren, hab' in der TAZ selten so was Borniertes, subtil Rassistisches und Sexistisches gelesen.

  • V
    vulkansturm

    Man muss die gesellschaftliche Schizophrenie solcher Länder verstehen. Die Frauen sollen ja bis zur Ehe möglichst Jungfrauen bleiben. Daher gibt es defacto mehr schwulen Sex als in westlichen Ländern. Nur darf man um Gottes Willen nicht darüber reden oder gar nach aussen hin sich als schwul offenbaren. Dann trifft einen der geballte gesellschaftliche Hass. Solange alles heimlich geschieht, kümmerts jedoch keinen.

     

    Etwas daneben finde ich die Kritik an dem Menschenrechtsbeauftagten. Der erfüllt nur seine Pflicht. Journalisten sollte jedoch in der Lage sein, differenzierter zu berichten. Da gibt es eben nicht nur schwarz und weiss, sondern auch viele Grautöne. Und Azerbaidschan ist mit Sicherheit nicht so schlimm wie das Nachbarland Iran, in dem Homosexuelle hingerichtet werden.

  • AS
    Andreas Sasse

    Lieber Herr Feddersen,

     

    es freut mich das Sie sich an Ihrem Aufenthalt in Baku erfreuen. Leider erinnert mich Ihr Bericht an etwas dunkles aus der Geschichte Deutschlands: Theresienstadt! Die Nationalsozialisten machten dieses KZ aus Propagandazwecken und zur Täuschung der internationalen Öffentlichkeit über den Charakter von Konzentrationslagern für einige Monate zu einem Vorzeigelager. Sicher der Vergleich hinkt - getrommelt und gepriesen sei es - aber er drängt sich mir auf.

    Vielleicht verstehen Sie den Zusammenhang besser, wenn Sie folgende Seite besuchen: http://www.ghetto-theresienstadt.de/pages/i/irk.htm

  • D
    Discokügel

    "Nun kann man sich entscheiden, ob man dem romantisierenden Bericht eines Touris [Feddersen] oder den Erfahrungsberichten der Schwulen aus Aserbaidschan Glauben schenken möchte." Was zu dieser "Kolumne" gesagt werden muss, hat Patsy l'Amour laLove in ihrem Blog geschrieben: http://patsy.blogsport.de/2012/05/20/spassbremsen-und-esc-baku/

  • F
    Facepalm

    Vorweg: Ich weiß leider auch nicht, wie ausgerechnet ein unmusikalisches Verblödungsspektakel in ausgerechnet Aserbeidschan ausgerechnet Menschenrechtsprobleme bessern soll.

     

    Dennoch: Von Jan Feddersen lese ich endgültig nichts mehr. Wenn es auch sicherlich faszinierend ist, mit welcher einfältigen Naivität man rassistischen und generell bornierten Fließtext für eine Kolumne in einer im Prinzip noch angesehenen Tageszeitung ausgeben kann.

     

    Zero Points.

  • K
    kth

    Das ist schon beeindruckend viel Dummheit, Ignoranz und Menschenverachtung, die aus diesen Zeilen spricht. Ich bin ein bisschen fassungslos, dass die taz so etwas unter ihrem Titel veröffentlicht.

  • RB
    Ralf Becker

    > In der Fußgängerzone flanieren Männer, immer

    > einen Buddy dabei; legen einander die Arme

    > über die Schulter, haken sich an den Armen ein.

     

    Dann sprechen Sie mal zwei solche Typen an, ob sie nicht doch ein wenig schwul seien. Wir kommen Sie dann auch im Krankenhaus besuchen.