Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Südstaaten-Kitsch und die Abgründe
Die Geschichte der großen Plantagen an der „Deutschen Küste“ des Mississippi lässt sich völlig unterschiedlich erzählen.
V on New Orleans bis Baton Rouge säumen historische Plantagen und stattlichen Herrenhäuser den Mississippi an der „German Coast“ – der „Deutschen Küste“. Hier lebt das „Vom-Winde-verweht-Feeling“ auf. Etwa im Houmas House. Der spinnerte Besitzer Kevin Kelly hat viel Geld mit Immobilien gemacht. Nun betreibt er ein Luxushotel samt Museum, das ihm, und nur ihm und seiner Leidenschaft für Antiquitäten und Reichtum, gewidmet ist. Seine Vorbilder: Trump und der Bayernkönig Ludwig II.
So sieht es denn auch aus: überladener Südstaaten-Kitsch mit überteuerten Einsprengseln aus aller Welt, etwa einer Uhr, die Marie Antoinette gehört haben soll. Kevin Kelly spielt – immer im Gefolge seiner Hunde, zweier bulliger Labradore– die Geschichte des reichen weißen Südstaatlers.
Aber die Geschichte der amerikanischen Südstaaten ist auch die Geschichte brutaler Sklaverei. Diese erzählt die Whitney-Plantage. John Cummings, ein pensionierter Rechtsanwalt aus New Orleans, kaufte das Land der Whitney und schuf teils mit den vorhandenen Gebäuden, aber auch mit Spenden von den umliegenden Plantagen ein Freilichtmuseum. Im Mittelpunkt steht das Leben der bei Weitem überwiegenden Zahl der Menschen, die auf diesen Plantagen gelebt haben – der Sklaven.
Reichtum und Barberei
Fünf zu eins betrug das Verhältnis versklavter Schwarzer zu den weißen Bewohnern der Zuckerrohrplantagen an der Great River Road. Während die Herren, französischer, englischer oder deutscher Abstammung, steinreich wurden, hatte die Sklaven noch eine Lebenserwartung von acht Jahren, wenn sie in sie zur Zwangsarbeit auf einer Zuckerrohrplantage eingesetzt wurden.
Die Besucher der Whitney Plantage erfahren von den drakonischen Strafen, die für Vergehen aller Arten verhängt wurden, und davon, dass alle anderen Sklaven zuschauen mussten, wenn die Delinquenten – grundsätzlich nackt – ausgepeitscht oder gebrandmarkt wurden. Für den Museumsbetrieb finden sich heute neben den rohen Holzhütten der Sklaven und dem Herrenhaus auch eine kleine, von freien Sklaven nach dem Bürgerkrieg erbaute Baptistenkirche und ein metallener Gefängnisblock – der unter der Sonne Louisianas eine Art Backofen gewesen sein muss. Auf der „Wall of Honor“ sind die Namen von 2.200 Kindern eingraviert, die auf der Whitney-Plantage und in der angrenzenden Gemeinde zu Tode gekommen sind.
Über die Plantage verstreut stehen 40 Skulpturen des Bildhauers Woodrow Nash, die die schwarzen Kinder der Whitney darstellen. Stumme Zeugen der Vergangenheit, deren Geschichte gerne ausgeblendet wird. Touristen lieben die süßliche Präsentation des Südstaaten -Reichtums an den Ufern des Mississippi.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Vorschläge für bessere Schulen
Mehr Führerschein wagen