Kohlegegnerin über Aktivisten in U-Haft: „Im Gefängnis für den Klimaschutz“
Nach einer Baggerbesetzung in Ostdeutschland sind noch fünf Personen im Untersuchungshaft. Eine Aktivistin von „Ende Gelände“ kennt den Stand der Dinge.
taz: Frau Mahlhaus, eine knappe Woche nach den Kohlebaggerbesetzungen in der Lausitz und südlich von Leipzig dauert das juristische Nachspiel an. Haben Sie zu viel riskiert?
Nike Mahlhaus: In Schleenhain bei Leipzig sind ein Dutzend Aktivist*innen wieder freigekommen. Aber in Cottbus sitzen weiterhin fünf von uns in Untersuchungshaft, obwohl bei zwei von ihnen die Personalien schon bekannt sind. Wir sind von den Repressionen auch überrascht, lassen uns aber nicht einschüchtern.
Ihr juristischer Berater Christian Ströbele von den Grünen bezweifelt, dass es sich bei der Baggerbesetzung um Hausfriedensbruch handelt, und damit die Verhältnismäßigkeit der Strafverfolgung.
Die Tagebaue sind nicht abgesperrt, deshalb ist der Vorwurf haltlos. Wir haben das 2016 nach unserer Aktion schon gerichtlich bestätigt bekommen. Hier sitzen Leute eine ganze Woche im Gefängnis, weil sie sich für Klimaschutz einsetzen!
Welche Veränderungen gegenüber vergleichbaren früheren Aktionen beobachtet Ihr?
So scharf waren die Reaktionen der Behörden bislang noch nie. Hier soll ein Exempel statuiert werden. Das Ergebnis der Kohlekommission soll als Kompromiss etabliert werden. Außerdem soll in Brandenburg bald ein neues Polizeigesetz kommen. Wir glauben, dass wir eingeschüchtert werden sollen, damit wir künftig keinen zivilen Ungehorsam mehr demonstrieren. Aber wir stehen als ganze Bewegung solidarisch zusammen – jetzt erst recht!
Hat die aktuelle Aktion in Potsdam vor dem Büro der Linken-Landtagsabgeordneten Anita Tack etwas mit der Polizeigesetznovelle zu tun?
Wir wundern uns darüber, dass die Justiz in einem rot-rot-regierten Bundesland mit einem linken Justizminister so gegen uns arbeitet und unsere Aktionen kriminalisiert. Das Plakat vor dem Büro von Frau Tack „Klimaschutz ist kein Verbrechen“ soll die Linke zu einer Positionierung herausfordern, und das hat auch funktioniert.
Was erwartet Ihr für die kommenden Tage? Der Haftbefehl gegen die Aktivisten ist ja bis zum 4. April in Kraft.
Zwei Menschen haben ihre Personalien angegeben und warten jetzt darauf, dass sie das Gefängnis endlich verlassen dürfen. Das wird vom Cottbuser Amtsgericht aber in die Länge gezogen – pure Schikane. Die drei anderen Inhaftierten wollen weiterhin ihre Personalien nicht angeben. Vor einem Gericht, das so offenkundig im Sinne des Kohle-Konzerns LEAG agiert, wollen sie sich nicht verantworten müssen. Das bedeutet wahrscheinlich: Die Drei müssen das Wochenende im Gefängnis verbringen. Die Untersuchungshaft ist bis zum Prozesstermin angeordnet. Der muss jetzt schnell angesetzt werden. Die Gefangenen sind Klima-Held*innen und gehören freigesprochen!
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