Kölner „Tatort“ über Wohnungslosigkeit: Vielschichtig, stark, unübersehbar
Ein „Tatort“, der ausnahmsweise seinem Anspruch gerecht wird. „Wir alle anderen auch“ erzählt zart und brutal vom Leben von Frauen ohne Wohnsitz.
Es ist selten geworden, dass Tatort-Folgen jenem Anspruch gerecht werden, mit dem die Sonntagabendkrimireihe so gerne etikettiert wird: gesellschaftliche Realitäten spiegeln. Vielleicht sogar für Themen, Menschen, Ungerechtigkeiten sensibilisieren, die anderweitig in Dokus abgefrühstückt werden, die kaum jemand guckt. Meist wird dieser Anspruch nur noch als Ritual erfüllt, ohne Substanz.
Mit der neuen Kölner Folge „Wie alle anderen auch“ gelingt diese Seltenheit derart zart, direkt, realitätsbrutal, dass es einen umhaut: Es ist die Geschichte über Ella Jung, Monika Keller, Katja Fischer, Gertrud Tauenziehn und Regine Weigand. Frauen, die in Köln auf der Straße leben, in ihrem Auto, oder Angst haben, morgen, übermorgen, nächsten Monat ihr Dach über dem Kopf zu verlieren. Die vor der Gewalt ihres Mannes geflohen sind, schon länger keinen Job mehr haben oder gerade noch so. Die ein bisschen Geld verdienen, indem sie Obdachlosenzeitungen verkaufen oder bei einem Hilfeverein die Buchhaltung machen.
Der Köln-„Tatort“ „Wie alle anderen auch“ läuft am Sonntag, den 21. März um 20.15 Uhr im Ersten – sowie in der Mediathek
Autor Jürgen Werner (dessen Dortmunder Tatort „Monster“ schon sagenhaft war) und Regisseurin Nina Wolfrum („Niemals ohne mich“ von genau vor einem Jahr taugt als Beschlussgrundlage, nur noch ihre Köln-Folgen anzuschauen) erzählen, was passiert, als eine der Frauen eines Morgens verbrannt in ihrem Schlafsack draußen an einer dieser Beton-Parkplatz-Strecken liegt. Und was sie erzählen, sucht seinesgleichen.
Nicht nur, dass die Frauen allesamt Nachnamen bekommen sondern auch so viel Raum, dass sie und ihre Leben vielschichtig, stark, unübersehbar mitten in diesem Film stehen. Ballauf (Klaus J. Behrendt), Schenk (Dietmar Bär) und Jütte (Roland Riebeling) ermitteln sich tastend vorwärts, hängen zwischen Fassungslosigkeit und Empathie, je weiter sich die Lebenshärten auffächern. Sie spiegeln unseren Blick, die wir bequem auf eigenen Sofas sitzen.
Dass nun, ein Jahr in die Pandemie, überall Existenzen ins Prekäre rutschen und damit die Fragen drängender werden, was ist, wenn wir die Miete nicht mehr zahlen können, den Strom, das Mobiltelefon, das Brot und die Butter, ist der stille Soundtrack dieses Films. Daher umso eindringlicher. Wir müssen alle besser hinschauen, so wie es uns die Kamera (Katharina Diessner) in den letzten anderthalb Minuten des Films vormacht.
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