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Koalitionsstreit um Lieferkettengesetz„Keine bürokratischen Fesseln“

Die FDP will das Lieferkettengesetz verschieben. Grüne und SPD reagieren empört: Menschenrechte und Umweltschutz seien wichtig.

Textilarbeiterinnen in Bangladesh Foto: imago

Berlin taz | Die FDP will die Einführung des Lieferkettengesetzes verschieben. Statt wie geplant kommendes Jahr solle es erst 2024 in Kraft treten, um Unternehmen in der aktuellen Krise zu entlasten und ihnen „keine zusätzlichen bürokratischen Fesseln“ aufzulegen, sagte Johannes Vogel, der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion im Bundestag, der Nachrichtenagentur dpa.

Das Lieferkettengesetz legt sogenannte Sorgfaltspflichten für größere Unternehmen fest. Diese müssen vorweisen, dass sie sich um Menschenrechte und Umweltschutz bei ihren Zulieferern kümmern. Sie müssen zum Beispiel Risikoanalysen durchführen und Beschwerdeverfahren anbieten.

Kommen Unternehmen ihren Pflichten nicht nach, können Gewerkschaften oder Nichtregierungsorganisationen sie vor deutschen Gerichten verklagen. Das Gesetz wurde im Sommer 2021 beschlossen und tritt zum 1. Januar 2023 in Kraft.

„Der Vorschlag ist völlig deplatziert“, sagt der umweltpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Jan-Niclas Gesenhues, zur taz. Bei den Grünen prüfe man gerade, was helfen könne, um Unternehmen zu entlasten. Aber eine Verschiebung des Lieferkettengesetzes auf Kosten von Menschenrechten und Umweltschutz sei nicht sinnvoll, so Gesenhues.

„FDP führt Scheindebatte“

So sehen das auch die Sozialdemokraten. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Dagmar Schmidt sagt der taz: „Mit der Forderung nach einer Verschiebung des Lieferkettengesetzes führt die FDP eine Scheindebatte. Menschenrechte sind keine Belastungen und eine Verschiebung auf den 1. Januar 2024 wird es mit uns deshalb nicht geben.“

Stattdessen solle die FDP die Finanzierung des Energiedämpfungsprogramms zusagen, um Unternehmen zu entlasten, fordern Gesenhues und Schmidt unisono. Derzeit ringt FDP-Finanzminister Christian Lindner noch mit der Zusage und hält an der Schuldenbremse fest.

Eine Verschiebung würde zudem Chaos auslösen und wäre eine Verschwendung von Steuergeldern und Ressourcen, sagt Gesenhues weiter. „Die Unternehmen und Behörden haben sich bereits auf das Gesetz vorbereitet. Sie haben entsprechende Prozesse eingeführt und Personal angestellt.“

Vogel hält dagegen, die für die Umsetzung des Lieferkettengesetzes zuständige Behörde, das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) habe „derzeit nicht das notwendige Personal und sollte sich auf die Wirtschaftshilfen und die Rüstungsexporte für die Ukraine konzentrieren“.

Das BAFA sagt dazu, derzeit „laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren“ und das Gesetz wird ab 1. Januar umgesetzt. Einstellungsverfahren von 57 zusätzlichen Stellen „verlaufen planmäßig“.

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5 Kommentare

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  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    „keine zusätzlichen bürokratischen Fesseln“



    Das war schon der Grund dafür, dass wir in Zustände kamen, denen durch das Lieferkettengesetz entgegen gewirkt werden soll. Immer das Gleiche.

  • Wird die Welt gerechter durch das Lieferkettengesetz? Ich denke "kaum messbar".



    Werden die Produkte teurer durch das Lieferkettengesetz: Ja!



    Wird die Bürokratie größer: Ja, ganz bestimmt sogar.

    Ich bin für mehr Gerechtigkeit in den Produktionsländern, aber dafür reicht das Lieferkettengesetz nicht aus.

  • Das Gesetz ist wurmstichig. Betriebe, die sch selbst überprüfen sollen!? ... finden nix.

    Der Ansatz ist richtig. Das Gesetz muss daher dahingehend geändert werden, dass der Staat prüft. Die Betriebe werden dann schon liefern.

    Be den Befürwortern des faulen Gesetzes geht es nur noch um das recht haben.

  • Wie schon so oft gesagt: Die FDP braucht eine Pause.



    Ab auf die Reservebank.

  • Ja klar- wegen Krise durch Krieg macht "die Wirtschaft" Mimi. Wenn die MENSCHEN Mimi machen, weil es keinen Quadratmeter Moor mehr gibt, um das Kima zu retten tut man NICHTS ausser die Preise steigen zu lassen.