Europäisches Lieferkettengesetz: Waffenexporteure nicht erfasst

Geht es nach den Mitgliedsstaaten, wird das geplante EU-Lieferkettengesetz weniger Unternehmen umfassen. Es wird deutlich entschärft.

Flaggen der EU-Staaten vor dem Parlament in Straßburg.

Viele verschiedene Interessen in Sachen Lieferkettengesetz: Flaggen der EU-Staaten in Straßburg Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

BRÜSSEL taz | Das europäische Lieferkettengesetz soll weniger scharf werden. Dies geht aus der gemeinsamen Position hervor, mit der die 27 EU-Staaten in die abschließenden Verhandlungen mit dem Europaparlament gehen wollen. Am Donnerstag stellten sie diese in Brüssel vor.

Das europäische Lieferkettengesetz soll Unternehmen in die Pflicht nehmen, in ihrer Wertschöpfungskette darauf zu achten, dass etwa Menschenrechte und ökologische Standards eingehalten werden. Laut der grundsätzlichen Einigung sollen die Regeln nun zunächst nur für sehr große Firmen mit mehr als 1.000 Angestellten und einem weltweiten Jahresumsatz von 300 Millionen Euro gelten. Der ursprüngliche Plan der EU-Kommission sah eine Schwelle von 500 Beschäftigten bei einem Jahresumsatz von 150 Millionen Euro vor.

Für Finanzdienstleistungen sind nur sehr eingeschränkte Sorgfaltspflichten vorgesehen. Die Mitgliedstaaten können sogar darauf verzichten, sie konkret zu regulieren. Außerdem müssten sich Exporteure nicht mit der Verwendung ihrer Produkte beschäftigen. Zudem wird die Tiefe der Lieferketten eingeschränkt.

So sollen nur noch vorgelagerte Produk­tionsschritte sowie das Recycling und Abfallmanagement von Produkten erfasst werden, wie der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken kritisiert. Die letztlich entscheidende Pflicht, zu prüfen, ob die eigenen Produkte menschenrechts- und umweltschutzkonform eingesetzt werden, falle damit weg.

Finanzsektor ausgeklammert

Die Verhandlungsführerin der Grünen im Handelsausschuss, Anna Cavazzini, erklärte, die französische Regierung habe dafür gesorgt, dass der Finanzsektor weitgehend ausgeklammert bleibe. Das sei „skandalös und nicht nachvollziehbar“. Der Finanzsektor habe eine enorme Lenkungswirkung und müsse daher in das Lieferkettengesetz einbezogen werden.

In Tschechien wertete man den Kompromiss dagegen als Erfolg. Es sei wichtig, dass Unternehmen „die Auswirkungen ihrer Tätigkeiten auf Menschenrechte und die Umwelt erkennen und verhindern“, erklärte der tschechische Industrieminister Jozef Síkela in Brüssel. Tschechien hat gerade den halbjährlich wechselnden EU-Ratsvorsitz inne.

Nach der Einigung der Staaten können die Verhandlungen mit dem Parlament beginnen. Das Endergebnis ist auch für Deutschland relevant. Denn die EU-Pläne gehen auch jetzt über das deutsche Sorgfaltspflichtengesetz hinaus. In Deutschland sind ab 1. Januar 2023 zunächst nur Unternehmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten betroffen.

NGOs unzufrieden

Die deutsche Wirtschaft warnt bereits vor möglichen Verschärfungen durch die EU. Der Zentralverband des deutschen Handwerks fordert, europäische Lieferketten von der Nachweispflicht auszunehmen. Die Betriebe müssten davon ausgehen können, dass Menschenrechts- und Umweltstandards innerhalb der EU eingehalten werden.

Aus Sicht des zivilgesellschaftlichen Bündnisses „Initiative Lieferkettengesetz“ geht der EU-Entwurf hingegen längst nicht weit genug. Der Ratsbeschluss umschiffe zwar einige Schwächen des deutschen Lieferkettengesetzes. Kurskorrektoren seien aber nötig, sagte der Sprecher des Bündnisses, Johannes Heeg. So seien Waffenexporte bisher gar nicht erfasst. Zudem müssten sich Exporteure nicht mit der Verwendung ihrer Produkte beschäftigen. Damit wären Agrarkonzerne fein raus.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.