Koalitionskrise in Sachsen-Anhalt: Das Symbol des Anstoßes
Ist die schwarze Sonne ein keltisches Zeichen, wie der CDU-Kreispolitiker Robert Möritz in Sachsen-Anhalt sagt? Eine kleine Runenlehre.
Zwölf Säulen in einem kreisförmigen Raum, zwölf Runen in einem Ornament in der Mitte des Saals. Die Runen lassen sich als übereinander gelegte Hakenkreuze deuten. Dafür spricht auch der Ort dieser seltsamen Installation: Es ist die Wewelsburg bei Paderborn, ursprünglich einmal ein Renaissance-Schloss, von SS-Führer Heinrich Himmler aber zum Versammlungsort seiner Mördertruppe erkoren. Der Saal in der Wewewlsburg trägt nicht zufällig die Bezeichnung „Obergruppenführersaal“.
Nur befindet sich das „schwarze Sonne“ genannte Hakenkreuz-Ornament nicht nur ortsfest in Himmlers nie fertig gestellter Trutzburg. Das Zeichen ist zum Symbol von Neonazis und esoterisch angehauchter Rechtsradikaler geworden. Der sachsen-anhaltische CDU-Kreispolitiker Robert Möritz trägt die „schwarze Sonne“ als Tattoo.
Möritz habe erklärt, er trage die Sonne „aus Interesse an der keltischen Mythologie“. Das sagte der Vorsitzende seines Kreisverbandes Anhalt-Bitterfeld, Matthias Egert. Diese Aussage ist Unsinn. Es gab in der keltischen Welt kein entsprechendes Symbol. Bei der „schwarzen Sonne“ handelt es sich vielmehr um ein originäres NS-Symbol, auch wenn es während der Nazi-Zeit nur wenig Verbreitung gefunden hat. Dass Neonazis und Esoteriker alle möglichen Erklärungsversuche für das Ornament liefern – von den zwölf Tafelrittern unter König Artus bis zum Konvent des Deutschritterordens – ändert daran nichts.
In der zur Gedenkstätte umgewandelten Wewelsburg muss sich die Museumsleitung immer wieder mit ungebeten Gästen aus der rechsextremen Ecke herumschlagen, die in den „Obergruppenführersaal“ streben, um der „schwarze Sonne“ zu huldigen. Diese ist in den letzten Jahren mehr und mehr zum Ersatzsymbol für das Hakenkreuz geworden, dessen Zurschaustellung in Deutschland verboten ist.
Gerade als Tattoo erfreut sich das erlaubte NS-Symbol unter Neonazis einer gewissen Beliebtheit. Manche Männer haben sich die „schwarze Sonne“ gar ins Gesicht tätowieren lassen, so wie David Köckert. Aber auch in der Esoteriker-Szene, die sich bisweilen mit den Kreisen von Neonazis überlappt, hat das Symbol an Bedeutung gewonnen. Zu behaupten, die „schwarze Sonne“ sei ein harmloses Zeichen von historisch interessierten Zeitgenossen, hat jedenfalls mit der Realität nichts zu tun.
Richtigstellung: In einer früheren Version haben wir geschrieben, dass manche Männer sich die „schwarze Sonne“ gar ins Gesicht tätowieren lassen, so wie der derzeit inhaftierte David Köckert. Diese Darstellung war falsch. Richtig ist, dass sich David Köckert zwischen Ende 2018 und dem 5.3.2019 in Untersuchungshaft befand.
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