piwik no script img

Koalitionsbildung in Schleswig-HolsteinErst Schamfrist, dann Jamaika

Die Landesregierung wird nach dem Ausschlussprinzip ermittelt: Übrig bleibt als einzige realistische Möglichkeit die Koalition von CDU, Grünen und FDP.

Die wahrscheinlichste Variante der Koalitionsbildung Foto: dpa

HAMBURG taz | Und schon beginnt sie doch, die Ausschließeritis. Einen Tag nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein stecken die vier Parteien, die für eine Regierungsbildung in Frage kommen, ihre Claims ab. Wahlsieger CDU, Wahlverlierer SPD sowie die Königsmacher Grüne und FDP lassen durchblicken, mit wem sie können, mit wem sie wollen und mit wem nicht. Am Ende des Pokers dürfte erstmals eine Jamaika-Koalition im Bundesland zwischen Nord- und Ostsee stehen.

Rein rechnerisch kämen drei Bündnisse auf eine satte Mehrheit im 73-köpfigen neuen Landtag: Eine Große Koalition aus CDU und SPD hätte 46 von 73 Sitze, das Dreierbündnis CDU, Grüne und FDP 44 Mandate und eine Ampel aus SPD, Grünen und FDP 40 Abgeordnete. Der SSW, die Partei der dänischen und friesischen Minderheit, bekräftigte am Montag, dass er nur für eine Fortsetzung der abgewählten Küstenkoalition zur Verfügung gestanden hätte. Er geht in die Opposition, die neu in den Landtag eingezogene AfD ebenfalls.

Eine Große Koalition schließt CDU-Wahlsieger Daniel Günther als „falschestes Signal“ aus: „Eine SPD, die so krachend abgewählt wurde, kann nicht in einer neuen Landesregierung sein. Die Menschen wollen einen richtigen Wechsel.“ Seine Priorität sei ganz klar Jamaika. Deshalb werde er nun Gespräch mit den Grünen und der FDP aufnehmen. „Ich bin auch sehr optimistisch, dass diese Gespräche erfolgreich sein werden.“

Die FDP schließt eine Ampelkoalition unter dem unterlegenen SPD-Ministerpräsidenten Torsten Albig praktisch aus. „Die Wahrscheinlichkeit von Ampel geht gegen null“, sagte Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki. Wahrscheinlicher sei eine Jamaika-Koalition unter CDU-Führung mit den Grünen. Mit denen und ihrem Noch-Umweltminister Robert Habeck, den er „einen politischen Kopf und tollen Typ“ nennt, habe er keine Probleme. Auch deutschlandweit könne so ein Bündnis ausstrahlen. Kubicki rät, „das flexibler zu denken als bisher“.

Eine SPD, die so krachend abgewählt wurde, kann nicht in einer neuen ­Landesregierung sein

Wahlsieger Daniel Günther (CDU)

Habeck begann am Montag bereits damit, den Preis hochzutreiben. Mit der Forderung, eine Ampel mit SPD und FDP zumindest zu sondieren, bat er um eine Schamfrist. Jamaika sieht Habeck kritisch: „Es gibt kein Politikfeld, auf dem die CDU ein verlässlicher Partner wäre: Einwanderungspolitik, Energiewende, Agrar- und Umweltpolitik.“ Allerdings würde Habeck ein solches Bündnis auch nicht an ein paar Windkraftanlagen scheitern lassen: „Das wäre ja Kinderkram.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Eine Jamaika-Koalition könnte Signalwirkung auf die NRW-Wahl und schließlich auch auf die Bundestagswahl haben und ist prinzipiell gerade mit dem Realo-Flügel der Grünen gut machbar.

    • @IL WU:

      der bei 4,5% liegt

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    "Jamaika", das neue Schwarz-Schwarz-Schwarz...

  • Habecke bekommt schon Glückwünsche zur gewonnenen Wahl über Twitter von Hardlinern aus dem Agrobusiness. Da wächst zusammen, was zusammen gehört. Gut ,daß es noch den Meyer in Niedersachsen gibt.

    • @Jandebuur:

      Quellenangaben bitte?

      • @Heinrich Baum:

        BauerHolti ,7. Mai

  • 6G
    64938 (Profil gelöscht)

    Genauso wie die FTP eine Mitregierung und einer SPD Führung ausschließen kann, könnten das auch die Grünen, wenn sie wollten.

    Warum haben sich denn alle schon so festgelegt, das Albig nicht weitermachen kann.

    Die politische Bilanz der Küstenkoalition ist doch eigentlich in Ordnung.

  • CDU, FDP und Grüne - das passt gut zusammen.

  • Ich nehme mal das Wort des Wahlsiegers von der CDU ernst; die SPD sei krachend abgewählt worden, Sie könne nicht in einer neuen Regierung sein.

     

    Dass die SPD abgewählt wurde ist richtig.

     

    Nur, auch die GRÜNEN als Teil der bisherigen Koalitionsregierung, wurden abgewählt; zwar nicht "krachend", aber verloren haben auch sie (oder haben sie Prozentpunkte bzw. Stimmen dazu gewonnen, also ihr Ergebnis von damals verbessert?). Aber sie sollen weiter regieren können?

     

    Doch wohl nur, weil es sonst nicht reicht, oder?

  • bei politik und regieren geht es doch um programme und inhalte. die grosse koalition auszuschliessen, ist von guenther ziemlich ueberheblich, da sie die einzige moeglichkeit ist. alles andere ist inhaltlich eigentlich unmoeglich und laesst die juniorpartner noch weiter schrumpfen.

    ich kann nur hoffen, dass die gruenen nicht diesen kapitalfehler machen, und sei es nur, um sich selbst zu retten.

  • Na viel Spaß - der Wähler hat da eigentlich Konstellation gewählt, die sich gegenseitig ausschließen: Ampel und Jamaika sind eigentlich Todgeburten. Die FDP und CDU teilen zu wenig mit den Grünen und die SPD teilt zu wenig mit der FDP, um eine Ampel zu ermöglichen. Ob bei diesem Wahlergebnis wirklich die SPD abgewählt wurde, da wäre ich mir gar nicht mehr so sicher, deutet das Ergebnis doch eher in eine sonderbare Richtung. Um überhaupt eine Regierung bilden zu können, werden extreme Kompromisse vonnöten sein. Und die erzeugen eher Ratlosigkeit bei den Wählern, weil kein CDU-Wähler sich mit den Grünen wirklich verbrüdern will, kein SPD-Wähler will eigentlich die FDP mit Ressorts bedenken und die AfD will eigentlich einen Rechtsruck auslösen und nicht die Grünen und die FDP aufwerten. Außerdem geht jede Partei in diesen Konstellationen ein großes Risiko ein. Die Grünen sind im Saarland schon mal gescheitert. Es kann gut sein, dass hier eine Regierung gebildet wird, um recht bald neu wählen zu lassen, was die Wähler nervt, aber die Chancen, die AfD in einem oder zwei Jahren los zu werden, stehen nicht schlecht, dann ändert sich sofort die Konstellation im Landtag. FDP und Grüne gedeihen in Koalition mit der CDU und SPD eher auch nicht - auch das macht nochmalige Wahlen in zwei oder drei Jahren ziemlich attraktiv.

    • @Andreas_2020:

      Nur Schwarz-Rot hat eine ernsthafte Basis ...