Klimawandel in Berlin: Landeseigen schwitzen
Berlins kommunale Wohnungsunternehmen haben trotz zunehmender Extremtemperaturen kaum Konzepte für einen effektiven Hitzeschutz in ihrem Bestand.
Davon abgesehen, so die Gesobau weiter, richten sich alle Hitzeschutzmaßnahmen für Mieter:innen „grundsätzlich nach gesetzlichen Anforderungen und geltenden Verordnungen“. Welche Maßnahmen konkret umgesetzt werden, verrät das Unternehmen nicht.
Genau das wollte die Grünen-Abgeordnete Katrin Schmidberger über eine Anfrage an den Senat eigentlich in Erfahrung bringen. Obwohl die Gesobau in puncto Unambitioniertheit heraussticht: Auch die Antworten, die die Verwaltung von Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) bei den anderen sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen zum Hitzeschutz in deren Beständen einholte, sind zum Teil mehr als dürftig.
Die Gewobag etwa verweist mit Blick auf ihre 74.000 Wohnungen unverbindlich auf „notwendige energetische Sanierungen“ im Bestand. Die Stadt und Land Wohnbauten-Gesellschaft mit ihren 50.000 eigenen Wohnungen teilt sogar ganz offen mit, dass sie gar „keine explizite Strategie zur Verbesserung des Hitzeschutzes“ verfolge.
Keine Daten, keine Ahnung
Dabei nehmen im Zuge des Klimawandels die Hitzewellen zu. Für Mittwoch werden in Berlin bis zu 38 Grad erwartet. Wie jüngst eine auf die Hauptstadt bezogene Datenanalyse der taz bestätigt hat, leben nicht zuletzt Menschen mit geringem Einkommen beziehungsweise Grundsicherung in hitzebelasteten Vierteln mit besonders heißen Tagen und Nächten, in denen es kaum abkühlt – auch in den Wohnungen nicht.
Auffällig ist, dass die landeseigenen Wohnungsunternehmen und damit auch der Senat in dieser Hinsicht nicht mal einen Überblick haben über die Dimension des Problems. Lediglich die Degewo gibt an, dass gut 5.400 Wohnungen und damit rund 7 Prozent ihres Gesamtbestands als hitzebelastet gelten.
Alle anderen Unternehmen „erheben dazu in der Regel keine wohnungsgenauen Daten“, so die Stadtentwicklungsverwaltung. Gleiches gilt für Beschwerden von Mieter:innen zum Thema Hitzeüberlastung. Auch hier: keine Erfassung.
Ein Unding, findet Katrin Schmidberger. Angesichts des Umstands, dass insbesondere einkommensschwache Haushalte in ihren Wohnungen der Hitze hilflos ausgeliefert seien, gehe es nicht an, „hier nach dem Motto zu agieren: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“, sagt die Sprecherin für Mieten und Wohnen der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus zur taz.
Andererseits sei es dann natürlich auch nicht verwunderlich, dass es „keine systematischen Strategien“ gebe, wie der Hitzebelastung entgegengewirkt werden kann.
Kaum Rechtschutz für Mieter:innen
Hinzu kommt: Betroffene Mieter:innen können an der Stelle wenig machen. „Wir haben keine Rechtsprechung zur Hitzebelastung als Mangelgrund, um Mietminderungen geltend zu machen“, sagt Frank Maciejewski vom Berliner Mieterverein zur taz.
Der Rechtsexperte bestätigt, dass seinen Verband immer wieder entsprechende Anfragen von Mieter:innen erreichen. Nur gebe es eben bislang keinerlei Anspruch auf Maßnahmen zum Hitzeschutz, sagt Maciejewski.
Umso wichtiger wäre es, dass das Land Berlin wenigstens seine eigenen Wohnungsunternehmen zum Handeln antreibt. Wovon wenig zu spüren ist. Stattdessen verweist der Senat darauf, „im Juni 2024 den Startschuss für die Bearbeitung eines landesweiten Hitzeaktionsplans gegeben“ zu haben – auf deren Fertigstellung Berlin allerdings nach wie vor wartet. Ziel sei es, den Plan „noch im Jahr 2025 zu verabschieden“, heißt es.
Ansonsten hält sich die schwarz-rote Landesregierung zugute, „bereits verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung des Hitzeschutzes initiiert zu haben“, die sie „zukünftig vertiefen“ möchte. Ins Detail geht sie nicht.
Interessierte könnten sich ja auf der – auch von der Gesobau ihren Mieter:innen anempfohlenen – Homepage zur Kampagne „Bärenhitze“ informieren. Die wartet unter anderem mit Ernährungstipps auf. „Vielen Dank“, sagt Katrin Schmidberger, „das bringt Mieter:innen in hitzebelasteten Wohnungen ja richtig was“.
Fördergelder bleiben liegen
Schmidberger fordert deutlich mehr vom Senat: mehr Tempo, mehr Verbindlichkeit, auch mehr Geld. Zwar gebe es beispielsweise das Landesprogramm „Gründach Plus“ mit einem jährlichen Fördervolumen von 900.000 Euro.
Allerdings werden die Gelder für Dach- und Fassadenbegrünungen an Bestandsgebäuden kaum in Anspruch genommen. Seit 2023 wurden hier gerade mal 370.000 Euro abgerufen. So kommt das Land Berlin nicht auf einen grünen Zweig, sagt Schmidberger: „Das Programm muss endlich stärker genutzt und ausgebaut werden.“
Eine weitere Möglichkeit sieht die Mietenexpertin in der Installation außenliegender Jalousien oder Lamellensysteme an besonders belasteten Hausseiten. „Die sind eine der effektivsten passiven Maßnahmen zum sommerlichen Wärmeschutz.“ Studien belegen das. Im Neubau wird das auch längst praktiziert, etwa von der Degewo oder der Howoge. Im Bestand sieht es dagegen mau aus. Schmidberger sagt: „Auch hier wäre ein Förderprogramm ein erster Schritt.“
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