Klimaschutz in Niedersachsen: Rot-Grün bohrt Klimagesetz auf
Die niedersächsische Landesregierung will das Land nun schon bis 2040 klimaneutral machen. Für bedeutende Vorhaben ist ein Klimacheck vorgesehen.
Klimaneutral bis 2040
Niedersachsen will bis 2040 klimaneutral werden (bisher galt 2045), die Landesverwaltung schon bis 2035. Dazu müssen die Treibhausgas-Emissionen bis 2030 um 75 Prozent und bis 2035 um 90 Prozent verringert werden. Jährliche Zwischenziele und Ziele für die einzelnen Sektoren werden in der Klimaschutzstrategie des Landes festgeschrieben, die 2024 erneuert werden soll.
Vorrang für Klimaanliegen
Genehmigungs- und Entscheidungsverfahren, die Klimaschutzziele betreffen, sollen künftig in allen Behörden – auch in den Kommunen – priorisiert werden. Dazu werden sie als Anliegen von „überragendem öffentlichen Interesse“ definiert. Dahinter hat beispielsweise auch der Denkmalschutz zurückzustehen. Das betrifft nicht nur Genehmigungsverfahren für Windkraft- und Photovoltaikanlagen, sondern auch Maßnahmen, die der Anpassung an Klimafolgen dienen, wie beispielsweise der Hochwasserschutz.
Klimacheck und Klimarat
Bei Vorhaben „von wesentlicher Bedeutung“ soll künftig ein Klimacheck verpflichtend sein – so ähnlich, wie heute schon bei Entscheidungsvorlagen beziffert werden muss, wie sie sich finanziell und in Gleichstellungsbelangen auswirken. Als Kontrollorgan soll ein Klimarat eingeführt werden. Er soll sich aus unabhängigen Wissenschaftlern und Vertretern der Zivilgesellschaft zusammensetzen, die jährlich die Einhaltung der Ziele überprüfen und Vorschläge zur besseren Umsetzung machen. Die Mitglieder werden vom Umweltministerium vorgeschlagen und von der Landesregierung ernannt.
Mehr Photovoltaik-Flächen
Um die Umstellung auf erneuerbare Energien zu fördern, sollen nicht nur 2,2 Prozent der Landesfläche als Vorranggebiete für die Windenergie, sondern auch 0,5 Prozent der Fläche für Freiflächen-Photovoltaik ausgewiesen werden. Um Flächennutzungkonflikte mit der Landwirtschaft zu minimieren, gibt es aber künftig Vorgaben, welche Bodentypen dafür infrage kommen. Außerdem sollen „Agri-PV“-Anlagen, also Anlagen, die eine Doppelnutzung als landwirtschaftliche Fläche und Photovoltaik erlauben, stärker gefördert werden.
Dächer und Parkplätze
Bei Gebäuden soll nicht nur für Neubauten, sondern auch bei grundlegenden Dachsanierungen eine Photovoltaikpflicht gelten. Für eine sozialverträgliche und wirtschaftliche Ausgestaltung soll es eigene Förderprogramme geben. Parkplätze sollen beim Neubau oder der Sanierung ebenfalls eine PV-Überdachung erhalten. Und zwar schon ab 25 Stellplätzen, nicht wie bisher vorgesehen erst ab 50.
Torfabbau beenden
Der Abbau von Torf ist in Niedersachsen ein heiß umstrittenes Thema. Weil die Böden große Mengen CO2 freisetzen, gilt er als besonders schädlich. Gleichzeitig ist er ein bedeutsamer Wirtschaftszweig. Das neue Gesetz sieht ein grundsätzliches Abbauverbot vor – mit wenigen Ausnahmen, zum Beispiel bei der Wiedervernässung von Mooren. Allerdings gilt dies nur für neue Genehmigungen. Viele Unternehmen verfügen noch über lang laufende Genehmigungen.
Kritik des BUND
Der BUND begrüßt das Torfabbauverbot, kritisiert aber, dass jetzt schon vorliegende Anträge noch nach altem Recht entschieden werden sollen. Überhaupt fehle es an konkreten Maßnahmen zur Erhaltung und Entwicklung von natürlichen Kohlenstoffsenken wie Mooren, Wäldern und Auen. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien müsste stärker auf eine naturverträgliche Ausgestaltung geachtet werden.
Kritik der CDU
Der umweltpolitische Sprecher der CDU, André Hüttemeier, kritisierte, die Landesregierung mache die gleichen Fehler wie die Ampel. Unklare Regelungen schürten Ängste bei Hausbesitzern, außerdem würden Bürokratiemonster geschaffen statt wirksamer Förderprogramme.
Vollständig fehlen würden dagegen Themen wie Tiefengeothermie, Biogas, Netzausbau und intelligente Netze. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien würden außerdem das Verbandsklagerecht und die mangelnden Genehmigungen für Schwerlasttransporte Probleme machen.
Immerhin stellt die CDU die Klimaziele nicht grundsätzlich infrage – anders als die AfD, die schon vorher für einen Eklat gesorgt hat. Zur von ihr beantragten aktuellen Stunde zum „Gebäudeenergiegesetz“ – ein Bundesthema, das nicht im niedersächsischen Landtag entschieden wird – posierten die Fraktionsmitglieder mit Protestschildern mit der Aufschrift „Keine Heizung ist illegal“ und freuten sich sichtlich über die eigene Provokation.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Absagen vor Kunstsymposium
Logiken der Vermeidung