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Klimaschutz beim WeinanbauDer Doppel-null-Riesling

Mit einem gewagten Experiment hat das Weingut Burg-Martini einem „Klimaschutzwein“ erzeugt. Jetzt reift er im Keller und wartet aufs Frühjahr.

Weinanbau geht auch in öko – ist aber sehr aufwendig Foto: dpa

Berlin taz | Die Winzer in Oberwesel, einer Kleinstadt am Mittelrhein, waren schon immer etwas speziell. Vor Urzeiten schlossen sie nach mehreren schlechten Jahrgängen einen Pakt mit dem Teufel. Der Leibhaftige bekam jedes Jahr ein großes Fass vom besten Wein, dafür hatte er für anständiges Wetter zu sorgen.

Sabine und Thomas Burg, seit 21 Jahren Weinmacher in Oberwesel, haben zwar keinen Deal mit dem Teufel geschlossen, sie haben sich aber auf ein Spiel mit dem Feuer eingelassen. Sie wollten in der Lage Oberweseler Römerkrug auf einem Viertel Hektar Steilhang vom 2019er Jahrgang einen „Klimaschutzwein“ erzeugen – ohne jeglichen Pflanzenschutz, ohne Dünger und ohne einen einzigen Liter Diesel zu verbrennen.

Ein gewagtes Experiment, denn oftmals bedrohen vor allem Pilzkrankheiten wie der echte und falsche Mehltau die Monokulturen der Weinberge. Dann wird mehrmals im Monat gespritzt. Auch Biowinzer setzen dann Kupfer- und Schwefelpräparate ein, um die Reben zu schützen. Viele Spritzungen erfolgen vorbeugend, vor allem bei feuchtwarmem Wetter. Ehernes Gesetz im Weinbau: Ohne Pflanzenschutz geht gar nichts.

Die Burgs haben jetzt auf ihrer kleinen Versuchsfläche mit 2000 Rebstöcken das Gegenteil bewiesen. Sie haben ihre kompromisslose Strategie des doppelten Verzichts tatsächlich durchgehalten und dennoch einen anständigen Wein erzeugt. Sie hatten aber auch Glück: Nicht der Teufel, sondern Petrus sorgte für gutes Wetter. 2019 war ein trockenes Jahr, ohne starken Pilzdruck. Erst im Herbst wurde es feuchter. Die experimentell bewirtschaftete Rieslinglage im Oberweseler Römerkrug wurde rechtzeitig gelesen, die überwiegend gesunden Trauben kamen mit rund 80 Oechsle bei relativ hohem Ertrag auf die Kelter. Jetzt reift der Wein im Keller. „Es ist alles gut gegangen“, resümiert Thomas Burg, „das wird ein ordentlicher Tropfen.“

Günstige Voraussetzungen

„Umwelt und Klima gehen alle an. Unternehmen haben eine besondere Verantwortung. Unser Weingut will einen Beitrag leisten und versucht neue Wege zu gehen.“ So wurde die Idee eines besonders umwelt- und klimafreundlichen Weins auf der Homepage des Weinguts Burg-Martini angekündigt. Doch für die Winzerkollegen in Oberwesel war klar: Das klappt nie!

Die Voraussetzungen für das Experiment waren günstig. Die uralten Rieslingstöcke im Römerkrug befinden sich in einer privilegierten, gut durchlüfteten und gut mit Nährstoffen versorgten 60-prozentigen Steillage. Hier öffnet sich das Tal zum Rhein hin, die Reben sind abgeschirmt, die Nachbargrundstücke liegen brach. In acht von zehn Jahren gebe es in diesem Weinberg keine oder nur geringe Probleme mit Schädlingen oder Pilzbefall, sagt Burg. Dennoch bestand durchaus das Risiko eines Totalausfalls. Es ist erst drei Jahre her, dass mit dem chemielastigen 2016er Jahrgang an Rhein und Mosel ein extremes Jahr verzeichnet wurde. Manche Winzer mussten im Wochenrhythmus Pestizide gegen den überall wütenden falschen Mehltau einsetzen und hatten dennoch herbe Verluste.

Die Burgs waren schon im Frühjahr andere Wege gegangen. In ihrem Versuchsweinberg wurden die Reben nicht wie üblich auf ein bis zwei Ertragsruten radikal zurückgeschnitten. Der Schnitt erfolgte nur minimal, die Reben sollten ihren natürlichen Wuchs behalten. So können sie ihre Abwehrmechanismen gegen Krankheiten besser nutzen, glaubt Burg. Und die Trauben hingen in mehreren Etagen und an vielen Trieben gleichzeitig.

Recht üppiger Behang

Die Rechnung ging auf. Der auf Fotos dokumentierte Behang verteilte sich gleichmäßig, überall an den Stöcken hingen kleine Fruchtbündel, die gut beschattet und belüftet wurden. Der für den Jahrgang 2019 typische Sonnenbrand machte allerdings auch dem Riesling im Römerberg zu schaffen. In den oberen Etagen, wo die Trauben lange der knalligen Sommersonne ausgesetzt waren, verfärbten sie, trockneten ein und fielen herab. In einigen besonders betroffenen Weinbaugebieten hatte der Sonnenbrand zu verheerenden Verlusten der halben Ernte geführt. Am Römerkrug waren die Einbußen gut zu verkraften, zumal der Behang ohnehin recht üppig war. „Das war eine natürliche Ertragsreduktion, die uns nicht wehgetan hat“, sagt Thomas Burg.

Den Sommer über blieb der Versuchsweinberg weitgehend sich selbst überlassen, nur einmal habe man die Laubwand zurückgeschnitten, berichten die Burgs. Mitte Oktober war es dann so weit. Die Rebscheren wurden verteilt, mit einem geliehenen Elektroauto fuhr das Leseteam zum Weinberg, um die Trauben zu holen.

Die Lese erwies sich als sehr viel aufwändiger als in anderen Lagen, weil die Trauben nicht so kompakt waren, sondern in kleinen lockerbeerigen Formaten überall am Weinstock hingen. Die Zahl der Trauben und Träubchen je Stock war mehr als doppelt so hoch wie üblich. Der Zuckergehalt blieb mit rund 80 Oechsle hinter den anderen Lagen zurück. Doch weil der Jahrgang 2019 häufig zu hohe Zuckergehalte mit entsprechend alkoholreichen Weinen lieferte, sind die Burgs mit ihrem leichteren Riesling zufrieden.

Police, statt Pakt mit dem Teufel

Im Frühjahr wird der Wein abgefüllt, der Preis steht noch nicht fest. Weil der Leseaufwand so groß war, könnte er etwas mehr kosten. Andererseits hat das Weingut viele Arbeitsstunden durch kontrolliertes Nichtstun eingespart und auch keine teuren Pestizide und Düngerpräparate verbraucht.

Fazit der Winzerfamilie: Das Doppel-null-Experiment sei nicht für alle Winzer und alle Jahrgänge geeignet, es müsse wegen des hohen Risikos auch immer nur auf einen Teil der Rebflächen beschränkt bleiben. Unter den veränderten trockeneren Klimabedingungen, sagt Sabine Burg, sollte es aber möglich sein, den Pflanzenschutz generell zu reduzieren. Um dabei das Risiko zu minimieren, hat Ehemann Thomas noch eine Idee: Eine Versicherung könnte die Winzer vor dem Totalausfall schützen. Also kein Pakt mit dem Teufel, lieber eine Versicherungspolice.

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4 Kommentare

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  • Eines der Hauptprobleme ist dann wohl die Monokultur und damit die direkte Übertragung der Krankheiten auf Nachbarpflanzen.

    Wie haben die das denn früher gemacht, ohne Chemie? Einfach weniger Ertrag? Oder robustere Sorten?

    • @Mitch Miller:

      Den echten und den falschen Mehltau, im Pflanzenschutz die Hauptprobleme im Weinbau, gab es in Europa bis 1850 bzw. 1870 nicht. Seitdem (!!) ist ohne regelmäßige vorbeugende Bekämpfung (auch im Ökoanbau !!!) eine einigermaßen verlässliche Produktion gesunder Trauben. i.d.Regel unmöglich. Im Einzelfall kann es dank Gunst der Witterung auch mal gut gehen. Aber da ist dann eine Menge Glück im Spiel.

    • @Mitch Miller:

      Früher gab es eben deutlich geringere Erträge und schwankende Qualität.



      Aber es mussten auch signifikant weniger Menschen versorgt werden.

  • Klimaschutz ja, aber sonst ….



    Weinbaugebiete weißen, zusammen mit Gemüseanbau, die höchsten Nitrat Werte in ganz Deutschland auf. Ein Beispiel aus Rheinland Pfalz :wasser.rlp-umwelt.de/servlet/is/1160/