Klimaktivist*innen lösen Gruppe auf: Fridays machen Schluss
Die Ortsgruppe von Fridays for Future Bremen war in die Kritik geraten, nun löst sie sich auf – und übt Kritik an der deutschen Bewegung.
Die Bremer Ortsgruppe wurde 2018 gegründet. In Deutschland gibt es aktuell über 250 aktive, selbstständig organisierte Ortsgruppen bei FFF. Die Bundesebene darf den Ortsgruppen grundsätzlich keine Vorgaben machen. Allerdings müssen sich die Gruppen von der Bundesebene legitimieren lassen und können jederzeit neu geprüft werden. So entstehen unabhängige Gruppen, die offenbar nicht immer mit den bundesweiten Strukturen der Bewegung übereinstimmen.
Die Bremer Gruppe war selbst in die Kritik geraten: Beim großen Klimastreik im September 2022 ließen die Bremer Klimaaktivst*innen die Gruppe: „Palästina Spricht“ in Bremen eine Rede halten. Im Januar 2023 teilte FFF Bremen dann einen Tweet von FFF International, in dem Israel als Apartheidstaat bezeichnet wurde und zur Intifada aufgerufen wurde. Intifada nennen Palästinenser*innen zwei vergangene Aufstände gegen Israel. FFF Deutschland distanzierte sich von dem Post und habe sich auch gegen die Bremer Aktivist*innen gestellt, so heißt es im Statement der Ortsgruppe.
„Dabei wurde eine Kommunikation mit uns gar nicht erst versucht“, kritisiert die Bremer Gruppe die Bundesebene. Vielmehr hätten die Bremer erst über die Presse erfahren, dass sie als Problem angesehen würden und „Aufklärungsarbeit“ geleistet werden müsse. Auf Anfrage der taz erklären die Bremer Aktivst*innen: „Von Seiten der Bundesebene hätten wir uns Solidarität statt Angriffe gewünscht.“
Antisemitismus-Vorwürfe gegen die Gruppe
Auch bei einem weiteren Klimastreik im März 2023 gab es Kritik an der Bremer Gruppe: Die Bremer Grünen-Politikerin Kai Wargalla twitterte: „Klimastreik supporten – aber nicht den Antisemitismus von FFF Bremen“. Laut dem aktuellen Statement gibt es aber neben den anhaltenden Antisemitismus-Vorwürfen noch weitere Gründe dafür, dass die Ortsgruppe sich nun auflöst.
So wirft die Bremer Gruppe FFF Deutschland vor, strukturell rassistisch zu sein. Dabei beruft sie sich auf die FFF-Gruppe BIPoC for Future, die kritisiert, dass viele BIPoC-Personen bei FFF rassistisches Mobbing, Beleidigungen und Machtmissbrauch erfahren hätten. Der Begriff BIPoC steht dabei für Schwarze, Indigene und People of Color. FFF Deutschland kehre diese Vorwürfe unter den Teppich. „Dieser Umgang ist für uns bereits an sich ein guter Grund, diese Strukturen zu verlassen“, schreibt die Bremer Gruppe.
Diese Kritik ist nicht neu: Der FFF-Bewegung wird schon länger vorgeworfen, zu wenig migrantische Perspektiven zu berücksichtigen. Tatsächlich sind die Köpfe der deutschen Bewegung wie Luisa Neubauer, Jakob Blasel, Sebastian Grieme und Leonie Bremer ausschließlich weiß.
„Wir haben mit Rassismus in verschiedensten Formen zu kämpfen – und unsere Perspektiven werden kaum einbezogen. Fridays for Future (FFF) ist mehrheitlich weiß und akademisch“, kritisierte eine Aktivistin von FFF und BIPoC for Future vergangenes Jahr im Interview mit der taz.
Schon lange unzufrieden
Die Ortsgruppe Bremen ist pessimistisch, was die Zukunft von FFF angeht: Die Bewegung appelliere ziellos an die Politik und stelle die falschen Fragen. In den Augen der Bremer Klimaaktivst*innen ist Fridays for Future schwächer als je zuvor. Auf Anfrage der taz begründen sie das so: „Die Stärke an Menschen, die wir auf die Straße bringen, ist extrem geschrumpft, und das Thema selbst ist in den Medien oder dem öffentlichen Diskurs immer weniger präsent.“
Warum zieht FFF Bremen aber ausgerechnet jetzt einen Schlussstrich? Die Unzufriedenheit mit der Bundesebene gebe es in der Gruppe bereits seit Jahren, heißt es gegenüber der taz. „Wir und andere haben unsere Kritikpunkte in dieser Zeit auch immer wieder an die Bundesebene herangetragen, diese verfolgte aber immer weiter die Linie der Minimalforderungen“, sagen die Aktivst*innen.
Von FFF Deutschland gibt es bislang noch kein Statement zur Auflösung der Bremer Gruppe. Auf Anfrage erklärt die Bundesebene aber, dass sich bereits eine neue Gruppe in Bremen gründen würde. Natürlich sei die Auflösung der Ortsgruppe schade, FFF Deutschland stehe aber unverändert gegen Antisemitismus.
Ein User auf Twitter schreibt unter den Post der Bremer Aktivst*innen: „Weitermachen, Genoss:innen! Auf das euch viele weitere Ortsgruppen folgen und sich antikapitalistisch-revolutionär neu organisieren werden!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
SPD-Linker Sebastian Roloff
„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus