Klimakrise in Europa: Dreimal so viele Hitzetote bis 2100
Durch den Klimawandel sterben mehr Menschen an Hitze, dafür mancherorts weniger an Kälte. Gleicht sich das aus? Das hat eine Studie untersucht.
Der massive Anstieg von Todesfällen durch Hitze wird demnach nicht dadurch ausgeglichen, dass dafür weniger Menschen durch extreme Kälte sterben. Die Wissenschaftler*innen sind in ihren Berechnungen von einer Erderhitzung von 3 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau ausgegangen, wie sie derzeit wahrscheinlich erscheint.
Versprochen haben die Regierungen ganz anderes: Das Pariser Weltklimaabkommen sieht vor, dass die Erderhitzung deutlich unter zwei Grad gestoppt wird, möglichst bei 1,5 Grad. Doch global gesehen geht es nicht in diese Richtung. Im vergangenen Jahr verursachte die Nutzung fossiler Energie, die Hauptursache der Klimakrise, so viele CO₂-Emissionen wie noch nie zuvor – trotz gleichzeitigem Erneuerbaren-Boom.
Zwischen 1991 und 2020 hat es in Europa der Studie nach 407.538 Todesfälle gegeben, die auf extrem hohe oder niedrige Temperaturen zurückzuführen waren. Die meisten dieser Menschen sind erfroren: 364.000 der Fälle waren kältebedingt. Rund 44.000 konnten der Hitze zugeschrieben werden, die Hitzeschläge verursacht, aber auch zahlreiche Krankheiten begünstigt oder verschärft.
Die Bevölkerung wird älter und hitzeempfindlicher
In der angenommenen 3-Grad-Welt des Jahres 2100 würden kältebedingte Todesfälle laut Studie leicht abnehmen, im Großen und Ganzen bliebe die Rate aber nahezu unverändert. Anders bei den Hitzetoten: Diese Fälle könnten sich laut Studie etwa verdreifachen. Besonders südliche Länder wie Italien, Spanien und Griechenland wären betroffen. Neben den extremeren Sommertemperaturen spielt auch der demographische Wandel hinein. Die Bevölkerung wird im Schnitt älter und damit verletzlicher, was Hitze angeht.
Wichtig: Die Forschenden sind in der Studie von gleichbleibenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ausgegangen. Das heißt, es ist nicht einbezogen, dass eine Anpassung an intensivere Hitze zumindest in Grenzen möglich ist. Man kann bauliche Vorkehrungen treffen, also Städte zum Beispiel mit Frischluftschneisen, Grünflächen und Schattenplätzen ausstatten. Auch die Sensibilisierung der Bevölkerung kann helfen sowie gut durchdachte Warnsysteme.
Im vergangenen Jahr sind in Europa laut einer Studie des Barcelona Institute for Global Health 47.690 Menschen infolge von Hitze gestorben, 6.376 davon in Deutschland. Das deutsche Robert-Koch-Institut kommt in eigenen Schätzungen nur auf etwa die Hälfte – allerdings sind das auch immer noch Tausende Menschen.
Die unterschiedlichen Zahlen kommen durch unterschiedliche Annahmen bei den Berechnungen zustande. Hitzetote werden bislang nicht gezählt, sondern modelliert. Das liegt daran, dass Hitze nicht die offizielle Todesursache ist und als solche in die Statistiken eingeht, sondern beispielsweise Herz-Kreislauf-Versagen, was aber durch Hitze stark begünstigt wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Zweite Woche der UN-Klimakonferenz
Habeck wirbt für den weltweiten Ausbau des Emissionshandels
Krieg in der Ukraine
Biden erlaubt Raketenangriffe mit größerer Reichweite
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“