Klimakrise, Bürgergeld, Vatikanreformen: „Huch! Die Uno!“
Die FDP wittert beim „Bürgergeld“ spätrömische Dekadenz. Der türkische Präsident Erdoğan vermittelt beim Weizendeal zwischen Ukraine und Russland und der Vatikan sträubt sich gegen Reformen.
t az: Herr Küppersbusch, was war schlecht vergangene Woche?
Grüne Ministerien stresstesten Atomkraft.
Und was wird besser in dieser?
Atomkraft stresstestet Grüne.
In Europa wurden letzte Woche stellenweise 40 Grad und mehr gemessen. Sollten wir die letzten Tonnen CO2-Budget besser in die Investition für extraterrestrisches Leben stecken oder kriegen wir noch die Kurve?
Mars macht debil, bei Arbeit, Sport und Spiel: Ungeschützt der Weltraumstrahlung ausgesetzt, kommt man da oben, mit Glück noch lebend, schwer krebskrank an. Und verthermomixt sich dann zwischen plus 20 und minus 120 Grad – jeden Tag. Elon Musks Pläne, in wenigen Jahren dorthin zu fliegen, gewännen an Strahlkraft, wenn er selbst mitflöge. Esa und Roskosmos haben ihre Verlobung auf eine unbemenschte Marsmission aus aktuellem Anlass gerade gelöst. Wumpe! Die Herausforderung, unter lebensfeindlichen Bedingungen einen Homo post-weltuntergangis zu züchten, stellt sich womöglich preiswerter – hier, auf der Erde.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil wird einen Gesetzesentwurf zur Anhebung der Regelsätze von Leistungsbeziehenden vorlegen und der Koalitionspartner FDP beschwert sich. Zu Recht?
Heil Praktiker! Der Koalitionsvertrag sieht weniger Abzüge für Minijobber vor und Weiterbildung statt Zwang zum Doofmannjob. So entstünde zweierlei: Eine „Working Poor“-Klasse, also Leute, die mit Staatsknete und Hungerlohn gerade so durchkommen. Und eine Fachkräftearmee, die wie gut gelaunte Zombies aus dem Morast der Chancenlosigkeit zu Codern, Mechatronikerinnen und Wärmepumpenexperten aufsteigt. So weit, so Ampel, da ist für jeden was dabei. Heil will die Gelegenheit auch nutzen, seine Partei vom Fluch des Hartz zu befreien: Sein „Bürgergeld“ soll nicht nur höher ausfallen, sondern auch komplett anders berechnet werden. Da wittert die FDP spätrömische Dekadenz und hat sich im Zeitalter von „Sondervermögen“ und Coronapaketen eine originelle Pointe zurechtgelegt: Heils Plan könnte Milliarden kosten. Kompromiss: Arbeitslose basteln in ihrer reichlichen Freizeit Flugabwehrpanzer. Fertig. Fragt mich doch.
Eine beträchtliche Menge ukrainisches Getreide soll freigegeben werden. Erdoğan schuf den Rahmen für eine Exportvereinbarung zwischen Kiew und Moskau. Welche eigenen Interessen verwirklicht die türkische Regierung mit ihrer Vermittlerrolle?
Erdoğan hält den Europäern die Flüchtlinge vom Hals, vermittelt in Syrien, gestattet huldvoll eine Nato-Erweiterung und onkelt die kriegerischen Nachbarn zum Getreidedeal.
Ob er beim Rasieren morgens dem Spiegel sagt: „Huch! Die Uno!“, weiß man nicht, vielleicht sagt sein Barbier das für ihn. So verdient er viel Geld, gewinnt Einfluss in der Region, drischt mit freier Hand auf die Kurden ein, rabuliert um Zypern herum und würde vermutlich auch die Fußball-EM gewinnen, wenn er dazu Zeit hätte. Kurz: Wer ganz dringend nicht verhandeln will, wie die deutsche Außenministerin, kann sich hier angucken, wer’s stattdessen tut. Erdoğan wäre blöd, wenn nicht.
Putin und Erdoğan haben dem iranischen Präsidenten Raisi einen Besuch in Teheran abgestattet. Den Dreiergipfel nennen sie den „Astana-Friedensprozess“ für Syrien. Sorgen russische Truppen und Kampfflugzeuge jetzt für Frieden in Syrien?
Russlands Ziel, Zugang zum Mittelmeer, ist über hundert Jahre alt. Das Assad-Regime nur ein Weg dorthin. Mag sein, dass der Kreml das nicht auseinanderhalten kann – „der Westen“ aber auch nicht. Das Gruseligste am viel beachteten Drei-Schurken-Foto ist die Abwesenheit derer darauf, die sich drüber aufregen.
Der Vatikan hat keine Lust auf die Reformbewegung deutscher Katholiken. Wird der Papst so lange auf seiner alleinigen Entscheidungsmacht bestehen, bis die letzte Person in Deutschland aus der katholischen Kirche ausgetreten ist?
Wenn der Vatikan Erdgas hätte, könnte man auf einen „Wandel durch Annäherung“ hoffen. Da sind Gläubige ja austrainiert. Stattdessen liefert er Macht, Wort und Machtwort. Das Papsttum setzt auf Sturheit, die einzige Waffe der synodalen Deutschen ist: Resignation. Aufgeben, austreten. Rom hat kein Problem damit, sich von diesen vielen Katholiken loszusagen. Und fragt versehentlich dadurch: Wie steht es umgekehrt?
Und was machen die Borussen?
Die „Damenmannschaften“ des TBV Mengede und VfB Waltrop eröffneten 1974 das Westfalenstadion. 1 zu 2. Damals hieß so was „Vorspiel“.
Fragen: Sean-Elias Ansa und Clara Engelien
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Grünes Wahlprogramm 2025
Wirtschaft vor Klima
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Foltergefängnisse in Syrien
Den Kerker im Kopf
Parteiprogramme für die Bundestagswahl
Die Groko ist noch nicht gesetzt