Klimakonferenz in Bonn: Kein Durchbruch bei den Knackpunkten
Das Top-Thema bei den Verhandlungen: Geld. Das fehlt armen Ländern für Klimaschutz. Derweil hat Deutschland seinen Entwicklungsetat weiter gekürzt.

In Bonn treffen sich die Klima-Diplomat*innen der Welt jedes Jahr, um die große Klimakonferenz des Herbstes vorzubereiten, die dieses Jahr im brasilianischen Belém stattfindet. Um konkrete Ergebnisse geht es dabei noch nicht, stattdessen sollen Konflikte und Möglichkeiten für Kompromisse deutlich genug werden, um sie innerhalb der zwei Wochen in Belém klären zu können.
Dass auch die Verhandlungen in Bonn von enormer Tragweite sind, machte die Verhandlerin Toiata Apelu-Uili deutlich: „Die Erderhitzung unter 1,5 Grad zu halten ist für uns kein politisches Ziel, sondern eine Frage von Leben und Tod“, sagte die Samoanerin. Sie vertritt die Allianz kleiner Inselstaaten, von denen einige vom Meeresspiegelanstieg in ihrer Existenz bedroht sind.
Die brasilianische Konferenzleitung ist zufrieden mit den Ergebnissen. Liliam Beatris Chagas de Moura, brasilianische Verhandlungsführerin, spricht von „sehr guten Ergebnissen“, sie verlasse Bonn „sehr optimistisch“: „Wir wissen genau, welche Streitfragen wir klären müssen.“
Vor dem Konferenzzentrum verteilten Tierschützer*innen kostenloses veganes Essen, gleich daneben verlas eine Gruppe von Palästina-Aktivist*innen die Namen von Opfern der israelischen Offensiven im Gazastreifen. „Die weltpolitischen Umstände waren schlecht zu Beginn der Konferenz und wurden nur schlechter“, sagte Ana Toni, Chef-Organisatorin der Klimakonferenz in Belém, in Anspielung auf die US-Bombenangriffe auf den Iran. „Aber das System der Klimadiplomatie hat gehalten“, betonte sie.
Konferenz legte Fehlstart hin
Die drückende Hitze tat ihr übriges, die Diplomat*innen an die vielen Krisen zu erinnern, in deren Schatten sie verhandeln. In den gut gekühlten Verhandlungssälen herrschte ohnehin Katerstimmung, berichten Teilnehmer*innen. Die Klimakonferenz im vergangenen Jahr war ohne ein festes Versprechen der Industrieländer zu Ende gegangen, die Staaten des Globalen Südens mit mehr Geld für Klimaschutz und -anpassung zu versorgen. Stattdessen wurde nur eine „Roadmap“ innerhalb des kommenden Jahres versprochen, wie die vage versprochenen 1,3 Billionen für den Globalen Süden bis 2035 zusammenkommen sollen.
Bolivien und andere Staaten des Globalen Südens verzögerten deshalb den Start der Konferenz um einen Tag, indem sie kontroverse Vorschläge zu Finanzierung und Freihandel auf der Tagesordnung machten. „Die Farce von Baku hat Spuren hinterlassen“, formuliert es Shreeshan Venkatesh vom Climate Action Network, einem internationalen Dachverband von Klimaschutzorganisationen.
„Geschäftig und frustrierend“ waren die darauffolgenden Tage, sagt Jan Kowalzig von der Entwicklungsorganisation Oxfam. Die Umsetzung der „Abkehr von den fossilen Brennstoffen“, die 2023 in Dubai beschlossen wurde, blieb offen.
Hier zu einem Ergebnis zu kommen sei schwierig, weil die Industrieländer in der Vergangenheit viel versäumt hätten beim Klimaschutz, „jetzt wollen sich die großen Schwellenländer wie Indien, Südafrika und Indonesien nicht in ihre Entwicklung hineinreden lassen.“
Die Verhandlungen dazu, wie ein gerechter Umbau der Wirtschaft aussehen sollte, seien dagegen recht erfolgreich verlaufen, berichtet Anabella Rosemberg vom Climate Action Network der taz.
Die Rechte von Arbeiter*innen, Indigenen und lokalen Gemeinschaften stehen im Entwurfstext, „aber es gibt noch Stellen, die für einige Länder rote Linien darstellen. Für die Verhandlungen in Belém ist das Potenzial aber groß“, sagte Rosemberg. In Baku sei der nun erzielte Kompromiss noch unmöglich gewesen.
EU erschwerte Verhandlungen
Mit gemischten Gefühlen gingen die Verhandler*innen aus den Diskussionen um die Klimaanpassung. Zwar konnten sie sich darauf einigen, was die Kriterien dafür sein sollen, wie der Stand der Anpassung überhaupt gemessen werden kann. Das ist kompliziert, weil die Erderhitzung so viele Bereiche des täglichen Lebens, der Wirtschaft und der Gesellschaft verändert.
Aber auch hier gab es Streit ums Geld: Die ärmsten Länder fordern 120 Milliarden US-Dollar jährlich von den Industrieländern, um den Globalen Süden bei der Anpassung zu unterstützen. Ohne „Roadmap“ zu den 1,3 Billionen US-Dollar dürfte es zu keiner Einigung kommen.
Die Konferenz litt auch unter den vielen fehlenden nationalen Klimazielen, die trotz Frist im Februar immer noch nicht eingereicht wurden. Offiziell werden sie auch in Belém nicht Teil der Verhandlungen sein. Aber die zu erwartende Lücke zwischen den Versprechen der Länder und dem, was für die 1,5-Grad-Grenze nötig wäre, wird über allen Gespräche hängen.
Darüber hinaus arbeiten einige EU-Staaten mehr oder minder versteckt daran, den Vorschlag der EU-Kommission von 90 Prozent Emissionsreduktion gegenüber 1990 zu sabotieren. „Das war nicht hilfreich“, sagt Lorelei Limousin von Greenpeace.
China draußen erfolgreich, drinnen zurückhaltend
Während der Konferenz wurde zudem bekannt, dass die deutsche Bundesregierung die Entwicklungsgelder um weitere 900 Millionen Euro kürzen will. Damit wird es zunehmend unmöglich für Deutschland, seine bereits bestehenden Versprechen zur Finanzierung von Klimaschutz und -anpassung im Globalen Süden einzuhalten, kritisiert Oxfam-Experte Kowalzig.
Der Platz der größten Wirtschaftsmacht der Welt blieb derweil leer: Die USA schickten zum ersten Mal seit über 30 Jahren keine Vertreter*innen zur Bonner Konferenz. Im Vorfeld gab es Hoffnung, der weltgrößte CO2-Emittent China würde die entstehende Lücke einnehmen. Doch dazu kam es nicht.
„Die konservativen Positionen hier passen nicht zu den tatsächlichen Entwicklungen da draußen“, sagt Yao Zhe von Greenpeace Ostasien. Im Mai gingen in China Solaranlagen mit einer Kapazität von 93 Gigawatt ans Netz, doppelt so viel wie im April und 30 Gigawatt mehr, als in der EU im gesamten Jahr 2024 installiert wurden. „Der Fortschritt vor Ort lässt China auf der diplomatischen Ebene hoffentlich selbstbewusster auftreten“, wünscht sich Expertin Zhe.
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