piwik no script img

Klimakompromiss der GroKoÖko doch möglich

Ulrich Schulte
Kommentar von Ulrich Schulte

Weder Kohleausstieg noch ökologische Verkehrswende sind in Sicht. Doch der Klimakompromiss ist ein Anfang.

Ökologische Kurskorrektur der SPD? Olaf Scholz und Manuela Schwesig war das egal Foto: Emmanuele Contini/imago

E in schrottreifer Diesel-Golf wird auch nach ein paar Tagen in der Werkstatt kein emmissionsfreier, smarter Elektroflitzer. Er fährt wieder, stinkt aber immer noch. So ist es auch mit dem Klimakompromiss zwischen Bund und Ländern, der am Montag bekannt wurde. Die Umweltverbände haben recht, wenn sie ihn als unzureichend kritisieren. Er verbessert das fahrlässig dürftige Maßnahmenpaket der Bundesregierung, reicht aber bei Weitem nicht aus.

Ein Einstiegspreis von 25 Euro pro Tonne Kohlendioxid, auf den sich VerhandlerInnen von Union, SPD und Grünen einigten, ist zu wenig, um die Klimaschutzziele zu erreichen, zu denen sich Deutschland verpflichtet hat. Erst bei 40 Euro steuern VerbraucherInnen und Wirtschaft um. Dennoch wäre es falsch, den Kompromiss in Gänze zu verdammen. Der nun beschlossene Preispfad kommt zumindest „in die Nähe dessen“, was die Wirtschaftsforschung als ökonomisch wirkungsvoll empfohlen hatte – so drückt es der angesehene Klimaökonom Ottmar Edenhofer aus. Anders gesagt: Ein solches Ergebnis kommt dabei heraus, wenn Furcht vor engagiertem Klimaschutz (Groko) auf moderaten, für die bürgerliche Mitte erträglichen Ehrgeiz (Grüne) trifft.

Der Schritt in die richtige Richtung ist deshalb ein Erfolg für die Grünen. Ihnen ist es zu verdanken, dass die deutsche Politik, die sich bisher vor allem durch Nichtbewältigung der Menschheitskrise Klimawandel hervortut, langsam umsteuert. Das Ganze wirkte wie ein Vorgeschmack auf schwarz-grüne Koalitionsverhandlungen. CDU-Ministerpräsidenten waren dem Vernehmen nach offener für die Erhöhung des CO2-Preises als die SozialdemokratInnen. Eine solche Koalition wäre in Sachen Klimaschutz progressiver als die ermattete Groko.

Auch ein anderes Detail ist bemerkenswert: Die ökologische Kurskorrektur, auf die die neuen SPD-ChefInnen Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans drängen und die der SPD-Parteitag neulich beschloss, spielte offenbar keine Rolle. So sollen sich zum Beispiel Manuela Schwesig und Olaf Scholz keinen Deut um die neue Linie geschert haben – und munter weiter blockiert haben. Ein Parteitagsbeschluss macht also noch keine ergrünte SPD. Das alte Denken ist zäh und sehr lebendig.

Ein zarter Anfang ist gemacht, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Der Kohleausstieg ist nicht vollzogen, eine ökologische Verkehrswende nicht in Sicht, von einer Agrarwende ganz zu schweigen. Doch das Signal, das von dem Kompromiss ausgeht, ist ein positives: Druck wirkt. Die unwilligen Parteien haben sich auch deshalb bewegt, weil sie den Protest aus der Zivilgesellschaft gegen ihre Arbeitsverweigerung spürten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Ulrich Schulte
Leiter Parlamentsbüro
Ulrich Schulte, Jahrgang 1974, schrieb für die taz bis 2021 über Bundespolitik und Parteien. Er beschäftigte sich vor allem mit der SPD und den Grünen. Schulte arbeitete seit 2003 für die taz. Bevor er 2011 ins Parlamentsbüro wechselte, war er drei Jahre lang Chef des Inlands-Ressorts.
Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Die Theorie:



    CO2 Steuern sollen CO2 begrenzen. Das

    Die Praxis wird sein:



    Weniger Betuchte und ärmere Menschen/Familien MÜSSEN infolge der Preiserhöhungen für Sprit und Heizung den Gürtel enger schnallen. Die Mietkosten werden höher und sie können nichts dagegen tun.



    Besser Bemittelte werden die CO2 Steuer kaum bemerken, ihr Konsumverhalten wird nicht eingeschränkt, obwohl ihr CO2 Fußabdruck deutlich höher ist als bei der erst genannten Gruppe.

    Fazit:



    Der CO2 Ausstoß wird bei der neoliberalen Lösung (Preise erhöhen, den Rest regelt der Markt) kaum reduziert. Wer hier die sogen. Arschkarte zieht ist klar. Mit dabei die Sozialdemokratie, die einfach nur Angst hat, gegen die vereinigte Macht der radikalen Mitte ein Konzept vorzulegen, das genau da ansetzt, wo CO2 am meisten produziert wird.



    Diese Situation werden die Rechtspopulisten ausnutzen. Sie werden sich als Anwalt des "kleinen Mannes" darstellen, der in der Tat keine politische Interessenvertretung mehr hat. Auch nicht bei den Rechten, die sich taktisch motiviert anbiedern werden.



    Wir werden weder die Klimaziele erreichen und auch nicht die Schere zwischen Armen und Reichen schließen. Im Gegenteil: Der Klassenkampf verschärft sich.

  • Machen wir uns nichts vor, nur die Grünen profitieren bei Wahlen von dieser Politik, weil sie die Klimabewegung wirklich sind. Auch ziehen sie immer mehr bürgerliches Publikum.

  • Es hilft nicht den Dreck teurer zu machen und die sauberen Lösungen billiger. Man muß die sauberen Lösungen überhaupt erst einmal verfügbar machen. Jedem seinen Tesla oder vielleicht doch zuerst den ÖPNV ausbauen. Dafür ist wie immer kein Geld da.

  • Ich den Gesang von Einschafliedern mit einzustimmen, ist im Journalismus noch nie eine gute Strategie gewesen, diejenigen, die sich schlafend stellen, zu wecken!

  • Bemerkenswert dass die dahinschwindenden SPD es nicht schafft über ihren Kohleschatten zu springen und fröhlich auf den Abgrund zuschlingert. Wenn nur schon bald Wahlen wären....

    • 0G
      05158 (Profil gelöscht)
      @Opossum:

      Ich folge ihnen, was ihren Beitrag anbelangt.



      Wie schon ein, zweimal... bemerkt, sobald ihr Name erscheint freue ich mich, oh das Opossum ist wieder da!



      Ich kann nichts dafür,Kindheit,düstere Zeiten...



      HGD

      • @05158 (Profil gelöscht):

        freut mich auch

  • Wenn etwas nicht ausreichend ist, dann ist es mangelhaft. Da nützt der Verweis, dass es noch schlechter sein könnte, nur jenen, die es nicht besser machen wollen.

    Insofern ist die sonderpädagogische Nachsicht, die Herr Schulte hier an den Tag legt, vielleicht die falsche Haltung. Das sind zwar nur Politiker, aber dennoch Erwachsene.

    Früher war vielleicht nicht alles besser, aber einiges radikaler. z.B. tinyurl.com/roo2b2s

  • Der Spritpreis an der Tankstelle wird durch den beschlossenen CO2-Preis um ca. 0,15 bis 0,20 Euro steigen. Wenn die Penderpauschale aus Ausgleich um 0,10 € erhöht wird und der Arbeitnehmer den seltenen Spitzensteuersatz von 45% ausweist, dann zahlt er je km 0,045 Euro weniger Einkommensteuer. Demnach bleibt der Arbeitnehmer auf den Mehrbelastungen d.d. CO2 Abgabe sitzen. Der Arbeitnehmer sehr wenig verdient und deswegen gar keine ESt zahlt, wird noch mehr belastet.

    Die Politiker haben es kurz vor der Jahreswende noch einmal geschafft, die breite Masse der Bevölkerung erbarmungslos abzukassieren. Wieder ein Gesetz: Kassiere die Armen und Mittelstand ab und schone die Reichen.

    • @Nico Frank:

      Die Pendlerpauschale gilt pro Kilometer. Der Spritpreis gilt pro Liter. Wenn man also nicht gerade mit Monstertruck und einem Verbrauch von 100l/100km zur Arbeit pendelt, ist ihre Rechnung falsch und Pendler haben werden einen deutlichen Gewinn in der Tasche haben. Weite Anreisestrecken zur Arbeit werden also weiterhin gefördert. Ob man das will?

      • @Edgar:

        Ich habe nochmals gerechnet, alles richtig was ich geschrieben habe. Berücksichtigt man die Werbungskostenpauschale von 1000,--, fällt die Berechnung sogar noch ungünstiger für den Arbeitnehmer aus. Sie haben aber recht, wenn der Arbeitnehmer einen PKW nutzt der 2 Liter auf 100km verbraucht, fährt er mit der neuen Regelung sogar günstiger, wenn er den einen Steuersatz von 30% und mehr aufweist.



        Mir persönlich ist es egal, ich fahre einen Porsche Gt2 und ob ich 800 p.a. mehr für Benzin bezahlt sorgt mich nicht sonderlich.

    • @Nico Frank:

      Wenn sich zumindest die breite Masse der Bevölkerung, die für das Gros des CO2-Ausstosses verantwortlich ist, kein eigenes Auto mehr leisten kann, ist das schon mal eine positive Entwichlung.

      Anders als durch finanziellen Druck kann man die breite Masse nicht dazu bewegen, vom SUV in den Bus umzusteigen oder wenigstens Fahrgemeinschaften zu bilden.

      Das Gleiche wie für Benzin gilt auch für Strom, Heizöl und Internet:



      Die Menschen sparen erst, wenn es aus finanziellen Gründen mehr weh tut, Heizung, Herd und Internet zu nutzen, als sich stattdessen wärmer anzuziehen, Rohkost zu essen und Bücher zu lesen.

      Übrigens:



      "Die Internetnutzung in Deutschland produziert jedes Jahr so viel CO2 wie der gesamte Flugverkehr."



      www.zdf.de/nachric...gt-massiv-100.html