Klimaforscher Grimalda reist ohne Flug: Viel Zeit für nagende Gedanken
Wer Flugscham ernst nimmt, muss mit Konsequenzen rechnen. Forscher Gianluca Grimalda verlor deshalb seinen Job. Hier erzählt er, wie er nun reist.

D er Wissenschaftler Gianluca Grimalda, 51, will nicht mehr fliegen – fürs Klima. Weil er deshalb nicht rechtzeitig von einer Forschungsreise in Papua Neuguinea zurückkam, feuerte ihn das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die taz begleitet ihn auf seiner Reise per Schiff, Bus und Bahn zurück.
In der letzten Woche habe ich an dieser Stelle über die Dinge geschrieben, die ich am langsamen Reisen liebe. Die Begegnungen. Die Chance, die Welt so zu sehen, wie sie ist. In all ihrer Ungerechtigkeit, in all ihrer Schönheit. Aber wenn ich ehrlich bin, ist es oft auch einfach Mist.
Ich werde nur selten krank. Aber vor wenigen Tagen, als ich im Bus von Jakarta nach Sumatra saß, hat mich mitten in der Nacht ein heftiger Kopfschmerz gepackt. Als ich auf meinen Knöchel schaute, sah ich die vielen Moskitostiche dort.
Unsicherheit aushalten
Bilder von vor vier Jahren schossen durch meinen Kopf. Damals hatte ein Kollege sich bei der Feldforschung mit dem Dengue-Virus infiziert, lag zehn Tage lang mit Fieber im Bett. Es gibt kein Medikament gegen das Virus, bei einigen Menschen entwickeln sich tödliche Komplikationen. Während jetzt vor meinem Fenster das ländliche Indonesien an mir vorbeizog, bekam ich Angst. Was, wenn ich Dengue-Fieber hätte? Jetzt, hier, unterwegs, mit noch drei Tagen und zwei Nächten Busfahrt vor mir?
Aber es ist mehr als nur die Sorge um meine Gesundheit. Jeden Tag nagt an mir die Unsicherheit, wie es weitergeht: mit dem nächsten Zug, dem nächsten Visum, meiner Zukunft als Wissenschaftler, sobald ich wieder in Europa bin.
Die extreme globale Ungleichheit bei den Emissionen, die Signalwirkung, die ich mir davon erhoffe – es gibt viele gute Gründe für mich, nicht zu fliegen. Aber eigentlich geht es mir vor allem darum, Menschen einzuladen, ihre fossile Normalität infrage zu stellen. Ich will niemandem verbieten, für ein Wochenende nach Italien zu fliegen, um Freunde oder Familie zu treffen. Aber es hat einen Preis für unser aller Zukunft. Und diesen Preis sollten wir uns bewusst machen, wenn wir uns entscheiden, wie wir leben.
Meine Kopfschmerzen waren nach einem Kaffee am nächsten Morgen wieder weg. Ich hoffe, dass es dabei bleibt.
Protokoll: Mitsuo Iwamoto
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau