Klimaforderungen von VW-Chef Diess: VW will Autofahren teurer machen
Volkswagen-Chef Herbert Diess fordert von der neuen Bundesregierung eine deutliche Erhöhung des CO2-Preises. Umweltverbände begrüßen den Vorstoß.
Zurzeit kostet der Ausstoß einer Tonne CO2 in Deutschland 25 Euro. Das macht pro Liter etwa 7 Cent Mehrkosten bei Benzin und 8 Cent bei Diesel. Nach derzeitigen Plänen soll der Preis pro Tonne CO2 bis 2025 auf 55 Euro steigen, Diess will also weit mehr. „Nur spürbare Maßnahmen bringen die Dekarbonisierung voran“, schreibt er auf Twitter.
Dort hat er mit Blick auf die kommenden Koalitionsverhandlungen einen bemerkenswerten Forderungskatalog veröffentlicht. Der Chef des größten europäischen Autobauers verlangt unter anderem, den Ausstieg aus der Kohle deutlich vorzuziehen und den Ausbau der erneuerbaren Energien energischer voranzutreiben. Ein Datum für das Ende des Verbrennermotors fordert er nicht. Volkswagen stellt seine Produktion in Europa zwar konsequent auf Elektroantrieb um, in anderen Teilen der Welt will der Konzern aber weiter Verbrennermotoren produzieren.
Hierzulande wünscht sich der Manager eine konsequente Elektrifizierung und einen massiven Ausbau der Ladeinfrastruktur für Pkw und Lkw. Dienstwagen sollen nur noch gefördert werden, wenn sie einen E-Antrieb haben. Auf deutschen Straßen fahren mittlerweile rund 1 Million E-Autos. Nur durch großzügige staatliche Prämien ist der Absatz in Deutschland in Gang gekommen. Die Kaufprämie für E-Autos soll bis 2025 schrittweise verringert werden, fordert Diess. Das ist keineswegs selbstlos: Die Autobauer müssen einen Teil der Prämie mitfinanzieren.
Wasserstoff zu kostbar für Autos
Von Wasserstoffautos, wie sie immer wieder von der Union und der FDP unter dem Stichwort „Technologieoffenheit“ ins Spiel gebracht werden, hält Diess nichts: „Grüner Wasserstoff ist kostbar und energieintensiv“, schreibt er. Es werde dringend für grünen Stahl und die Dekarbonisierung etwa der Chemieindustrie gebraucht. Dagegen hatte im Wahlkampf vor allem FDP-Chef Christian Lindner die Wasserstofftechnologie immer wieder als Alternative zum Elektroantrieb ins Spiel gebracht.
Umweltverbände begrüßen den Aufschlag des VW-Chefs. „Der Vorstoß geht in die richtige Richtung“, sagt Michael Müller-Görnert vom ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD). Ein höherer CO2-Preis sei wichtig, damit eine Lenkungswirkung erreicht werde. „Man darf aber den sozialen Ausgleich nicht vergessen“, betont er. Die Forderungen von Diess hält er für glaubwürdig. VW setze auf E-Autos, dafür müssten die Rahmenbedingungen geschaffen werden. Es habe Gewicht, wenn der Chef eines der größten Autokonzerne der Welt solche Forderungen erhebe, ist Müller-Görnert überzeugt. „Das kann auch die FDP nicht ignorieren“, sagt er.
Michael Remy, Referent für Energie und Klima beim Naturschutzverband BUND Bayern, findet ebenfalls, dass Diess richtig liegt. „Daran sieht man, dass die Ideen der Klimaschützerinnen und Klimaschützer und der Industrie sich nicht entgegenstehen“, sagt er.
Imagepflege nach Dieselbetrug
Abwehrend reagiert der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). „Für die deutsche Industrie zählt beim CO2-Preis die langfristige Planbarkeit“, sagt Carsten Rolle, Abteilungsleiter Klima- und Energiepolitik. Der Verband warnt davor, dass Unternehmen aus dem energieintensiven Mittelstand abwandern. „Unternehmen ächzen schon heute unter stark gestiegenen Gas- und Strompreisen.“
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) bleibt zurückhaltend. „Der Preis ist Ergebnis des Marktes“, sagt ein Sprecher. „Ein höherer Preis ist sinnvoll, aber staatliche Detailfestlegungen sind nicht marktwirtschaftlich und führen auch nicht zu mehr Klimaschutz.“
Mit dem Vorstoß verbessert der VW-Chef auch das Image des Konzerns, das durch den Dieselbetrugsskandals stark gelitten hat. In Deutschland hat VW im Zuge einer Musterfeststellungsklage fast einer Viertelmillion Kund:innen Schadenersatz gezahlt. In vielen europäischen Ländern warten Kund:innen noch auf eine Entschädigung. EU-Justizkommissar Didier Reynders forderte VW am Dienstag auf, nicht länger auf Zeit zu spielen. Der Konzern müsse „außerhalb von Deutschland genauso entschlossen handeln wie in Deutschland“.
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