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Klimaexperiment in Rheinland-PfalzItalienische Eichen am Rhein

Das Waldsterben durch den Klimawandel macht es nötig: Der Anbauverband Naturland diskutiert seine Richtlinien für naturnahe Forste.

Hier war mal nicht der Klimawandel schuld: Illegal gefällte Eichen und Buchen in Rheinland-Pfalz Foto: dpa

Berlin taz | Das Waldsterben durch Klimawandel verändert wohl auch den ökologischen Waldbau: Fremde Bäume sind in naturnah bewirtschafteten Wäldern bislang nicht gern gesehen. Trotzdem pflanzt das Forstamt Boppard in den rheinland-pfälzischen Staatswäldern am heutigen Montag 5.000 Setzlinge von Flaum- und Zerr­eichen aus Italien.

Unter den rund 200.000 Bäumchen, die das Forstamt in dieser Saison pflanzt, sind die Einwanderer, die eigentlich in Südost- und Südeuropa beheimatet sind, ein eher kleiner Posten. Für Forstamtsleiter Axel Henke sind sie aber von großer Bedeutung: „Wir erproben mit ihnen, ob sie mit unseren Bedingungen zurecht kommen“, sagt Henke, „verrottet das Laub, siedeln sich Insekten in altem Holz an?“ Oder anders gesagt: Fügen sich die Eichen aus dem Süden in das bestehende Ökosystem am Rhein ein?

Nötig macht das Experiment der Klimawandel, der auch den FSC-zertifizierten Wäldern des Forstamtes Boppard arg zu schaffen macht. Schon lange setzt man dort auf einen möglichst artenreichen Mischwald, in dem neben Buchen auch Arten wie Wildbirne und -Apfel oder Kirschpflaumen vorkommen. Man setzt vor allem auf Bäume, die in den Wärmeperioden seit der letzten Eiszeit schon einmal in den Mischwäldern Mitteleuropas vorkamen.

Bislang erlaubt das Forstsiegel des Forest Stewardship Council (FSC) „nicht heimische Baumarten“ bis zu einem Anteil von 20 Prozent, berechnet auf die Fläche des zertifizierten Forstbetriebs. In besonders schützenswerten Gebieten – etwa mit FFH-Status – sind keine nicht heimischen Arten erlaubt. Auch die Richtlinien des Öko-Anbauverbands Naturland schreiben heimische, an lokale Umweltfaktoren angepasste Baumarten vor. Allerdings diskutiert man hier, die Richtlinien an die neuen Bedingungen anzupassen. Vergangene Woche trafen sich dazu die forstlichen Mitgliedsbetriebe online.

Dabei sei das „Potenzial unserer heimischen Baumarten und verwandter Arten, überwiegend aus angrenzenden europäischen Regionen“ beleuchtet worden, sagt Naturland-Sprecher Markus Fadl. Hintergrund dieser Diskussion sei „die enorme Herausforderung, die der Klimawandel gerade auch für den Wald darstellt“, so Fadl. „In 50 Jahren wird der Wald in Deutschland anders aussehen als heute. Es geht darum, wie der Wald in die Zukunft gerettet werden kann – und zwar nicht nur als Wirtschaftsfaktor, sondern als wichtiges Ökosystem.“ Ob Naturland seine Richtlinien anpasse, sei noch offen.

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3 Kommentare

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  • Ja - für die schönen heimischen Fichten haben wir dann keinen Platz mehr! Die Fehler in der Forstwirtschaft und noch viel mehr die Folgen des von uns allen verursachten Klimawandels sind schon augenfällig. Aber den in 'ordentlicher' Reihe und unter akkurater Berücksichtigung exakten Abstandes gepflanzten Fichten weinen wir nicht nach.

  • Dumm gelaufen, Europa: durch die Alpen als biogeographische Barriere ist es nicht einfach, ein ökologisches Äquivalent zu den hierzulande im Rückgang befindlichen Baumarten zu finden. In Nordamerika ist es einfach, es gibt Ökosysteme östlich und westlich der Rocky Mountains, deren jeweiliges Artenspektrum einen schönen Gradienten von Nord nach Süd ohne große Brüche bildet.

    Experimente wie das in Boppard sind also unbedingt notwendig, denn wir müssen in Mitteleuropa in diesem Jahrhundert ganz neuartige Waldökosysteme quasi aus dem Nichts und mit bislang nur extrem schmaler Datenbasis aufbauen. In Kalifornien zB kann man es dabei belassen, dem natürlichen Nordwärtswandern von Gehölzarten ein bisschen nachzuhelfen; in Mitteleuropa ist es hingegen fast reine Handarbeit, weil die Alpen die Ausbreitung nach Norden behindern.

    • @Ajuga:

      Der Fehler liegt darin, dass wir meinen, wir könnten als Menschheit ein "neues Ökosystem" etablieren. Tatsächlich wäre es vermutlich vernünftiger, in der Hauptsache einfach abzuwarten, was mit dem Wald passiert. Dafür brauchen wir sehr große Flächen, die überhaupt nicht angetastet werden. Von mir aus kann man da auch mal auf der ein- oder anderen Fläche etwas herumexperimentieren, aber unsere Bäume weisen immer noch eine erstaunliche, ökologische Bandbreite auf - daraus könnte man die Zukunft schöpfen.