Klima als wahlbestimmendes Thema: Eigene Anschauung hilft
Der Klimawandel wird in Europa zu einem stärker wahlbestimmenden Thema, zeigt eine Studie. Allerdings abhängig von der sozialen Lage.
Gut oder schlecht ist ja oft eine Sache der Perspektive. Das Ergebnis der Grünen bei den Bundestagswahlen im letzten Herbst zum Beispiel. Waren sie nun erfolgreich oder nicht?
Ein Sprung um fast 5 Prozentpunkte, aus dem ein- in den zweistelligen Bereich, eigentlich ganz ordentlich. Aber nachdem man selbstbewusst statt nur einer Spitzen- ausdrücklich eine Kanzlerkandidatin aufgestellt hatte, mussten die dann erreichten nicht mal ganz 15 Prozent läppisch wirken. Ein Misserfolg dann also. Und das, nachdem die tödliche und teure Hochwasserkatastrophe im Sommer den Wahrheitsgehalt einer grünen Kernaussage so deutlich sichtbar gemacht hatte: Die Klimakrise ist gefährlich, und sie muss effektiv aufgehalten werden.
Insgesamt gibt es aber in Europa doch das Phänomen der Klimawahl. Das zeigt eine im Fachmagazin Nature erschienene Studie, in der Wissenschaftler:innen Daten aus den Eurobarometer-Umfragen von 2002 bis 2019 sowie Europawahlergebnisse und klimatologische Daten statistisch auswerteten.
Das heißt: Wenn die Folgen der Klimakrise durch extremes Wetter sichtbarer sind, wählen auch mehr Menschen die grünen Parteien. Auch hier ist sie wieder, die Sache mit der Perspektive. Dass die Klimakrise immer deutlicher wütet, ist tragisch. Dass Menschen erkennen, dass Klimaschutz in ihrem Interesse liegt und entsprechend wählen, ist aber nötig. In der Studie geht es – nebenbei bemerkt – nicht um eine Analyse dazu, ob die grünen Parteien wirklich immer die sind, die das stärkste Klimaprogramm haben, sondern um den ökologischen Markenkern.
Wechselnde Perspektiven
„Die Daten zeigen eine signifikante und beträchtliche Auswirkung von Temperaturanomalien, Hitze- und Trockenperioden auf das Umweltbewusstsein und die Wahlstimmen für grüne Parteien“, sagt der Sozialwissenschaftler Roman Hoffmann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, der Erstautor der Studie ist. „Interessanterweise waren die Auswirkungen am stärksten in Regionen mit gemäßigtem und kälterem Klima und in Regionen mit heißerem, mediterranem Klima schwächer.“
Schon wieder unterschiedliche Perspektiven. Worin die eigentlich genau bestehen, ist dabei gar nicht so leicht zu sagen. Einen Erklärungsansatz sehen die Wissenschaftler:innen in der ökonomischen Lage. Wo es wirtschaftlich kriselt, das ergab die Studie, ist der Effekt kleiner. Fehlt das Geld, wachsen Umweltbewusstsein und Unterstützung grüner Parteien trotz merklicher Klimaveränderung nicht so stark.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin