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Klima-Forderungen der Linkspartei100 Milliarden fürs Klima

Die Linke hat ein ökosoziales Programm vorgestellt. Ihre Kritik an der Regierung: Die Senkung der Emissionen müsse schneller und gerechter gehen.

Vize-Vorsitzender der Partei DIE LINKE stellt am Montag das Sofortprogramm für Klimaschutz vor Foto: Britta Pedersen/dpa

Berlin taz | Nachdem Linken-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali tags zuvor angekündigt hatte, bei der nächsten Vorstandswahl nicht mehr anzutreten, ging es am Montag endlich wieder um Inhalte: Der stellvertretende Parteivorsitzende Lorenz Gösta Beutin stellte ein Klimaschutz-Sofortprogramm seiner Partei vor, das ein Volumen von 100 Milliarden Euro haben soll. Um das zu finanzieren, will die Linke die Schuldenbremse aussetzen.

Das Programm ist ein Rundumschlag über alle Bereiche: So sollen die Ausbauzahlen bei der Windkraft deutlich gesteigert und die Antragsverfahren entschlackt werden. Die Energiewende dürfe nicht an Konzerne verkauft werden, Genossenschaften und Kommunen müssten gefördert werden, heißt es. Die Übertragungsnetze beispielsweise sollen verstaatlicht werden.

„Wir brauchen diese Monopole mit Gewinn nicht“, so Beutin. In Dänemark etwa sei es jetzt schon verboten, Profit mit der Wärme zu erzielen. Es brauche eine „staatliche Preisaufsicht mit Durchgriffsrecht“.

Die Bahn will die Linke im Gegensatz zu FDP und Grünen nicht zerschlagen. Schiene und Betrieb müssten in einer Hand sein, allerdings soll der Konzern eine Anstalt öffentlichen Rechts werden. Auch Klimajobs sollen geschaffen werden: 200.000 neue Stellen bei den Verkehrsbetrieben und 2.000 Arbeitsplätze beim Bau von Schienenfahrzeugen, Bussen und Bahninfrastruktur.

„Es darf nicht nach 18 Uhr kein Bus mehr fahren“

Parallel fordert Beutin ein Verbot von Kurzstreckenflügen und Privatjets. Im Straßenverkehr soll auf Autobahnen Tempo 120, auf Landstraßen Tempo 80 und in Städten Tempo 30 gelten. Ländliche Gebiete sollen eine bessere ÖPNV-Anbindung bekommen, es „darf nicht nach 18 Uhr am Dorf kein Bus mehr fahren“.

Für das derzeitige Handeln der Bundesregierung hatte der Linke wenig Verständnis: Es sei demokratiegefährdend und ein „Aufbauprogramm für die AfD“. So werde man die Klimaziele für 2030 nicht einhalten können und habe auch „keine Chance, Klimaneutralität 2045 zu erreichen“. Die Ampelkoalition schleife gerade das Klimaschutzgesetz, wenn sie im Verkehrs- und Wärmebereich keine Sofortmaßnahmen ergreife.

„Klimaschutz wird nur dann Akzeptanz finden, wenn er sozial gerecht gemacht wird“, meinte Beutin. Er verwies auf aktuelle Umfragen, wonach 60 Prozent der Deutschen für mehr statt für weniger Klimaschutz seien. Zwei Drittel hätten aber Angst, dass Klimaschutz sozial ungerecht stattfinde. In den letzten 25 Jahren habe die ärmere Hälfte der Bevölkerung in Europa 25 Prozent ihrer CO2-Emissionen eingespart, die reichsten 10 Prozent hätten ihre deutlich gesteigert.

Weiter erklärte Beutin, die Linke wolle die Menschen darauf vorbereiten, dass eine Anpassung an veränderte Klimaverhältnisse nötig sein wird. Eine Erderwärmung von 1,5 Grad ist gerade ein Best-Case-Szenario. Hitzewellen und Überschwemmungen wären dann Alltag. Also bräuchten Städte mehr Grün, Bäume und Flächen, wo Wasser versickern kann. Außerdem befürchtet Beutin zunehmenden Wassermangel. Deshalb dürfe die Wasserversorgung nicht privaten Konzernen überlassen werden.

Deutschland müsse sich zudem klarmachen, dass es mit seinen Emissionen Klimakatastrophen befeuert. „Es reicht nicht, den Kapitalismus grün anzumalen“, so Beutin. Klimaschutz dürfe nicht zulasten des Globalen Südens gehen.

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15 Kommentare

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  • "Um das zu finanzieren, will die Linke die Schuldenbremse aussetzen."



    "Aussetzund der Schuldenbremse" scheint zur Zeit eine Art Allheilmittel zu sein, nicht nur bei der Linken.



    Dass man durch Mausklicken zwar Geld schöpfen kann, aber keinen Wert, scheint in Vergessenheit geraten zu sein. Marx rotiert im Grabe.

    • @sollndas:

      Seltsam, in den USA ist das "Geldschöpfen per Mausclick" seit Jahrzehnten gängige Praxis. Funktioniert wunderbar.

      Die Schuldenbremse dient einzig und allein dazu, neoliberale Politik alternativlos zu machen. Alles andere ist vorgeschoben.

      • @Kaboom:

        "Seltsam, in den USA..."



        Ja, in den USA geht das. Warum? Weil der Dollar die weltweite Leitwährung ist. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus: Deren "deficit spending" geht auf Kosten aller anderen Volkswirtschaften der Welt.



        Versuchen Sie das in irgendeiner anderen Volkswirtschaft, geht deren Währung in den Keller. Beispiele sind z.B. Griechenland, Argentinien, Türkei, Venezuela, ...



        Besonders krass wird es, wenn laufende Kosten (wie z.B. ein 9-Euro-Ticket) aus einem Sondervermögen bezahlt werden sollen.

    • @sollndas:

      Mit dem geschöpften Geld sollen mehr Werte geschaffen werden. Exakt darum geht es doch. Nennen Sie es halt "Öko-Keynesianismus".

      • @Ajuga:

        Mit etwas, das keinen Wert hat, kann man keinen Wert schaffen. Neu geschöpftes Geld muss erst einen Wert bekommen, bevor man sich damit etwas kaufen kann. Wo klaut "es" sich den zusammen?



        Des Fetischcharakters entkleidet: Natürlich ist es nicht das Geld, das klaut, sondern es sind die Mausklicker, die klauen. Übrigens u.a. aus Ihrer Lohntüte, und aus den Taschen der ALG2-Empfänger. Wenn eine Bank "einen Kredit vergibt", dann vergibt sie garnichts. Sie und ich vergeben den Kredit.



        Zum Keynesianismus: Der setzt voraus, dass die Schulden wieder getilgt werden. Hat sowas irgendwo irgendwann schon einmal funktioniert?

  • Nichts, was einen dazu bringt, den Slip auf die Bühne zu werfen, aber auch nicht schlecht.

    Und dann noch im Antilopen Gang T-Shirt vorgetragen.

    Lit.

    • @Jim Hawkins:

      Wenn die den Kurs weiter so durchziehen, wähl ich die.

      Dann ist das die beste Partei, die ich mir in diesem Land vorstellen kann.

      Aber entscheidend wird halt das Personal sein. Viel versprechen kann die AfD auch.

  • Wenn es nicht bei der Linken alte Herren und Querdenker wie die herrschsüchtige Wagenknecht gäbe, wäre das an der Realität orientierte Programm ein wichtiger Wegweiser für eine erneuerte Partei, die deutlich mehr erreichen könnte, eine echte Opposition! Leider treffe ich in dieser Partei wie auch in der Friedensbewegung ('Pazifisten') oder bei ATTAC (DDR-) Oldies an, die eine so dringend benötigte fortschrittliche Politik verhindern.

  • Das ist doch mal eine Aussage. Welch ein Gegensatz zu dem, was der Aufmerksamkeitssüchtige Juraprofessor aus Berlin in Sachen Benzinpreis (100Euro/l)und ÖPNV (selbst schuld, wenn man aufm Land lebt, als ob man sich das immer aussuchen könnte).



    Leider, so befürchte ich, wird dieses Programmm wohl von den meisten Medien und Mainstreampolitikern mit "wer soll das bezahlen " flachgeplättet".Im mindesten jedoch müde belächelt.



    Aber: vielleicht gibt's ja doch bissel Aufwind für die Linke

    • @Andreas Horn:

      Ich hoffe, das Flachplätten wird nicht so einfach fallen.

      Immerhin sind das Ideen, die geradezu von Biden abgekupfert sind - und der ist so Mainstream und "bürgerliche Mitte", wie ein Politiker nur sein kann.

      Radikal ist daran nichts. Es ist das Gebot der Zeit[*]; nicht mehr und nicht weniger.

      [*] Naturkatastrophen sind nicht Schumpeters "kreative Zerstörung" - aber sie können zwecks Aufbau einer zukunftsfähigen Wirtschaft schumpeterisiert werden:



      Wieviele Benziner alleine in Beijing werden wohl nach Taifun Doksuri durch Elektroautos ersetzt werden müssen, weil sie nur noch Schrottwert haben?



      Wieviele Altbauten aus dem (vor)letzten Jahrhundert müssen in slowenischen Bergdörfern nun neugebaut oder zumindest von Grund auf saniert werden - und das hoffentlich mit besserer Wärmedämmung und Heizanlage?

      Das geht aber nur mit großzügigen Zuschüssen durch die öffentliche Hand.

  • Das wäre der Weg. Und wenn das gut kommuniziert wird, wird die Linke wieder auferstehen können.



    Bitte konstruktiv und laut !

  • Das ist der Weg, nur vermutlich nicht besonders populär :-/

    • @Jugend:

      Was soll daran unpopulär sein. Da steht nichts von weniger Wohlstand, teurerer Energie. Es gibt mehr Geld und alle sind happy. Außer die natürlich, die bei privaten Bahnen arbeiten :-)

    • @Jugend:

      Noch nicht.

      Aber wer als Erstwähler*in politisch links steht, hat buchstäblich keine bessere Option.

      Und das ist wichtig.



      In den letzten Jahren machte die Linkspartei nämlich - wegen dem alles übertönenden Krakeele der Zarenknechte - den Eindruck einer Partei, die für wohlhabende über70jährige besser als die FDP, für prekäre unter30jährige hingegen Selbstmord auf Raten ist.

      Das hier ist endlich wieder "der Zukunft zugewandt".