Kleinparteien bei der Europawahl: Manchmal sind Kleine fast groß
Die Parteien Volt und BSW sind in Berlin besonders erfolgreich, erstere vor allem im Westen, letztere im Osten. Also dort, wo auch die AfD stark ist.
Der Erfolg von Volt ist für den Politikwissenschaftler Antonios Souris von der Freien Universität ein Zeichen dafür, dass die Wahlkampfstrategie der Europa-Freunde aufgegangen ist. Man habe sehr viele Volt-Plakate in den innerstädtischen Bezirken gesehen. Aber auch in Dahlem rund um die FU – also überall dort, wo „die liberale, proeuropäische, urbane, wahrscheinlich auch relativ junge Wählerschicht“ am ehesten anzutreffen sei. Bei dieser Klientel komme die Darstellung von Volt als europapolitische Alternative zu Grünen oder SPD offensichtlich gut an. „Volt hat in Berlin für eine Kleinpartei extreme Präsenz gezeigt und ist belohnt worden“, so Souris am Montag zur taz.
Erfolgreich sei die Partei vor allem dort, wo auch die Grünen eine starke Bastion haben, sagte Souris. Womöglich habe Volt auch vom Schwächeln der „Partei“ profitiert, die 2019 in Berlin sehr stark war (4,9 Prozent), nun aber auf 3,5 abgerutscht ist (Bund: 1,9). Hierbei könnte der kontrovers diskutierte Austritt von Nico Semsrott aus der „Partei“ eine Rolle gespielt haben, vermutet Souris. Die meisten Stimmen holte Volt in Friedrichshain-Kreuzberg (7,3 Prozent, Grüne: 31,7) und Mitte (7,1, Grüne: 26,2).
Das BSW wiederum schneidet dort wie auch in Neukölln zwar nicht schlecht ab, bleibt hier aber hinter der Linkspartei, die 10 (Mitte, Neukölln) bis 13 Prozent (Friedrichshain-Kreuzberg) holen kann. Den großen Erfolg hat das BSW im Osten: In Marzahn-Hellersdorf wählten 17,1 Prozent das Bündnis (und 25,3 Prozent AfD), in Lichtenberg 15,2 (AfD 17,5), in Treptow-Köpenick 14 (AfD 17,3). „Vor allem in den Ostbezirken scheint es eine Wachablösung von Linken zum BSW zu geben, die überall dort stark zu sein scheint, wo die AfD es ist“, sagt Souris.
Einzigartiges „Angebot“
Was die Wählerklientel des BSW angeht, stellt Souris fest, dass die Partei ein „Angebot“ mache, das es so bisher in der deutschen Parteienlandschaft nicht gebe. Während die Linke nicht nur ökonomisch, sondern auch sozial, kulturell und gesellschaftlich linke Positionen vertrete, sei das Bündnis Sahra Wagenknecht quasi eine umgekehrte FDP. „Das BSW ist zwar ökonomisch links, zum Beispiel für einen starken Sozialstaat, dabei aber migrationsskeptisch und vertritt überhaupt auf gesellschaftspolitischer Ebene auch konservative Positionen.“ Man werde sehen müssen, ob dieser Ansatz auf Dauer in Deutschland Erfolg haben wird.
„Was man auf jeden Fall sagen kann, ist, dass die Berliner*innen besonders experimentierfreudig und kleinen Parteien gegenüber aufgeschlossen sind“, sagt Souris.
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