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Kleines Recht auf Wohnen

Immer mehr Städte interessieren sich für Housing First. Doch Wohnungen sind rar

So langsam dröppelt sie in deutsche Stadtverwaltungen und -räte, die Idee von Housing First: Seit 2017 gibt es in Düsseldorf ein Projekt, mittlerweile planen mehr als 20 Kommunen Programme, um Obdachlosen eine eigene Wohnung anbieten zu können. Die drei Stadtstaaten sind dabei, richtig verbreitet ist Housing First in Nordrhein-Westfalen, der Norden gilt als Housing-First-affiner als der Süden, aber auch Stuttgart und Ulm entwickeln Konzepte. Saarbrücken vergibt bereits Wohnungen.

Freilich: Housing First als reguläres Mittel der Sozialpolitik, davon ist Deutschland noch weit entfernt. Die Studien aus den USA und Europa sind zwar deutlich: Housing First funktioniert, die Zahl der Obdachlosen sinkt damit um etwa 30 Prozent.

Ganz geheuer ist die Idee den Kommunen aber offenbar nicht, sie starten bisher nur Modellprojekte. Die meisten sind von geringer Größe. 15 Wohneinheiten etwa gibt es in Hannover, 30 sollen in Hamburg entstehen, in Bremen jährlich 35. Zum Vergleich: Es gibt bundesweit wohl 50.000 Obdachlose.

Die Zurückhaltung hängt auch mit praktischen Erwägungen zusammen: Günstiger Wohnraum in den Städten ist knapp. Aus Sicht der Träger der Obdachlosenhilfe ist das ein Risiko, meint Housing-First-Forscher Volker Busch-Geertsema: Kli­en­t*in­nen bleiben dauerhaft in ihren Wohnungen; wenn sie keine Hilfe mehr benötigen, müssen die Träger neue Wohnungen finden, in die Obdachlose ziehen können – sonst stehen die So­zial­ar­bei­te­r*in­nen ohne Aufgabe da. „Auch ein sozialer Träger muss rechnen, wie er seine Mitarbeiter einsetzt“, so Busch-Geertsema.

Frühe Housing-First-Projekte gab es deshalb dort, wo private Initiativen in Wohnraum investiert haben: In Kiel hat die Hempels-Stiftung Anfang 2018 ein Haus für ein eigenes Housing-First-Projekt gekauft, in Hannover hat die Stiftung „Ein Zuhause“ mit Unterstützung der Stadt die Wohnungen selbst gebaut. Auch für das erste deutsche Housing-First-Projekt gilt das: In Düsseldorf trägt die Obdachlosenzeitung Fifty-fifty seit 2017 einen Housing First Fonds. Mit dem Erlös aus gespendeten Werken des Malers Gerhard Richter wird der Ankauf von Wohnungen finanziert. Seit 2017 wurden so Projekte in 11 Partnerstädten gestartet, Köln und Münster sind dabei, aber auch Kleinstädte wie Langenfeld und Espelkamp.

Wo es kein privates Geld gibt, empfiehlt Busch-­Geert­se­ma den Kommunen,die Wohnungen nicht nur über die Träger anmieten zu lassen, sondern selber Wohnraum vorzuhalten: Bremen etwa kauft sich Belegrechte bei privaten Ver­mie­te­r*in­nen. Lotta Drügemöller

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