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Kleidungssiegel „Grüner Knopf“Kleider-Streiken statt Grün-Knöpfen

Der „Grüne Knopf“ von Minister Müller löst das Problem der Fast Fashion nicht. Mehr erreichen könnten die Verbraucher – durch Nichtstun.

Nicht jedes Schnäppchen macht gute Gefühle Foto: dpa

Jetzt ist er also endlich da, der Grüne Knopf. Lange entwickelt, darf das neue Label künftig an Textilien stecken, deren Herstellung bestimmte soziale und ökologische Kriterien erfüllt. Kundinnen und Kunden, die Wert auf die Produktionsbedingungen ihrer Kleidung legen, können sich auf ihren Shoppingtouren nach noch einem weiteren Siegel richten.

Sicherlich wird der Grüne Knopf auch in all die Ratgeber aufgenommen, die für Interessierte die Kriterien der jeweiligen Siegel, ihre Stärken und Schwächen einordnen: Garantieren sie bloß staatliche Mindestlöhne oder schon die für ein gutes Leben notwendigen? Wie streng ist das Chemikalienmanagement? Ist die Baumwolle nur gentechnikfrei oder bio? Und welchen Wasserfußabdruck hat die Biobaumwolle?

Schon jetzt erfordert ethisch korrekter Kleiderkonsum ein hohes Maß an Informationsbereitschaft. Das ändert auch der Grüne Knopf nicht. Und so ist die Erfindung des hochanständigen und tapferen Entwicklungsministers Gerd Müller ein trauriges Beispiel dafür, dass sich kein richtiges Regieren im Falschen machen lässt.

Korrekter Konsum erfordert eine hohe Informationsbereitschaft

Das zeigt ein Blick in die Lebensmittelregale der Discounter, die künftig auch „besonders nachhaltig produzierte Textilien“ mit dem Knopf auszeichnen wollen (wie zum Beispiel Aldi). Sie bieten ja schon jetzt einen stabilen, gemütlich wachsenden Anteil an Biolebensmitteln an. Damit erfüllen sie eine Nachfrage ihrer Kunden – Demeter-Eier, Bioland-Milch und Fairtrade-Schokolade fügen sich problemlos in den Rest des Sortiments ein. Nun ist zwar jedes Ei aus ökologischer Haltung, in der Hennen ausreichend Auslauf haben und männliche Küken erst mal leben dürfen, gut.

Was tun? Streiken natürlich!

Aber die empörenden Zustände der industriellen Landwirtschaft, die Tierquälerei und die negativen Auswirkungen auf die biologische Vielfalt und das Klima hat die Biolandwirtschaft nicht abgestellt. Sie ist ein Labor, in dem gezeigt wird, wie ein besseres Wirtschaften möglich wäre, darum ist sie so wichtig. Abgesehen davon bietet sie gesunde Lebensmittel, auch das ist schön.

Die Agrarkrise jedoch löst sie nicht. Das könnte nur eine Landwirtschaftspolitik, die Subventionen umschichtet und die Regulierung nach den Maßstäben des Tierschutzes und der Ökologie ausrichtet.

Nun hat Entwicklungsminister Müller mit seinem Einsatz für bessere Kleidung ein ungleich dickeres Brett zu bohren als seine Kollegin Klöckner im Agrarressort. Während die nämlich für eine bessere Landwirtschaft nur ihre Furcht vor den Lobbyisten der Lebensmittel- und Chemieindustrie ablegen müsste, hat er es mit weltweiten Lieferketten zu tun, in die er gesetzlich nur schwer eingreifen kann.

Zwar fordern die maßgeblichen Organisationen aus dem Entwicklungs- und Umweltbereich, Kirchen und Gewerkschaften ebendas: ein Lieferkettengesetz. Aber wie und mit welchem Recht Deutschland sanktionsfähige Vorgaben an die Produktion in anderen Ländern machen kann und wie diese dann wasserdicht überprüft werden sollen, ist bis jetzt auch noch nicht so ganz schlüssig.

Was also tun? Streiken, ganz klar, und zwar nicht nur freitags. Jeder Deutsche kauft, im Schnitt, jährlich 60 Kleidungsstücke. Dabei zeigt ein Blick in jeden durchschnittlichen Kleiderschrank: Alles ist gerammelt voll, überfüllt, zu viel. Eigentlich müsste kaum ein Bundesbürger jemals in seinem Leben wieder eine neue Hose oder Jacke kaufen – egal, welche Farbe ihre Knöpfe haben.

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13 Kommentare

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  • Es wäre schön, wenn ein Minister wie Gerd Müller, der wirklich etwas verändern will und daran auch schon seit Jahren arbeitet, auch mal Landwirtschaftsminister würde.

  • "Aber die empörenden Zustände der industriellen Landwirtschaft"

    Die industrielle Landwirtschaft hat es geschafft, bei der gleichen Anbaufläche, eine vielfache Steigerung der Erträge pro ha und dadurch die Ernährung der zusätzlichen 4,5 Mrd.Menschen in den letzten 60 JAhren.

  • 0G
    06678 (Profil gelöscht)

    Der Konsumwahnsinn muss endlich ein Ende haben, es ist nicht so lange her, da hatte man Schuhe, die hielten Jahre und wenn damit etwas nicht ok war, dann brachte man sie zum Schuster.



    Kleingewerbe waren mal eine feste Einkommensquelle und Garantie für ein gesichters Leben. Das war eine Infrastruktur, die ausser katastrophen und Krisenzeiten, fast jedem eine feste Arbeitsstelle bot, die sicher, einträchtig und zufriedenstellend war, für die meisten. Wer baut heute noch eigenes Obst und Gemüse an, wer macht ein, macht sich die Marmelade für den morgentlichen Aufstrich selbst, wer strickt sich einen Pullover ? Die wenigsten, die Leute, wenn man das so sagen kann, lachen ja, wenn man ihnen mit sowas kommt " was ? du machst sowas ? hast du zuviel Zeit ? Lebst du noch im 19en Jahrhundert ?" Dabei ist ein selbstgemachtes Kleidungsstück, das ein Leben lang hält, mit Materialien und einem Arbeitsaufwand, die im Handel ein Vermögen kosten, der reinste Genuss.

  • wie heißt es so schön: Jede Quantität schlägt ab irgend einem Punkt in eine neue Qualität um.

  • Vielen Dank für Ihre klare Position! Der schließe ich mich an. Für den Fall, daß man doch mal wieder ein neues Kleidungsstück benötigt, kann man eins mit Grünem Knopf kaufen.

    • @shashikant:

      Zum Kleidung kaufen gibt es seit vielen Jahren weitaus "grünere" und ethischere Label.

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Na schön, über wir den schönen protestantischen Verzicht. Alle Angestellten in der Textilindustrie werden arbeitslos, alle Läden schließen und die Ausgebeuteten in Indien und Pakistan verdienen nicht einmal mehr ihren Hungerlohn.

    Denkt man diesen Ansatz zu Ende, wohnen wir am besten alle in Bambushütten und gehen der Feldarbeit nach.

    Adieu, "ungeheure Warensammlung".

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Faire Löhne und ein normaler Achtstundentag, aufgrund einer gesunkenen Nachfrage, würden sich ausgleichen und die Arbeitsplätze währen sicher. Voraussetzung währe die Bereitschaft ein bisschen mehr für ein Kleidungsstück zu bezahlen,was direkt den Arbeitern zugute kommen müsste. Es muss mal Schluss damit sein, dass die Leute mit vier prall gefüllten Tüten mit Billigklamotten aus dem Primark kommen. Es kann nicht angehen das die Baumwollbauern und die Näher im sozialen Elend leben. Die leben in Bambushütten (wenn überhaupt!). Totalverzicht ist natürlich keine Lösung. Was wir eigentlich brauchen, ist eine globale soziale Marktwirtschaft. Ich weis, ist ein Traum.

    • @88181 (Profil gelöscht):

      Weniger konsumieren ist ein Beitrag zur Ressourceneinsparung und diese Voraussetzung dafür, die Klimakatastrophe und Artensterben möglichst "gering" zu halten.



      Das wird nicht für jeden erfreulich sein, aber später werden die Menschen froh sein, diesen Kurs gewählt zu haben.



      Die Idee mit den Bambushütten und Feldarbeit klingt unvorstellbar. Der Untergang des Planeten Erde auch.

      • 8G
        88181 (Profil gelöscht)
        @shashikant:

        Nun gut, das mit den Hütten war etwas überspitzt.

        Was ich meine ist, dass der Kapitalismus nur existieren kann, wenn er wächst und wächst und wächst. Schrumpfen bedeutet Krise und gewaltige gesellschaftliche Verwerfungen.

        Und das tut er, praktisch wie ein Tumor und der Preis dafür sind Umweltzerstörung, Kriege, Hunger und eben eine Klimakatastrophe.

        Wenn man betrachtet, was in diesem Zusammenhang in den letzten Jahrzehnten an Verheerungen angerichtet wurden, ist das schon allerhand.

        Und wenn man jetzt fröhlich flötet: "Ich kaufe mir nie wieder eine Hose."

        Dann ändert das ganz genau gar nichts und beruhigt nur das Gewissen der Hosenverzichterin.

        Solange das System an sich nicht infrage gestellt wird, kann man verzichten, demonstrieren und alles beklagen.

        Das ist dann eben die Folklore in der Demokratie.

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Der Kapitalismus besagt nur, welche Gesellschaft wieviel mehr Geld durch Tausch erwirtschaften muss.



          Hinsichtlich Konsumart (auch höherqualitativ/Handarbeit) besagt das nichts.



          Mit einer Kappungsgrenze und hoher Luxussteuer wäre dem gut gedient, wenn man das Geldsystem den Proletariern/Volk unter Kontrolle stellen könnte.

          Letzten Endes heißt Kapitalismus nur, dass alles effizienter werden muss, was auch der Sozialismus tuen muss, wenn er gegen den Kapitalismus gewinnen möchte.



          Kriege und Hunger sind vorrangig Misswirtschaft bzw. entgrenzter Spekulation(riesige Profite für Herrscher etc) geschuldet und bei der Klimasache existiert leider immer noch kein allgemein akzeptiertes, falsifizierbares Standardmodell.

          Umweltzerstörung ist dem ökonomischen System unabhängig des Kapitals inne.

          Übrigens hatte Hitler auch die Theorie der schrumpfenden Märkte:



          www.invidio.us/watch?v=go2OFpO8fyo



          [Denn wenn es ein Maximum des Wachstums gäbe, müssten die Märkte irgentwann schrumpfen]

        • @88181 (Profil gelöscht):

          Dh wenn wir genügend verzichten, können wir ganz ohne Klassenkampf usw. den Kapitalismus vernichten? Super, dann machen wir das doch! Gewinnen durch Nichtstun. Bequemer gehts nicht.