Klebriger Sportjournalismus: Sehnsucht nach Nähe
Am Sonntag feiert Tennisspielerin Andrea Petkovic ihr Debüt als ZDF-Sportmoderatorin. Es folgt der Überzeugung, Journalismus bräuchte keine Distanz.
A ndrea Petkovic muss sehr aufpassen, dass am Sonntag aus ihr nicht der Rudi Cerne wird. Petkovic, die ernstzunehmende und erfolgreiche Profitennisspielerin, wird nämlich am Sonntag erstmals als Moderatorin durch die „ZDF-Sportreportage“ führen. Und Cerne, der ZDF-Moderator, der heute irgendwo zwischen Ede-Zimmermann- und Harry-Valerien-Imitation changiert, war ja auch mal ein Weltklasseathlet: Eiskunstläufer, der Cerne aus Herne.
Nun also steht Petkovic da, wo auch Cerne manchmal steht und auch Kristin Otto, von der das ZDF beinah verschweigt, dass sie sechsfache Olympiasiegerin ist, weil das nicht so ganz zum noch von alten „Sportstudio“-Tagen rührenden Senderimage passt, man sei der Hort des hintergründigen und kritischen Sportjournalismus.
Das ist interessant, denn mit diesem Anspruch, sie wüssten doch, wie es zugeht, holt das ZDF ja gerne Exspitzensportler wie Cerne, Otto oder jetzt Petkovic. Und gerade die, die mit ihrer Expertise den Ruf der Anstalt als Sportsender verbessern sollen, lassen sich möglichst bald nicht mehr anmerken, wo sie herkommen.
Es ist das große Unverständnis, des ZDF – und vermutlich nicht nur dort –, was kritischer Sportjournalismus sein könnte. Als ob der aus einer möglichst großen Nähe zum Betrieb erwüchse. Das wäre ja in Analogie so, als würde die innenpolitische Berichterstattung am besten von Ex-Bundestagsabgeordneten geleistet, der Kulturjournalismus obliege früheren Malern, Schauspielerinnen oder Sängern – und den Wirtschaftsjournalismus sende man am besten direkt von der Frankfurter Börse. Ups, letzteres findet ja tatsächlich statt, und nun müsste man nur herausfinden, was zuerst da war: die Ranwanzerei an Aktionäre oder Funktionäre.
Weglassen unschöner Aspekte
Es fällt bei den Sendeanstalten gar nicht mehr auf, dass große Kenntnis von einem Gegenstand, egal ob Sport oder Wirtschaft, nicht einhergehen muss (und im Journalismus nicht einhergehen darf) mit Abhängigkeit davon. Dass Andrea Petkovic viel vom Sport im Allgemeinen und noch mehr vom Tennis im Besonderen versteht, ist ja unstrittig. Aber ist jemand, dessen Karriere gerade ausklingt und der folglich noch Gegenstand der Berichterstattung ist, automatisch qualifiziert, die Seite zu wechseln?
Sachlich und knapp geantwortet: Nein. Doch es schließt sich die schwierigere Frage an, warum die kritische Distanz immer weniger gewünscht wird – nicht nur bei Fernsehsendern (wohl auch bei Zeitungen, Radiostationen, Onlinediensten und Verlagen), sondern auch bei Zuschauern, Leserinnen und Hörern.
Bei Biografien gibt es diesen Trend schon lange: Nicht die unabhängige Recherche zählt, in deren Rahmen Archive durchwühlt werden, wo sowohl Freunde als auch Feinde des Menschen befragt werden, über den geschrieben wird. Was als authentisch gilt, ist die Nähe: Der Mensch selbst schreibt über sich (oder gibt zumindest seinen Namen her), und wenn die Person tot ist, dann verleihen Kinder, Enkel oder Cousins der Biografie den Stempel der Authentizität. Dass diese sympathisierende Nähe gerade das Weglassen eher unschöner Aspekte befördert, könnte man wissen. Man will es bloß nicht so genau.
Nun also tritt Andrea Petkovic vor die Kameras, moderiert, interviewt und, vielleicht, kommentiert auch. Es ist zu hoffen, dass sie möglichst schnell nicht mehr das machen wird, was von ihr im ZDF erwartet wird. Es ist zu hoffen, dass sie keine Nähe zu aktiven Sportlern herstellt, sondern schnell die Distanz sucht. Das Problem des ZDF aber dürfte sein, dass ein Rudi Cerne der jungen Kollegin auf dem nötigen Weg in den kritischen Journalismus kaum beistehen wird.ndrea
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