Tennisprofi Andrea Petković hört auf: Kampf gegen den Überwillen

Vor den US Open kündigt Andrea Petković das Ende ihrer Tenniskarriere an. Sie blickt auf eine lehrreiche Zeit zurück.

Andrea Petkovic beim Rückhandschlag

Immer das Beste geben: Andrea Petković hat stets hohe Ziele Foto: Rob Prange/ZUMA Wire/imago

Zehn Jahre nach dem Rücktritt von Steffi Graf war in Deutschland auf einmal die Rede von einer sehr begabten Tennisspielerin. Es ging allerdings spät in den Nullerjahren nicht um Angelique Kerber, Julia Görges, Tatjana Maria oder Sabine ­Lisicki, sondern zuerst um Andrea Petković, eine unbeschwerte Teenagerin aus Darmstadt, die sich gerade in der erweiterten Weltspitze etablierte. Petković war extrem ehrgeizig, dann aber kamen Verletzungen, viele Verletzungen. Die Mitstreiterinnen aus dem Nationalteam zogen an Petković vorbei, die „Ollen“, wie Petković sie nannte.

Im Moment sind sie gefühlt alle wieder dicht beisammen, die Spielerinnen aus der goldenen Generation des deutschen Frauentennis. Görges, Kerber, Petković. Görges hatte sich im letzten Herbst vom Tennis verabschiedet. Vor ein paar Tagen verkündete Kerber, dass sie ihr erstes Kind erwarte und nicht an den US Open teilnehmen werde. Ob sie jemals auf den Tennisplatz zurückkehren wird, ist offen.

Und nun auch Petković. In New York sagte sie am Sonntag: „Die US Open sind generell mein letztes Turnier.“ Vielleicht werde sie noch einen Wettbewerb in Europa dranhängen für die Freunde, Familie und Fans. Am Dienstag könnte sie gegen die Schweizer Olympiasiegerin Belinda Bencic tatsächlich bereits ihr letztes Grand-Slam-Match bestreiten.

Eine abenteuerliche Reise über fast zwei Dekaden geht für die inzwischen 34-Jährige zu Ende. Warum sie nicht in den ersten Jahren ihrer Karriere die großen Erfolge gefeiert hatte, wusste sie später genau: „Ich hatte damals eine wahnsinnig komplizierte Zeit, es war halt immer ein großer Überwillen in mir drin, der auch zu Verletzungen führte“, so Petković, „da bin ich total vom Weg abgekommen, habe auf niemanden mehr gehört, habe den Erfolg über alles gestellt“.

„Sturm der Vereinnahmung“

Der Mensch Petković, so Petković, sei egal gewesen, es sei fatalerweise nur noch um die Tennisspielerin gegangen. Zu früh sei der Erfolg gekommen: „Dieser Sturm der Vereinnahmung, diese große Unsere-Petko-Welle ließ mich irgendwie untergehen. Als Mensch konnte ich nicht mitwachsen.“

Petković begann, sich nebenbei anderen Interessen zu widmen. Sie studierte Politikwissenschaften und machte ein Praktikum in der Wiesbadener Staatskanzlei. Sie schrieb Zeitungskolumnen, ging später mit Rockbands auf Tour. Sie schlidderte aus den Top 100 heraus, bevor sie spät in ihren Zwanzigern erkannte: „Mein Leben hat viele Facetten, ich selbst habe viele Gesichter. Aber ich bin zuallererst Tennisspielerin. Und ich versuche, stets das Beste zu geben und habe großen Spaß daran.“ Und auch eins nahm sie sich vor: „Ich muss aufhören, der größte Kontrollfreak für mich selbst zu sein. Sie dürfe sich nicht „tagelang mit der Frage quälen, ob ich womöglich zu wenig gegessen oder zu wenig trainiert habe“.

Für manche Beobachter war es fast schon erstaunlich, dass Petković noch einmal aufdrehte, im letzten Jahr sogar ein Turnier in Rumänien gewann. Zu sehr war sie in ihren vielen Nebenrollen wahrgenommen worden, nicht zuletzt als Moderatorin der ZDF-Sportreportage oder als Autorin einer Autobiografie mit dem Titel „Zwischen Ruhm und Ehre liegt die Nacht“.

Einer der größten späten Tage für Petković spielte sich bei den French Open 2019 ab, beim Zweitrundenthriller gegen die Taiwanesin Hsieh – mit Happy End für die Darmstädterin. Petković spürte die Magie des Moments: „Heute dachte ich endlich wieder: Mann, was hast du für einen coolen Job. Ich weiß, dass es schwer wird, solche Momente zu ersetzen. Man darf aber auch gar nicht darauf hoffen.“

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