Klebrige Kulturvorschau: Aus Liebe zum Schleim
Das Theater für Niedersachsen beendet die Coronapause mit Tromas „Toxic Avenger“. Egal, ob's gut wird: Mit Schleim anzufangen, war schon mal richtig.
Blut! Sperma! Und Schleim! Na, zieht Sie so was gleich so richtig tief rein in einen Text? Das ist gut. Und ein bisschen ist’s auch Glück für Sie, weil hier drin eine wirklich fantastische Nachricht schlummert. Die ist toll. Und drumherum schleicht noch eine etwas kompliziertere Überlegung, die den albernen Einstieg erklärt.
Sie haben’s schon gemerkt: Das ist ein kleines Spiel mit der Hermetik von Texten, aber auch jener von Körpern, subkulturellen Szenen – und der des Theaterbetriebs. Nichts davon steht Ihnen einfach so offen, es braucht Zu- und vielleicht wichtiger noch: Übergänge. Womit wir beim Schleim wären.
Oft ist der nämlich ausgesprochen hilfreich da, wo es irgendwo reingehen soll, oder raus. Meistens harmlos und höchstens ein bisschen ekelig ist zum Beispiel das, was als Schnodder via Schleim aus der Nase kommt. Man sollte froh sein, dass es rausflutscht und einen nicht von Innen weiter plagt.
Wenn Sie dieses Thema in der Frühstückszeitung stört, tut mir das leid, aber es lässt sich auch nicht ändern. Denn fast immer gilt: Wo Schleim blubbert, sind Scham und Tabu nicht weit. Das gilt besonders für jene Körpergrenzen weiter unterhalb der Nase. Der Menstruationszyklus etwa zieht auf Schleim seine Kreise durchs Unbewusste – und dann irgendwann auch unten raus aus dem Körper. Auch Samenzellen kommen nur anständig eingeschleimt voran.
Jetzt die versprochene Nachricht: Nach Coronapause und Wasserschaden nimmt das Theater für Niedersachsen in Hildesheim seinen Spielbetrieb wieder auf. Gegeben wird „The Toxic Avenger – der Rächer der Verstrahlten“, 80er-Jahre-Trash-Film aus dem Troma-Kollektiv, als vermutlich nicht weniger beknacktes Musical. Da geht’s auch um Schleim.
Toxi, eine eher traurige Nerdgestalt und Putzkraft in der Muckibude, stürzt in einen Bottich grün blubbernden Schleims (Atommüll) und wird zu einem vage als Superheld gelabelten Monster. Satire auf Körperkult, Kostüme, FSK 18 … Sie ahnen, wo die Reise hinführt. Denken Sie dazu an die 80er, wo Schleim derart ikonisch für Comic-Kinder-Konsumwelten stand, dass er im Spielwarenhandel dosenweise käuflich zu erwerben war.
Besser lässt sich der kaltgestellte Kulturbetrieb kaum wieder lostreten. Nicht nur wegen der Urschleim-Metapher, sondern weil’s richtig lustig ist und es zuletzt nur wenig zu Lachen gab.
Aber kurz noch mal zum grünen Schleim, der ein ganz besonderer unter den Schleimen ist: Wenn Sie ihn etwa aushusten, ist das eine schlechte Nachricht. Im Qualitäts-TV, hier bei Troma eben, aber auch bei Ninja Turtles, Ghostbusters oder Batman ist der grüne Schleim vor allem auch Transgressionsmedium: Die meist unfreiwillig Eingeschleimten verändern sich nicht nur selbst, sondern bügeln gleich alle Kategorien derart grundsätzlich platt, dass ihre private Verwandlung die gesamte Gesellschaftsordnung mit ihrem Anhang aus Race, Class, Gender und so weiter infrage stellt. Und das ist doch toll, oder nicht? Neben „Hihi“, „Haha“ und „Hoho“ wäre das bereits der vierte Grund, sich auf und über Hildesheim zu freuen.
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