Klage wegen Fehmarnbelt-Querung: Ein Tunnel versinkt
Verzerrt EU-Zuschuss zur Fehmarnbelt-Querung den Wettbewerb? Europa-Gericht verhandelt Klage der Reederei gegen staatlichen Tunnelbetreiber.
Die Fährrederei Scandlines, die auf der Vogelfluglinie den Fährbetrieb über den Fehmarnbelt betreibt, klagt gegen den Zuschuss, den die EU-Kommission auf Antrag Dänemarks für das Tunnelprojekt zwischen Fehmarn und der dänischen Insel Lolland bewilligt hat. Dessen Gewährung sei „rechtsfehlerhaft“, heißt es in der Klagebegründung, weil er zu „unverhältnismäßigen Wettbewerbsverzerrungen“ führe.
Denn die Subvention aus Brüssel würde dazu beitragen, die florierende privatwirtschaftlich betriebene Fährrederei Scandlines durch die staatliche dänische Realisierungsgesellschaft Femern A/S vom Markt zu verdrängen. Und so eine Form von staatlich gelenktem Kapitalismus ist im gemeinsamen Markt der noch 28 EU-Staaten eigentlich des Teufels.
Beigeladen in dem Verfahren vor dem zweithöchsten Gericht der EU ist der Naturschutzbund (Nabu) Deutschland, der sich vehement gegen das Vorhaben wendet: „Ein unseriös finanziertes, infrastrukturell überflüssiges Vorhaben wie eine feste Fehmarnbelt-Querung, die auch nach Einschätzung von Fachleuten ohne adäquaten Bedarf ist, wäre allein mit Staatsmitteln lebensfähig“, begründet Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller das Vorgehen. Deshalb unterstütze der Nabu die Klage von Scandlines.
In den ersten Planungsunterlagen war Femern A/S davon ausgegangen, dass der Fährbetrieb auf dem Fehmarnbelt eingestellt würde, wenn der 19 Kilometer lange mautpflichtige Tunnel 2021 eröffnet würde. Vor elf Jahren jedoch wurde die Reederei privatisiert (siehe Kasten), Dänemark und Deutschland verloren ihren indirekten Einfluss auf das Unternehmen. Und das stellte sich prompt quer und erklärte, den Fährbetrieb mit modernen und schadstofffreien Hybridfähren weiterführen zu wollen: „Wir stellen uns dem Wettbewerb“, verkündete Scandlines selbstbewusst.
Die Fährrederei Scandlines entstand 1998 durch die Fusion der staatlichen dänischen Fährgesellschaft DSB und der deutschen DFO, einer Tochter der Deutschen Bahn.
2007 wurde die Reederei an die Finanzinvestoren 3i und Allianz Capital sowie die Deutsche Seereederei verkauft.
Neue Eigentümer sind seit Ende März 2018 zu je einem Drittel 3i sowie ein Konsortium aus den Vermögensverwaltern First State Investment und Hermes Investment Management. Der Kaufpreis betrug 1,7 Milliarden Euro.
Im Jahr 2016 beförderte Scandlines auf ihren Strecken Rødby–Puttgarden, Gedser–Rostock und Helsingør-Helsingborg 15 Millionen Passagiere, 3,2 Millionen Pkw, 64.000 Busse und eine Million Frachteinheiten.
Das führte dazu, dass Femern A/S die Verkehrsprognosen senken und den Amortisierungszeitraum auf 36 Jahre ab Betriebsstart verlängern musste. Der Baubeginn indes steht noch in weiter Ferne. Ursprünglich sollte die 19 Kilometer lange Verbindung 2021 in Betrieb gehen, neuere Prognosen sprechen von einem Baubeginn in drei Jahren.
Das ist nicht mehr realistisch, weil ein Planfeststellungsbeschluss auf deutscher Seite frühestens zum Jahresende zu erwarten ist. Danach würden langwierige Klagen von Umweltverbänden vor dem Bundesverwaltungsgericht folgen. In Sachen Elbvertiefung dauert ein ähnliches Verfahren bereits acht Jahre.
Die Kosten für die Fehmarnbelt-Querung werden derzeit auf 11,5 Milliarden Euro geschätzt, davon mindestens 7,4 Milliarden Euro für den eigentlichen Tunnel. Den will Dänemark ohne deutsche Mithilfe alleine bauen und finanzieren – allerdings mit Zuschüssen der EU. In der Finanzplanung von Femern A/S ist eine Geldspritze aus Brüssel in Höhe von 1,4 Milliarden Euro vorgesehen. Eine erste Tranche von 589 Millionen Euro steht bereit. Dänemark muss sie bis Ende 2020 abrufen, sonst verfällt das Geld.
Prognose reduziert
Bis dahin aber wird das Leipziger Bundesverwaltungsgericht kein grünes Licht geben können. Neue Förderanträge nach 2021 aber würden weitere Verzögerungen mit sich ziehen. Das größte Verkehrsprojekt Nordeuropas wackelt. Und es wackelte umso mehr, wenn das EG den Zuschuss der EU als wettbewerbswidrige Beihilfe bewerten würde.
Dieser ist auch aus einem anderen Grund fragwürdig: Geld für transeuropäische Projekte sind ausdrücklich vorgesehen für die Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene. Banedanmark, die dänische Gesellschaft für Eisenbahninfrastruktur, hat aber im vorigen Jahr die Prognose von täglich 74 Güterzügen zwischen Kopenhagen und Hamburg auf 17 reduziert: Die Tunnelkosten ließen sich somit nur mit Einnahmen aus dem Straßenverkehr refinanzieren. „Dänemark fördert den Warentransport mit LKW auf der Straße statt mit Zügen auf der Schiene“, kritisiert Malte Siegert, Fehmarnbelt-Experte des Nabu.
„Die dänische Transportpolitik verdreht die europäischen Ziele im Verkehrssektor“, sagt Siegert. Kopenhagen halte einerseits die Hand auf und sabotiere zugleich die Ökologisierung der Verkehre – das sei, sagt Nabu-Bundesgeschäftsführer Leif Miller, „ein unverantwortliches Finanz-Harakiri auf Kosten von Natur und Umwelt“.
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