Klage von Jemeniten: Der Tod kam via Ramstein
Das Bundesverfassungsgericht prüft die internationale Verantwortung Deutschlands für US-Drohnen-Angriffe. Ein Urteil ist in einigen Monaten zu erwarten.
Die USA kämpft weltweit gegen die islamistischen Terrororganisationen al-Qaida und „Islamischer Staat“. Oft setzt sie dabei bewaffnete Drohnen ein. Diese werden zwar von den USA aus gesteuert. Wegen der Erdkrümmung braucht das Signal aber unterwegs eine Relaisstation. Hierfür nutzt die USA die Air Base in Ramstein.
Anlass des Rechtsstreits ist ein Vorfall im Jahr 2012. Ein Geistlicher in der Provinz Hadramaut hatte in der Predigt vor al-Qaida gewarnt. Am nächsten Tag wollten ihn drei Al-Qaida-Vertreter zur Rede stellen. Der Geistliche traf sich mit ihnen, nahm zur Sicherheit aber noch einen Polizisten mit. Das Treffen endete tödlich. Eine US-Drohne tötete alle fünf Männer, nicht nur die Al-Qaida-Leute, sondern auch ihre Gegner. Zwei Neffen des Geistlichen klagen seitdem gegen die US-Drohnenangriffe. Sie fürchten auch um ihr Leben und das ihrer Familien. Die Drohnenangriffe unterschieden nicht genug zwischen Kämpfern und Zivilisten. Da die Neffen in den USA keine Chance hatten, klagen sie seit 2014 mit NGO-Unterstützung in Deutschland; ohne die Relaisstation in Ramstein wären die Angriffe nicht möglich.
Das Verwaltungsgericht Köln lehnte die Klage 2015 ab. Das Oberverwaltungsgericht Münster gab ihr 2019 teilweise statt; Ramstein sei ein „notwendiges Bindeglied“. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig lehnte die Klage 2020 wiederum ab. Ein technischer Übermittlungsvorgang reiche nicht aus, um eine deutsche Schutzpflicht für die Bevölkerung in Jemen entstehen zu lassen.
Schutzpflicht?
Ob Deutschland eine Schutzpflicht für Jemeniten und andere potenzielle Drohnenopfer hat, war jetzt auch die zentrale Frage beim Bundesverfassungsgericht. Für die Bundesregierung lehnte der parlamentarische Verteidigungsstaatsekretär Thomas Hitschler (SPD) eine Verantwortung für das Verhalten von Drittstaaten wie den USA ab. Die deutsche Bündnisfähigkeit wäre beeinträchtigt, wenn Deutschland ständig das globale Handeln seiner Partnerstaaten kontrollieren und korrigieren müsste.
Für die Kläger argumentierte der Anwalt Sönke Hilbrans: „Deutsche Grundrechte gelten dort, wo deutsche Staatsgewalt wirkt.“ Sein Kollege Andreas Schüller ergänzte: „Deutschland muss nicht im Jemen handeln, sondern in Rheinland-Pfalz.“
Die Richter diskutierten lebhaft: „Wenn ich einen Nachbarn auf mein Grundstück lasse, damit er einen besseren Schusswinkel hat, weil er jemand erschießen will, dann habe ich doch eine gewisse Verantwortung“, fragte Richter Ulrich Maidowski. Rechtsprofessor Sebastian Graf von Kielmannsegg, der die Bundesregierung vertrat, fand den Vergleich jedoch unpassend. „Die USA schießen in Deutschland keine Raketen ab, es geht nur um eine Datenleitung.“
Auch wenn Deutschland eine Schutzpflicht haben sollte, heißt dies nicht zwingend, dass Ramstein geschlossen werden müsste. Es könnte genügen, dass die Bundesregierung versucht, auf die USA einzuwirken. Das Urteil wird in einigen Monaten verkündet.
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