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Klage gegen die Öffentlich-RechtlichenEin großes Missverständnis

Steffen Grimberg

Kommentar von

Steffen Grimberg

Eine Klägerin zieht wegen der Rundfunkbeiträge bis zum Bundesverwaltungsgericht. Doch das Geld ist nicht das Problem, sondern mangelnde Bodenhaftung.

Die „Maus“ sollte mal darüber informieren, wie es um das öffentlich-rechtliche Mediensystem steht Foto: Mary Evans/imago

D er Vorwurf ist nicht eben neu: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk (ÖRR) erfüllt angeblich seinen Auftrag nicht, weil er kein vielfältiges und ausgewogenes Programm biete. Weil sie deshalb keinen Rundfunkbeitrag zahlen wollte, hat eine Bürgerin aus Bayern geklagt – und bislang alle Instanzen verloren. Seit Mittwoch verhandelt jetzt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.

Der Prozess ist Wasser auf die Mühlen der ÖRR-Gegner*innen, auch wenn der Vorsitzende Richter gleich zu Beginn das grundsätzliche Missverständnis all dieser Argumentationen festgehalten hat: Bei der Frage, ob der ÖRR seinem Auftrag gerecht werde, geht es um dessen gesamtes Angebot. Also um 12 Fernsehkanäle, über 60 Radioprogramme und noch viel mehr Online-, Podcast- und Social-Media-Angebote. Es geht nicht um einzelne Sendungen oder einzelne Sender. Egal ob sie „Klar“, „Monitor“ oder die „Sendung mit der Maus“ machen.

Wahrscheinlich wäre es sinnvoll, wenn die „Maus“ mal über diesen Sachverhalt informiert. Dass das öffentlich-rechtliche Mediensystem grundsätzlich reformiert gehört, ist dabei offensichtlich. So offensichtlich, dass es mittlerweile sogar passiert.

Entscheidend ist dabei, wie sehr sich die Menschen in „ihrem“ Rundfunk wiederfinden. Hier hat das System in der Tat seit Jahren ignorant geschwächelt. Ein „Erfüllungsgehilfe der staatlichen Meinungsmacht“, wie die Klage in Leipzig behauptet, ist der ÖRR deshalb aber noch lange nicht. Er verhandelt Politik und Macht durchaus kritisch – aber zu wenig volksnah. Gleichzeitig scheut er immer noch, sich in eigener Sache zu erklären und zu verteidigen.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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13 Kommentare

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  • Das Problem an Kritik ist halt: Sie ist unangenehm, denn sie macht Angst.

    Nur: Wer Verantwortung allein durch Rücksichtnahme auf die bereits Mächtigen (und also akut Gefährlichen) gerecht zu werden versucht, hat offenbar nicht verstanden, wie Demokratie funktioniert.

    Anders, als in einer Diktatur, in der mit Gewalt und Hass geherrscht wird, wird in der Demokratie Vertrauen benötigt. Zumindest in größeren Abständen. Vertrauen aber gewinnen Menschen nicht, indem sie sich über die Erfahrungen anderer hinwegsetzen.

    Demokraten müssen die Erfahrungen aller wahrnehmen, reflektieren und so in Bezug zu ihren eigenen Erfahrungen setzen, dass Veränderungen für möglichst alle positiv erfahrbar werden. Denn relevant ist in einer Demokratie auch, wer Macht VERLEIHT. Heute, morgen und auch übermorgen noch.

    Fremde Erfahrungen zu beachten heißt übrigens nicht, Verantwortung abzuwälzen. Das im Sinne des Gemeinwohls vernünftige Abwägen kann den Gewählten niemand abnehmen. Das müssten sie schon selbst machen. Und zwar möglichst frei von Angst, Gier und Egoismus.

    Aber klar: Frei zu sein ist extrem schwer für Menschen, die in den letzten 100 Jahren sozialisiert wurden. Unmöglich ist es aber nicht.

  • Es gibt keine wirksamen Kontrollmechanismen um eine Ausgewogenheit und Unabhängigkeit zu gewährleisten.



    Ein öffentlicher Rundfunk in dieser Form kann daher abgeschafft werden.

    Laut Medienstaatsvertrag sollen nur 30% der Rundfunkräte über Parteien kommen.



    In der Realität werden parteinahe Vereine und Stiftungen (insbesondere linkslastige wie DGB, VDK etc.) missbraucht, um diese Quote deutlich zu übertreffen. Wir haben teils antideutsche Extremisten in den Rundfunkräten sitzen. Ein unhaltbarer Zustand.

    Es gibt keine effektive Form des Bürgereinspruchs. Programmbeschwerden werden von den Intendanten und Vorinstanzen zu 99% abgebügelt. Politiker können den Medienstaatsvertrag nicht aufkündigen ohne vor Gericht zu landen. Der Bürger darf die Zahlung der Gebühr nicht einstellen ohne im Gefängnis zu landen.

    Dies führt dazu, dass nur 30% der Bürger dem öffentlichen Rundfunk noch Glauben schenken. 100% der Bürger zahlen ein Programm das 30% potentiell konsumieren.

    Kann weg.

    • @Yannis Pappas:

      Wer sind die "antideutsche(n) Extremisten"? Eine recht abenteuerlich anmutende Behauptung!



      "Also um 12 Fernsehkanäle, über 60 Radioprogramme und noch viel mehr Online-, Podcast- und Social-Media-Angebote". Ein riesiges Angebot: Dass nur 30% der Bürger Programme des ÖRR konsumieren ist kaum zu glauben. Selbst wenn möglicherweise ein hoher Prozentsatz nur die kommerziellen Programme sehen sollte - das Radio zum Musikhören ist schnell angestellt.

  • P.S.



    Die Klägerin erschien übrigens am ersten Prozesstag nicht selbst: "An ihrer Stelle sitzt auf der Klägerbank im großen Sitzungssaal des Leipziger Gerichtsgebäudes Jimmy Gerum von der Bürgerinitiative "Leuchtturm ARD". Quelle: ZDF heute). Der Richter hat ihn geduldet.

  • "12 Fernsehkanäle, über 60 Radioprogramme und noch viel mehr Online-, Podcast- und Social-Media-Angebote". Wer sich da nicht wiederfindet, ist selber schuld.



    Beim Lesen des Artikels habe ich mich gefragt, wer hinter der Klägerin steckt - wir unterstützt sie? Nun, wie ich in verschiedenen Quellen las, ist es "Leuchtturm ARD", eine Gruppe, die vom bayrischen Filmemacher Jimmy G. Cerum ins Leben gerufen wurde.



    "Die Kampagne »Leuchtturm ARD« wurde vom bayerischen Filmemacher Jimmy C. Gerum ins Leben gerufen. Gerum ist Mitglied der Partei DieBasis, vertritt Verschwörungsmythen zu 9/11 und lehnt Corona-Schutzmaßnahmen ab. Mit »Leuchtturm ARD« konzentriert er seine Aktivitäten auf das Bashing der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die er als »Hort der Desinformation« bezeichnet. Die Kampagne verbindet die Erzählung über gleichgeschaltete Medien mit dem in rechten Kreisen verfänglichen Aufruf zum Gebührenboykott. Die Kampagne fand ihre Erweiterung als »Leuchtturm ARD – ORF – SRG«.



    rheinmain-rechtsau...ar/leuchtturm-ard/

  • Die Berichterstattung der großen Formate des ÖRR, also Tagesschau, zdfheute hat bei einigen der relevantesten Themen unserer Zeit durchaus Schlagseite.

    Beispiele: Ukraine Krieg, Gaza/Nahost, aber auch Themen wie Armut in Deutschland, Fiskalpolitik, Inflation, und vieles mehr.

    Hier wird der gängige Mainstream/Regierungskurs brav und unreflektiert wiedergegeben. Interviewpartner (außerhalb politischer Parteien) und "Experten" werden ausschließlich so ausgewählt, dass sie den gesetzten Narrativ unkritisch bestätigen.



    Das ist wahrhaftig keine ausgewogene, umfassende oder neutrale Berichterstattung.

    Dass man das Feld Medienkritik komplett an die Rechten abgegeben hat, war und ist ein riesiger Fehler, der zu deren Erstarken massiv beigesteuert hat.

  • "Ein „Erfüllungsgehilfe der staatlichen Meinungsmacht“, wie die Klage in Leipzig behauptet, ist der ÖRR deshalb aber noch lange nicht."

    Da kann ich dem TAZ Team das Buch "Die vierte Gewalt" von Harald Welzer und Richard D. Precht ans Herz legen. Oder einfach mal selbst im Fernsehen die Berichterstattung über Ukraine-Krieg und Gaza verfolgen. "Erfüllungsgehilfe der staatlichen Meinungsmacht" ist natürlich Quark, aber das dort ansatzweise ausgewogen berichtet würde, kann man dem ÖRR auch nicht vorwerfen.

  • Wer nach der rechtlichen Legitimation der Abgabe fragt, wird nicht auf eine solche verwiesen, sondern wird in irgendeine Ecke geschoben. Für viele Menschen kommt dann plötzlich dieser Brief, dass sie irgendwas bezahlen müssen, was sie nicht bestellt haben und auch keine Steuer ist. Und wenn sie es nicht tun, kommen sie in den Knast. Die Methode ist hier ein entscheidender Faktor, warum so viele Menschen diesen Beitrag verabscheuen.

    • @ImInternet:

      Jedes kleine Kind weiß doch, dass Rundfunkgebühren zu zahlen sind. Wenn jemand also behauptet, dass "plötzlich" ein Brief gekommen ist, dann glaub ich ihm kein Wort. Und ehrlich gesagt kann mir auch niemand weismachen, dass er nicht dem Rundfunk lauscht oder sich Nachrichten im Fernsehen anschaut. Bürgergeldempfänger können sich im übrigen "befreien" lassen.

  • Würde der ÖRR seinem Auftrag tatsächlich nachkommen, hätten wir nicht ständig Leute wie Weidel und andere mit ihren Falschbehauptungen im Fernsehen sitzen. Der ÖRR hat auch die Pflicht, KORREKT aufzuklären und das tut er nicht.

    Wenn man sich dann noch die Intendantengehälter anschaut, gehört die GEZ sehr wohl abgeschafft. Alle anderen Sender schaffen es, sich über Bezahldienste oder Werbung zu finanzieren. Der ÖRR will direkt gierig alles, um es dann Leuten wie Schlesinger in den Rachen zu schmeißen.

    Das ist auch nicht erst seit gestern bekannt.

  • Hujujuj, ist der letzte Absatz nicht ein bisschen auf der Drama-Treppe ausgerutscht?



    Tatsächlich dürfte es nur sehr wenige Deutsche geben, die grundssätzlich gegen einen ÖRR sind. Nur finden immer mehr, besser keinen als diesen.



    Und daran wird ein Gesetz oder Vertrag erst mal nicht viel ändern. Falls sich etwas daran ändern soll, muss sich sehr viel mehr ändern, z.B. die Einstellung der Führungsebene, die interne Arbeitsweise und, wer hätt's gedacht, das Programm.



    Oder, alternativ, wir versuchen es einmal ohne.

  • Wusstet ihr das Leute wegen Gez Verweigerung im Knast sitzen, und so Leute wie der Wdr Intendant regelmäßig aus ihrem Luxus Büro heraus dafür unterschreiben das die Leute weiterhin im Knast verbleiben?

    Mir würde es schon reichen wenn das nicht mehr möglich wäre. Denn ich verstehe Menschen die stur für ihre Selbstbestimmung kämpfen...

  • Auch wenn der ÖRR heute digital und über unterirdisch verlegte Glasfaserkabel „sendet“, bleibt der Vorwurf „mangelnder Bodenhaftung“ erklärungsbedürftig.

    „Volksnäher“ als es die erhobenen Quoten zeigen, will der ÖRR schon aus Eigeninteresse sein. Immerhin geht es um den Nachweis der eigenen Relevanz und Werbeeinnahmen, kurz eigene Wirtschaftsinteressen. Die stecken ja auch hinter der ständigen Ausweitung von Programmangeboten und Verbreitungskanälen, hinter Programminhalten, die mit den Verlockungen der kommerziellen Sender konkurrieren wollen. Von Meinungsvielfalt ist der ÖRR dabei so fern, wie die selbsternannte demokratische Mitte von Selbstkritik oder das Prospektangebot eines Discounters.

    Angesichts des größten Medienangebots aller Zeiten, sollten wie uns fragen, welchen Programmumfang und welche Programminhalte wir von einem durch allgemeinen Beitragszahlungen grundfinanzierten ÖRR wir erwarten und wie wir den Wildwuchs unabhängiger und autoreferenzieller, als Wirtschaftsunternehmen agierender Sendeanstalten kontrollieren können.