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Klage gegen PestizidTausendfach klimaschädlicher als CO2

Drei Umweltorganisationen klagen gegen die Zulassung des Insektentöters ProFume. Die Klimafolgen seien bei der Zulassung nicht berücksichtigt worden.

ProFume ist ein Begasungsmittel und wird unter anderem dafür eingesetzt, Holzstämme vor dem Export von Insekten zu befreien Foto: Joerg Farys

Berlin taz | Am Donnerstag hat die Deutsche Umwelthilfe (DUH) mit Unterstützung vom Umwelt­institut München und der Umweltorganisation Protect the Planet eine Klage gegen das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) eingereicht. Der Vorwurf: Bei der Verlängerung der Zulassung des Pestizids ProFume wurden Klimafolgen bisher nicht berücksichtigt.

Das widerspreche dem Gebot, Klimaschutz bei allen behördlichen Entscheidungen zu berücksichtigen, betont die Rechtsanwältin, Caroline Douhaire, die die DUH in dem Verfahren vertritt. Mit der Klage wollen die Umwelt­organisatio­nen ein Verbot des Pestizids erreichen.

ProFume ist ein Begasungsmittel und wird unter anderem dafür eingesetzt, Holzstämme vor dem Export von Insekten zu befreien. Laut den Organisationen ist das Gas, welches zu 99,8 Prozent aus dem Wirkstoff Sulfurylfluorid besteht, bis zu 7.500-mal klimaschädlicher als das Treibhausgas CO₂.

Brandbeschleuniger der Klimakrise

Sie sagen, dass allein 2022 die deutsche Sulfurylfluorid-Emission rund 3 Millionen Tonnen CO₂ entsprach. Das ist in etwa so viel wie die jährlichen Emissionen einer Stadt der Größe Gelsenkirchens. „Sulfurylfluorid ist ein Brandbeschleuniger der Klimakrise“, sagt der politische Geschäftsführer des Umweltinstituts München, Fabian Holzheid.

Weder der Hersteller des Mittels ProFume noch Behörden, Gesetzgeber oder Begasungsfirmen würden bisher wirksame Maßnahmen ergreifen, um den durch das Gas entstehenden Klimaschaden zu begrenzen, betont der Bundesgeschäftsführer der DUH, Jürgen Resch. Deshalb seien die Umweltorganisationen zum Schutz von Umwelt und Klima dazu gezwungen, eine Klage einzureichen.

Die Klage geht gegen das BVL, da diese zuletzt im Herbst 2024 die Zulassung für ProFume verlängerte. Klimawirkungen habe das BVL bei der Entscheidung allerdings überhaupt nicht berücksichtigt, sagt Hauke Doerk, Referent für Energiepolitik des Umweltinstituts München, der taz.

Es gebe schon längst einen Blumenstrauß an möglichen nachhaltigeren Verfahren, etwa Wasserlagerung, die thermische Behandlung oder das Druckexpansionsverfahren. Solange ProFume erlaubt bleibt, gäbe es jedoch sowohl aus logistischen als auch aus wirtschaftlichen Gründen keinen Anreiz, auf diese auszuweichen.

Bepreisung der Klimafolgeschäden fehlt

Am Ende sei es eine Frage des Preises – „die Nutzung von ProFume ist momentan das günstigste Produkt“, sagt Markus Raschke, von Protect the Planet, der taz. Würde man die zukünftigen Kosten der Klimaschäden, welche durch das Pestizid entstehen, mit in den Preis einrechnen, schießt der Preis in die Höhe.

„Mit einer Emissionsbespreisung würde niemand dieses Gas benutzen“, so Doerk. Es wäre viel zu teuer, vermutlich etwa 5-mal so teuer wie gerade. Die umweltfreundlichen Verfahren würden dadurch schnell an Wirtschaftlichkeit gewinnen.

„Aber das Blöde ist halt, dass wir den CO2-Emissionenpreis nicht bekommen werden“, sagt Doerk. Das müsse nämlich auf EU-Ebene passieren. Die EU hat den Wirkstoff Sulfuryl­fluorid 2024 an anderer Stelle reguliert, nämlich in der F-Gase Verordnung. Das bedeutet, dass ProFume nun strengeren Regulierungen unterliegt, um die Emissionen von Sulfurylfluorid zu kontrollieren.

Vorbild für andere EU-Staaten

„Die Verordnung funktioniert aber nicht über den Preis. In der Praxis passiert überhaupt nichts“, so Doerk. Deswegen sei die Klage auf der Zulassungsebene gegen das BVL passiert, hier sehen die Um­welt­schüt­ze­r:in­nen den richtigen Angriffspunkt.

Ein übergeordnetes Ziel der Klagenden ist, mit dem ­Verbot vom ProFume in Deutschland ein Vorreiter für andere europäische Staaten zu werden. „Wenn wir in Deutschland schaffen, diesen Stoff zu verbieten, dann ist er in der EU noch immer zugelassen“, so Doerk. Die Mitgliedstaaten seien selbst für die Zulassung des Pestizids zuständig. Kommt die Klage durch, ­könnten andere Staaten oder Organisationen sich auf das deutsche Verfahren beziehen und es als Argumentation nutzen.

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