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Kirche in ItalienPapst exkommuniziert Mafia

Die, die „den Weg des Übels gewählt“ hätten, seien nicht Teil der Kirche: Erstaunlich scharf verurteilt Papst Franziskus Mafia-Mitglieder und besucht ein Gefängnis.

Besonders die kalabrische Mafia 'Ndrangheta greift der Papst an. Bild: ap

CASSANO ALLO IONIO afp | Papst Franziskus hat die Mafia in ungewöhnlich scharfer Form verurteilt und ihre Mitglieder exkommuniziert. Die Mafia sei ein „Übel, das bekämpft werden muss“, sagte das katholische Kirchenoberhaupt am Samstag bei einem Freiluft-Gottesdienst auf einem Platz bei Cassano allo Ionio in Kalabrien. Diejenigen, die „den Weg des Übels gewählt“ hätten, „wie die Mafiosi“, stünden „nicht in der Gemeinschaft mit Gott“, sie seien „exkommuniziert“.

An dem Gottesdienst nahmen rund 250.000 Gläubige teil, die dem Papst wiederholt stark applaudierten, als er die Mafia verurteilte. Der Vatikan-Experte Luigi Accatolli sagte dem Fernsehsender TV2000, es sei das erste Mal gewesen, dass ein katholisches Kirchenoberhaupt Mafiosi für „exkommuniziert“ erklärt habe.

Der Papst bezog sich besonders auf die kalabrische Mafia-Organisation 'Ndrangheta. Diese ist inzwischen die reichste Mafia-Organisation. Sie profitiert vor allem von der Vermarktung von Kokain aus Südamerika. Die Region Kalabrien dient ihr dabei als Drehkreuz für den Drogenverkehr aus Südamerika nach Europa.

Es war der erste Besuch des Papstes in Kalabrien, einer der ärmsten italienischen Regionen. In Kalabrien ist derzeit mehr als die Hälfte der Jugendlichen unter 25 Jahren arbeitslos. Nach Angaben der Organisation Save the Children in Italien wird mehr als ein Drittel der Familien in der Region von der Mafia kontrolliert.

Dreijähriger ermordet

Vor der Freiluft-Messe besuchte Franziskus ein Gefängnis bei Cassano allo Ionio. Dort wies er auf die Leiden von Kindern unter der Brutalität der Mafia hin. Er bezog sich auf den gewaltsamen Tod des dreijährigen Nicola „Coco“ Campolongo, dessen Ermordung im Januar landesweit für Empörung gesorgt hatte.

„Niemals wieder darf ein Kind solche Qualen erleiden“, sagte der Papst laut einem Vatikansprecher. Die Leiche des Kleinkindes war zusammen mit dem toten Großvater und dessen Lebensgefährtin in einem ausgebrannten Auto entdeckt worden. Sie waren zuvor regelrecht hingerichtet worden, der kleine Junge saß noch angeschnallt in seinem Kindersitz. Hintergrund der Tat waren Streitigkeiten um Drogenschulden. Nur zwei Monate später wurde in der nahen Region Puglia ein weiteres dreijähriges Kind ermordet.

Unter den Gefangenen in der Haftanstalt Castrovillari sind zahlreiche Mafia-Mitglieder, darunter neben „Cocos“ Vater weitere Familienmitglieder der Getöteten, die alle wegen Drogendelikten inhaftiert sind. Die Mutter war während der Bluttat ebenfalls in Haft, steht inzwischen aber unter Hausarrest. „Ich bete ständig für ihn. Verzweifelt nicht“, sagte der Papst, der mit rund 200 Häftlingen des Gefängnisses sprach.

Es sei sein Anliegen, die „Nähe des Papstes und der Kirche gegenüber allen Männern und Frauen, die im Gefängnis sind, in allen Teilen der Welt“ zum Ausdruck zu bringen, sagte Franziskus. Auch er mache „Fehler“ und müsse „Buße tun“. Zugleich betonte er, wie wichtig eine gesellschaftliche Reintegration von ehemaligen Straftätern sei.

Seit seinem Amtsantritt besuchte der 77-jährige Franziskus bereits mehrfach Gefängnisse, am Gründonnerstag kurz nach seiner Wahl nahm er in einem Gefängnis in Rom eine symbolische Fußwaschung an jugendlichen Straftätern vor.

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16 Kommentare

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  • Wirklich nur was für hartgesottene Hedonisten, alter.

  • Auweia, dafürchtet sich soicherlich die Mafia ganz doll.

    Das sind kanllhart auf Profit und Expansion angelegte Strukturen.

    Vorm Past haben die sich vielleicht mal vor 150 Jahren gefürchte.

    Schön weltfremd.

  • Respekt! Dieser Papst tut das, was man von einem heiligen Vater erwarten darf - er spricht Klartext, benennt das Richtige und das Falsche.

    Allmählich wird es auch eng bei der CDU. Nur eine Frage der Zeit, bis sie das "C" wohl weglassen muss.

  • Und wenn der Papst Geld vom Himmel regnen lassen würde, die TAZ Community was zu meckern haben.

    • @Thomas Schöffel :

      Sie haben recht. Das würde ich dann schon reichlich daneben finden.

  • Ein couragierter Papst - endlich ein echter Vater für die, die ihn brauchen.

     

    Endlich nimmt Il Papa von der gesamten "ehrenwerten Gesellschaft" mit seinen deutlichen Worten und vor allem seiner nicht zu unterschätzenden Tat, nämlich der Exkommunikation, das verlogene Mäntelchen der Rechtschaffenheit und zeigt sie vor sich selbst und ihren willigen Handlangern auf als das was sie sind - Verbrecher.

     

    Musste dafür erst ein dreijähriges Kind zum "Märtyrer" werden? Die Mitverantwortung dafür tragen auch die Ehefrauen, Mütter, Großmütter und Schwestern, die mit oft erheblichem Druck das hilfreiche Schweigen mit und weiter getragen haben und erheblich zu seiner Stabilität über mehr als 150 Jahre beigetragen haben.

     

    Die in großen Teilen immer noch eng kirchenverbundene katholische Bevölkerung wird als Mittäter über die Wahrheit schockiert sein. Aber die Opfer werden endlich über ihr teils generationenlanges Leiden hinweg getröstet und endlich im dort starken Arm der Kirche Geborgenheit finden, die ihnen die Päpste vor diesem mutigen Papst Franziskus verwehrt haben - vermutlich in Kenntnis der für Kleingeister unübersehbaren und beängstigenden Folgen für das im Innern der Kirche wuchernde Krebsgeschwür an Inkompetenz, Heuchelei und Korruption, an dessen Herauslösung sich der Papst nun macht.

     

    Eigentlich wollte ich austreten. Aber das lasse ich nun, denn dieser mutige Mensch hat auf seinem schweren Weg Unterstützung nötig und verdient.

  • Das ist erstaunlich, wenn man die Kirche nicht mag, ansonsten war das in dieser Form überfällig. Kriminalität ist Kriminalität und solche Täter sind nicht zu respektieren, sondern sie gehören vor ein Gericht. Ohne diese Mafia-Strukturen in Süd-Italien würde es den Menschen dort drastisch besser gehen. Inzwischen haben sie mit ihrer Kriminalität und Geschäftstüchtigkeit schon EU-weit Wirkung erzielt. Insofern ist der Papst auf dem richtigen Weg.

  • Der Süden Italiens gehört unter eine nicht eigennützigen Diktatur gestellt, wie Lee damals in Singapur.

  • Oh, der Papst lebt gefährlich.

  • Die päpstliche Exkommunikation der 'Ndrangheta könnte so ziemlich die schärfste - und wirksamste - Waffe der katholischen Kirche gegenüber den Angehörigen dieser kriminellen Organisation sein, die bei der Gläubigkeit der Menschen vermutlich von doch erheblicher Wirksamkeit sein dürfte. Immerhin konnten sich die Mafia-Mitglieder in der Vergangenheit immer wieder per Beichtsakrament die Absolution ihrer Verbrechen abholen, um dann munter weiter zu erpressen und zu morden.

     

    Diese Entlastung wird der Mafia nun entzogen, was nicht nur menschlich sondern auch politisch von größerer Wirksamkeit sein wird, als es allgemein vorstellbar sein dürfte.

     

    Insofern war dies ein seit Jahrzehnten von Teilen der geplagten Bevölkerung herbeigesehnter Schritt, der diesem Krebsgeschwür Italiens zumindest das Tarnmäntelchen der kirchlichen Akzeptanz nimmt - endlich!

     

    Mein Respekt vor dem Oberhaupt der röm.-kath. Kirche nimmt gewaltig zu. Jetzt muss nur noch das Bodenpersonal spuren, wenn der hl. Vater mit dem eisernen Besen schon mit so gutem Beispiel voran geht.

     

    Der zweite nicht weniger wichtige Punkt sollte, da er ebenfalls die gesamte Gesellschaft betrifft, intensiv diskutiert werden: "Zugleich betonte er, wie wichtig eine gesellschaftliche Reintegration von ehemaligen Straftätern sei."

     

    Damit hat er zwei sehr wichtige Denkanstöße gegeben, die auch hier bei uns besprochen werden müssen.

  • Ein seltener Papst , der die Kirche im Namen Jesu vertritt ! Auch wenn man von dem Götzendienst , der zum Schutz der Obrigkeit gegründet wurde , nicht viel hält , so nimmt wenigstens Er , seine Berufung ernst , indem er sich Jesus als Vorbild nimmt .

  • Falls Opfer sich trotzdem melden, behauptet man, dass sie die Unwahrheit sagen. Oder es werden den Betroffenen negative Eigenschaften zugeschrieben und propagiert, die seien der Grund dafür, dass die Täter sie sexuell ausgebeutet und misshandelt haben. Wider besseren Wissens. Etwas sarkastisch ausgedrückt: für den Erfolg müssen ja schließlich Opfer gebracht werden.

     

    Der Grad an sozialer und ethischer Verwahrlosung korreliert dabei auffällig häufig mit dem nach außen hin demonstrierten hohen moralischen Anspruch.

     

    Die RKK ist eine weltumspannende, semipolitische Organisation. Mit einer Führungsclique, die sich weitgehend einer Kontrolle von außen entzieht. Sie funktioniert so wie die Fifa und ist auch ungefähr genauso seriös.

     

    Mit dem Ergebnis, dass die Katholische Kirche mittlerweile wohl eine Institution ist, deren Mitarbeiter auf unterer und mittlerer Ebene sich für ihren Führungskader fremdschämen. Folge: nirgends gibt es mehr Whistleblower als in der Katholischen Kirche.

     

    Und noch eine Parallele zwischen katholischer Machtelite und der Mafia: die spirituelle Verortung des institutionellen Missbrauchs. Auch der italienischen Mafia sagt man nach, dass ihre Mitglieder eine ganz eigene Auffassung vom höheren Sinn Ihres Tuns haben.

  • Was die klerikale Missbrauchsmafia angeht:

     

    in sozialen Gefügen, in denen Täterinnen und Täter über längere Zeiträume hinaus Kinder und Jugendliche nahezu unbehelligt sexuell ausbeuten können, erfüllt die Missbrauchskriminalität auch ganz praktische Zwecke. Klassiker: der Täter subventioniert seine Partnerin, zum "Dank" darf er ihre Kinder missbrauchen. Bekannt: der besonders beliebte und fleißige Schwimmtrainer. Leider ein Missbraucher. Der pädokriminelle Internatsschulleiter, der dafür sorgt, dass die Einrichtung besonders lukrative Schüler bekommt. Womit der Geschäftsführer Stiftungen finanziert. Katholisches Pendant: der Kindesmissbraucher, der gleichzeitig ein besonders fleißiger Spendensammler ist. Oder gleich eine nützliche Organisation gründet, wie eben Degollado, "Vater" der Legionäre Christi. Enger Freund von Wojtyla.

     

    Selbstredend "merkt" nie einer was. Die Mutter, genauso wenig wie der Schwimmverbandsvorstand und der Schulträger. Die Zuständigen im Vatikan bekamen und bekommen seit Jahrzehnten bergeweise Post mit Hinweisen . Teils durch Priester, die Spezialisten im Kirchenrecht sind. Sie wird allenfalls lapidar beantwortet.

    Falls Opfer sich trotzdem melden, behauptet man, dass sie die Unwahrheit sagen. Oder es werden den Betroffenen negative Eigenschaften zugeschrieben und behauptet, die seien der Grund dafür, dass die Täter sie sexuell ausgebeutet und misshandelt haben. Wider besseren Wissens. Etwas sarkastisch ausgedrückt: für den Erfolg müssen ja schließlich Opfer gebracht werden.

     

    Der Grad an sozialer und ethischer Verwahrlosung korreliert dabei auffällig häufig mit einem nach außen hin demonstrierten hohen moralischen Anspruch.

  • Herr Bergoglio hätte im eigenen Haus genug zu tun. Nämlich damit, Kartelle und Syndikate zu benennen und aufzulösen, die die Organisation, der er vorsteht unterhält.

     

    Die Verflechtungen zwischen der Mafia und der Katholischen Kirche sind eng. Beide Organisationen leben in Symbiose https://www.youtube.com/watch?v=Qa6v0tCyJ2A

     

    In folgendem Artikel geht es um die Heiligsprechung von Johannes Paul II. Aber eigentlich um organisierte Missbrauchskriminalität innerhalb des Zuständigkeitsbereiches der Römisch Katholischen Kirche

    http://www.fr-online.de/politik/johannes-paul-ii--eine-unselige-verbindung,1472596,4748524.html

     

    Beispielhaft: die Begleit- und Beschaffungskriminalität am vom Jesuitenorden betriebenen Bonner Aloisiuskolleg

     

    https://www.jesuiten.org/fileadmin/Redaktion/Downloads/Abschlussbericht_AKO_Zinsmeister.pdf

    http://www.general-anzeiger-bonn.de/bonn/bad-godesberg/godesberg-zentrum/zweiter-bericht-zur-aufarbeitung-offengelegt-article1005978.html

    http://www.general-anzeiger-bonn.de/bonn/themen/ako-pro/rueckzahlung-von-165-000-euro-an-die-stadt-unwahrscheinlich-article1225390.html

     

    Beispiellos: die Machenschaften rund um die "Domspatzen"

    http://www.regensburg-digital.de/tebartz-van-elst-das-sahnehaeubchen-fuer-die-skandal-dioezese/10062014/

     

    Angelika Oetken, Berlin-Köpenick, eine von 9 Millionen Erwachsenen in Deutschland, die in ihrer Kindheit und/oder Jugend Opfer schweren sexuellen Missbrauchs wurden

  • Viele Italiener sind sehr religiös und die Exkommunikation wird Mafia-Mitglieder, die glauben, sie seien immer noch gute Katholiken, möglicherweise entsetzen, zumindest aber wird es ihnen auffallen und unangenehm aufstoßen. In kleinen Dörfern und Gemeinden, in denen seit Jahrhunderten bekannt ist, wer im Grunde auf welche Art und Weise sein Geld verdient, wird im sonntäglichen Gottesdienst derjenige nicht mehr gelitten sein und zur Persona Non Grata werden. Ein Ausschluß aus der Gemeinschaft. Dort, wo Mammas, Schwiegermütter und Tanten den familienverliebten Italiener zu drangsalieren beginnen, mag diese überaus geschickte Äußerung des Papstes möglicherweise mehr bewirken als irgendwelche Polizeiaktionen.

  • Als überzeugter Atheist sage ich; dem Himmel sei Dank für diesen Papst.

    Als Realist hoffe darauf dass sich die Geschichte NICHT wiederholt, und das diesem Papst ein langes Leben gegönnt sei...